21 Mai 2025

The Pioneer - Joe Biden: Wie sein Gesundheitszustand systematisch vertuscht wurde

Business Class Edition
Joe Biden: Wie sein Gesundheitszustand systematisch vertuscht wurde
Guten Morgen,
Hannah Arendt wusste um die Verletzbarkeit der Wahrheit im politischen Kampf:

"Gezielte Irreführungen und blanke Lügen als legitime Mittel zur Erreichung politischer Zwecke kennen wir seit den Anfängen der überlieferten Geschichte".

Sie ging in ihren Schriften davon aus, dass die Wahrheit kein eigenes Recht besitze und oft ohnmächtig sei – „außer dort, wo Menschen den Mut haben, sie zu sagen“.
Doch um den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, ist es nicht gut bestellt. Auch Journalisten und ihre Verleger werden durch Interessen beeinflusst und die Wahrheit erfährt zuweilen eine Verformung.
Warum das wichtig ist: Man ist in den Medienhäusern um Nähe zu den Mächtigen bemüht, damit die Steuersätze (Zeitungen und Zeitschriften zahlen hierzulande nur den halben Mehrwertsteuersatz) niedrig bleiben. Man kämpft um das nächste Interview mit dem Präsidenten – auch, weil das hohe Einschaltquoten verspricht. Man übersieht, was nicht übersehen werden sollte, um Schlimmeres zu verhindern – das Extreme, das Rechte, Trump.
Womit wir bei Joe Biden wären. Der ehemalige US-Präsident war schon lange vor seinem Abgang zu alt, zu vergesslich, zu gebrechlich, zu unfit für den Job im Oval Office. Aber alle schwiegen – die Medien, das Weiße Haus, die Demokratische Partei. Ein schwer angeschlagener Greis mit nur noch reduziertem Erinnerungsvermögen und limitierter Auffassungsgabe stapfte durch den Wahlkampf. Erst beim Präsidentschaftsduell, als kein Souffleur und kein Teleprompter zur Verfügung standen, brach die Inszenierung zusammen.
In ihrem gestern erschienenen Buch „Hybris: Verfall, Vertuschung und Joe Bidens verhängnisvolle Entscheidung“ schildern die Journalisten Jake Tapper und Alex Thompson, wie die Medien und das Weiße Haus gemeinsam die große Vertuschungsaktion durchführten. Das Ganze begann schon Jahre vor dem Wahltag.
Democratic Convention 2020: Während der Covid-Pandemie mussten die wichtigen Parteitage online stattfinden. Das Zeugnis der Buchautoren über die damals emittierten Videoaufnahmen von Biden fällt vernichtend aus.

„Es war, als würde man einem Opa zusehen, der nicht Auto fahren sollte. Ein spezielles Team wurde hinzugezogen und beauftragt, die Videos so zu bearbeiten, dass sie ausgestrahlt werden konnten, wenn auch nur für ein paar Minuten.“

Und das war erst der Anfang: Biden stürzte vom Fahrrad. Biden stolperte auf dem Weg zur Bühne. Biden schaffte kaum die Gangway zur Air Force One. Wann immer die Medien kritisch über den Zustand des Präsidenten schrieben, schaltete das Weiße Haus auf Angriff. Tapper und Thompson:

„Die Biden-Kampagne und die Mitarbeiter des Weißen Hauses hatten einen Modus Operandi, um alle Journalisten anzugreifen, die über Fragen zum Alter des Präsidenten berichteten, und setzten ein Korps von Social-Media-Influencern, progressiven Reportern und demokratischen Mitarbeitern ein, um diejenigen in den Nachrichtenmedien, die dieser Frage nachgingen, als unprofessionell und voreingenommen zu beschimpfen.“

Das Ganze folgte einer klaren Strategie des Weißen Hauses:

„Das Ziel war es, Journalisten zu beschämen und eine abschreckende Struktur für diejenigen zu schaffen, die sich für den Zustand des Präsidenten interessieren.“

Dabei sei Bidens körperlicher Zustand schon zu diesem frühen Zeitpunkt nicht mehr tragbar gewesen, wie die beiden Top-Journalisten in dem Buch enthüllen:

„Bidens körperlicher Verfall – der sich vor allem in seinem stockenden Gang zeigte – war so gravierend, dass intern darüber diskutiert wurde, den Präsidenten in einen Rollstuhl zu setzen.“

Allein die Einträge im Biden-Kalender, die allen Hauptstadtjournalisten zugänglich waren, hätten zur Enttarnung führen müssen.

„Der Rest des Tages war Desk Timevon 13.30 bis 14.15 Uhr, dann POTUS Timevon 14.15 bis 16.15 Uhr. Und dann beendete er seinen Tag mit dem Abendessen um 16.30 Uhr.“

Selbst die Familie versuchte, Biden Senior vor sich selbst zu schützen, was damals niemand berichtete und erst durch das Buch herauskam. Bei einem Besuch in Irland im April 2023 sagte Sohn Hunter zu Vater Joe:

„Du hast versprochen, dass du ein Nickerchen machen würdest. Du weißt, dass du das alles nicht schaffen kannst.“

Biden und die Medien: kein Einzelfall. Bereits im Fall von John F. Kennedy kollaborierten das Weiße Haus und die Medien, um dessen angeschlagenen Gesundheitszustand vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Fast jeden Tag seines Erwachsenenlebens litt Kennedy unter lähmenden Rückenschmerzen und trug oft eine stabilisierende Schiene unterm Hemd. Der schlechte Gesundheitszustand des US-Präsidenten wurde während seiner Amtszeit als Staatsgeheimnis behandelt.

Auch in Deutschland weiß man, wie Hofberichterstattung funktioniert. Im Fall von Willy Brandt hielt die Mauer des Schweigens bis zum Ende seiner Kanzlerschaft.

Der deutsche Bundeskanzler (1969–1974) litt an Depressionen, die ihn oft tagelang außer Gefecht setzten. Peter Merseburger war einer der Ersten, der in seiner Biografie „Willy Brandt: 1913–1992“ (erschienen zehn Jahre nach dem Tod von Brandt) auf die seelischen Krisen des Kanzlers einging.

Er beschrieb, dass Brandt sich oft tagelang zurückzog und das abgedunkelte Schlafzimmer auf dem Venusberg in Bonn nicht verließ. Merseburger, ein journalistischer Wegbegleiter und Vertrauter des Kanzlers, sprach von einer „inneren Müdigkeit“ Brandts.

Auch der Biograf Gregor Schöllgen, der 2001 zusammen mit dem Willy-Brandt-Archiv das Werk „Willy Brandt: Die Biographie“ veröffentlichte, beschrieb die psychische Erkrankung und nutzte dabei bislang unveröffentlichte Briefe und Tagebücher. Er zitiert Rut Brandt, die zweite Ehefrau des Kanzlers:

„In solchen Zeiten war ihr Mann für niemanden zu sprechen, nicht einmal für die Familie‘.“

Selbst enge Vertraute wie Egon Bahr und Horst Ehmke konnten den Regierungschef in diesen Zuständen nur schwer erreichen. Kanzleramtsminister Ehmke schilderte Jahrzehnte später die Situation so:

„Eines Tages lag er mehrere Tage zu Hause, angeblich krank. Die Kommunikation mit seiner Umwelt hatte er nach und nach eingestellt. Ich brauchte von ihm aber Unterschriften … Ich fuhr auf den Venusberg, ließ mir von Rut eine Flasche Rotwein und zwei Gläser geben und ging in sein Zimmer. Da er so tat, als ob er mich nicht wahrnähme, fuhr ich gleich schweres Geschütz auf: ‚Willy, aufstehen, wir müssen regieren.‘“

Fazit: Natürlich erleben wir keine publizistische Sternstunde, wenn wir feststellen müssen, dass die Macht stärker war als die Wahrheit. Doch auch in der Stunde bitterer Erkenntnis spendet Hannah Arendt Trost. Die Wahrheit werde im Zusammenprall mit den bestehenden Mächten und Interessen immer den Kürzeren ziehen, schreibt sie in „Wahrheit und Lüge in der Politik“. Aber sie besitze „eine Kraft eigener Art“:

Überredungskünste oder auch Gewalt können Wahrheit vernichten, aber sie können nichts an ihre Stelle setzen.

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