Ein Sommertag im Jahr 2023.
Deshalb nun der offizielle Spatenstich für den Erweiterungsbau. Im Kabinett sei man froh darüber, dass es jetzt endlich losgehe.
So könnte es in wenigen Monaten ablaufen.
Könnte – wohlgemerkt.
Die Einladungen sind allerdings noch nicht verschickt. Womöglich liegt das auch daran, dass man gar nicht mehr weiß, ob es noch etwas zu feiern gibt.
Denn die Sache mit dem Neubau der schon jetzt größten Regierungszentrale in der westlichen Welt ist heikel.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) und damit einer der engsten Verbündeten von Kanzler Olaf Scholz in der Koalition hat das Projekt ganz offen in Zweifel gezogen.
Ganz grundsätzlich gehe es um die Frage, ob dieser Bau noch zeitgemäß ist, sagte Lindner in der ARD.
Scholz, der Kanzler, der den Neubau will, soll über den TV-Auftritt massiv verärgert gewesen sein.
Der von der FDP nominierte stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner musste am Montag darauf in der Bundespressekonferenz darauf hinweisen, dass Lindner zu einem früheren Zeitpunkt den Plänen zugestimmt hatte.
In der Tat war der Neubau in einer Kabinettsrunde schon früher Thema.
Früher, ja.
Aber heute nach einem Jahr des Krieges und der Milliardenhilfen für die Ukraine, für Flüchtlinge, für Unternehmen, für Energiepreisbremsen?
In einer Zeit der staatlichen Rekordschulden.
Vielleicht war Scholz ja auch so verärgert, weil Lindner heute recht hat.
Es geht nicht um Protzerei und Selbstbedienung, aber doch um die Frage, ob Selbstbeschränkung in Krisenzeiten nicht auch für die Politik gelten sollte.
Nicht auch für den Kanzler gelten sollte.
Es geht um Stil und Feingefühl, um Sinn für die Realitäten außerhalb des Berliner Bannkreises.
Es ist längst eine Debatte geworden, die weder zur politischen Stimmung noch in das Selbstbild der Ampel passt. Und schon gar nicht in das des Kanzlers, der sich gerne als die Stimme des Volkes versteht, als Mann von Maß und Mitte, dem es um den Respekt für die einfachen Leute geht.
Die Politik predigt sonntags den ökologischen Verzicht.
Die Politik verlangt sonntags Geduld beim Umbau der behäbigen Verwaltung und der Sanierung der Schulen.
Die Politik mahnt sonntags zu maßvollen Tarifabschlüssen.
Und montags baut sich der Kanzler einen neuen Hubschrauber-Landeplatz und eine neue Kita?
An den Standorten der Bundesregierung wird gerade viel gebaut und saniert.
Der Neubau an der Regierungszentrale sollte einst 460 Millionen Euro kosten, als der frühere Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) die Pläne 2019 vorstellte. Diese Prognose stieg 2021 auf angebliche Gesamtbaukosten in Höhe von 637 Millionen Euro. Hinzu kamen 140 Millionen Euro Risikopuffer für erwartete Baukostensteigerungen. Macht: 777 Millionen Euro – 292 Millionen Euro mehr, als zunächst genehmigt wurden.
Inzwischen rechnen Beamte im Finanzministerium und Haushälter – wegen der Krise und wegen der Inflation – mit 900 Millionen Euro.
Nur: Offiziell räumt das bislang niemand aus der Regierung ein.
Aus dem Neubau ist ein Politikum geworden.
Und die Scholz'sche Strategie des Wegschweigens ist fulminant gescheitert, sie hat die ganze Angelegenheit sogar noch ein wenig größer gemacht.
Seit einigen Wochen ist bereits etwas los auf der Baustelle.
Wer sich dort umschaut, kann beobachten, wie Bagger anrollen, mehr als 60 Jahre alte Bäume weichen müssen und Lastwagen den ersten Bauschutt abtransportieren.
Ein weiteres Problem: Der Kanzler-Hubschrauber kann den alten Landeplatz wegen der Bauarbeiten nicht mehr nutzen. Deshalb muss der Heli nun die kleine Rasenfläche an der Rückseite der Regierungszentrale ansteuern – im Tiefflug.
Dafür müssen jedoch
jedes Mal die Spree und die Uferwege gesperrt werden. So prägt der
Kanzleramts-Bau bereits den Alltag in der Hauptstadt.
Bei Scholz’ Ministern, die sich jeden Mittwoch zur Kabinettssitzung ins Kanzleramt fahren lassen, stößt das hübsche Bauwerk längst nicht mehr auf ungeteilte Zustimmung, auch nicht auf der SPD-Seite.
Nur: Außer Lindner traute sich bisher keiner, die Zweifel auch offen auszusprechen.
Einige aus der Ministerrunde witzelten allerdings bereits, man könne doch einfach eine seltene, unter strengem Artenschutz stehende Käferart im Garten des Kanzleramts aussetzen und den Bau so zumindest verzögern, wenn nicht gar verhindern.
Der Zynismus als Lösung für außer Rand und Band geratene Debatten.
Lindner hat sich indes gute Gründe zurechtgelegt, warum er seine Meinung geändert hat.
Der FDP-Mann argumentiert mit den dramatisch angestiegenen Zinskosten für die öffentliche Hand auf fast 50 Milliarden Euro im kommenden Jahr, den schleppenden Verhandlungen beim Etat und dem dringenden Sparappell.
Man müsse auch die eigenen Projekte hinterfragen, heißt es im Finanzministerium.
Andere sagen: Es ist blanker Populismus auf Kosten des Koalitionspartners.
Auf die Erweiterung des eigenen Finanzministeriums, geplant von Lindners Vorgänger Olaf Scholz, hat der FDP-Ressortchef bereits verzichtet. Und dies öffentlichkeitswirksam die Bild-Zeitung wissen lassen.
Wobei man wissen muss: Unmittelbare Einsparungen für den Bundeshaushalt bedeutet das nicht. Denn Bauherr wäre beim Bundesfinanzministerium die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gewesen, die Investitionen hätten sie selbst durch Kreditaufnahme finanziert, das Ministerium hätte später Miete zahlen müssen.
Dennoch: Lindners Verzichtserklärung diente vor allem einem Zweck: Die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie das Kanzleramt seines Chefs bereits heute dimensioniert ist.
Mit mehr als 25.000 Quadratmetern
Nutzfläche ist es schon jetzt größer als das Weiße Haus in Washington
oder der Élysée-Palast in Paris.
Trotzdem hatte die Regierung Merkel entschieden, das bestehende Gebäude auf der anderen Spree-Seite um ein weiteres zu erweitern, das 2028 bezogen werden soll. Die Nutzfläche des Regierungssitzes würde verdoppelt. Dazu gehören eine eigene Kita und ein neuer Hubschrauberlandeplatz.
Der erneute Anstieg der zu erwartenden Ausgaben ist die Folie für die nun wieder entstandene Debatte über Sinn und Unsinn des Projekts.
Der Hausherr bleibt bisher stur.
Scholz’ Argumentation: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kanzleramts sind heute auf drei verschiedene Gebäude in Berlins Mitte verteilt, sie müssten an einem Ort zusammengezogen werden. Offiziell spricht die Regierung von „Campuslösung“.
Allerdings wäre da ja noch der Trend zu mehr Homeoffice und mobiler Arbeit, der den Bedarf an Büros und Sitzungssälen mindern könnte.
Tatsächlich hat das Bundesfinanzministerium im vergangenen Jahr die Order ausgegeben, den Wandel der Arbeit auch in der Regierung zu berücksichtigen.
Als wir im vergangenen November nachfragten, sagte uns ein Sprecher des Finanzministeriums:
Diese Veränderung hat Auswirkungen auf die Anwesenheit der Beschäftigten in den Büroräumen und ist daher auch bei der Planung von zukünftigen Büroräumen zu berücksichtigen.
Genutzt werden die neuen Möglichkeiten innerhalb der Regierung durchaus intensiv. In manchen Ministerien können die Beamten bis zu 70 Prozent ihrer Arbeitszeit von unterwegs oder zu Hause erbringen – und es wird, wie zu hören ist, viel Gebrauch gemacht von diesen neuen Optionen.
Auch im Kanzleramt gibt es großzügige Regelungen. Beschäftigte dort haben „generell die Möglichkeit, freiwillig mobil und damit im Homeoffice zu arbeiten, sofern dienstliche Belange dem nicht entgegenstehen und ihre Aufgaben dazu geeignet sind“.
Nur: Mehr Homeoffice innerhalb der Regierung ist jedenfalls aus Sicht der Führungsetage der Regierungszentrale kein Grund, auf den teuren Erweiterungsbau zu verzichten.
Ein Sprecher sagte unlängst, natürlich werde auch im Kanzleramt mobiles Arbeiten genutzt:
Allerdings kann das Instrument in der Praxis aufgrund der speziellen Arbeitsabläufe und besonderen Aufgabenanforderungen in der Regierungszentrale nur eingeschränkt angewendet werden.
Begründung: Vielfach sei aufgrund aktueller Entwicklungen kurzfristig Präsenz erforderlich, um die notwendigen Abstimmungen zwischen der Leitung und der Fachebene zu ermöglichen.
Übersetzt heißt das: Scholz will seine wichtigsten Leute immer in Reichweite haben.
In einem Bürgergespräch im niedersächsischen Gifhorn äußerte Scholz vor einigen Monaten aber noch einen weiteren Grund: Die Baupläne seien auch ein architektonisches Zeichen gegen den Faschismus der Nazi-Zeit. Das von den Architekten zur Jahrtausendwende geplante „Band des Bundes“ im Herzen der Hauptstadt werde vollendet.
Damit werde ein architektonisches Zeichen der deutschen Demokratie gesetzt, so Scholz. „Für immer sagen wir, dass wir den Faschismus und die Hitlerei furchtbar finden und diesen Teil unserer Geschichte überwunden haben.“
Das Kanzleramt werde „praktisch in Opposition zu dieser Hitler-Straße, wo er Hunderttausende aufmarschieren lassen wollte“, entstehen.
Der Neubau des Kanzleramts quasi als Symbol der Abgrenzung vom NS-Größenwahn?
Eine fragwürdige Argumentation.
„Olaf Scholz verirrt sich in der Geschichte”, kommentierte die Neue Zürcher Zeitung die Aussagen.
Wer in die Entstehungsgeschichte des Bauwerks einsteigen will, muss mit Helge Braun reden. Oder besser gesagt: Müsste.
Doch Merkels früherer Kanzleramtsminister möchte nicht reden. Noch nicht jedenfalls, lässt er ausrichten.
Brauns Lage ist alles andere als einfach. Er war es schließlich gewesen, der die Pläne Anfang 2019 mit einer großen Pressekonferenz vorstellte. Nun leitet der 50-jährige CDU-Politiker den Haushaltsausschuss des Bundestags.
Das Gremium, das zum jetzigen Zeitpunkt deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro für den Protzbau bereitgestellt hat.
Ein Gremium, in dem die Haushälter der Union im vergangenen Herbst zunächst für eine Überprüfung des Projekts, schließlich für ein Moratorium gekämpft hatten.
Doch die Anträge wurden abgeschmettert – mit
Ampel-Mehrheit. Bedeutet: Auch mit Hilfe der Liberalen, die inzwischen
auf Distanz zu dem Projekt gehen.
Einen kritischen Bericht des Bundesrechnungshofs, der im Spätsommer 2020 das Licht der Welt erblickt hat, hat der Haushaltsausschuss des Bundestages nur zur Kenntnis genommen. Ausführlich debattiert hat er ihn nie.
Rückblende.
Am 26. November 2020 – Deutschland steckt gerade mitten in der zweiten Corona-Welle – kommt der Haushaltsausschuss zu seiner Bereinigungssitzung zusammen. Es geht um den Etat für 2021, das Jahr der Bundestagswahl. Unter den Gästen: Helge Braun.
Wer im Protokoll nachliest, kommt nicht zu dem Schluss, dass die Abgeordneten im Ausschuss ihn besonders kritisch einvernommen hätten. Sie interessieren sich mehr für die Haushaltswirksamkeit der Entscheidungen bei der Corona-MPK vom Vorabend.
Doch auch die Frage nach dem Zeitplan für den Erweiterungsbau wird gestellt. Anja Hajduk, damals noch Grünen-Haushaltspolitikerin und inzwischen als Staatssekretärin im „Vizekanzleramt” von Robert Habeck an einer der wichtigsten Schaltstellen der Regierung, hakt nach.
Braun solle doch bitte Stellung nehmen „bezüglich eines möglichen Aufschiebens des Bauvorhabens vor dem Hintergrund der Corona-Kosten”.
Der Kanzleramtsminister verteidigt das Projekt eisern. Er wolle unterstreichen, „dass der Erweiterungsbau eine städtebauliche Abrundung des so genannten Bandes des Bundes” darstelle. „Ein funktionaler Zweckbau verbiete sich in dieser Komposition, weshalb man an dem Grundentwurf weiter festhalten werde”, wird Braun im Protokoll zitiert.
Ein neuer Kanzler mag eingezogen sein – aber der Sound, den er verbreitet, der ist immer noch der alte.
In dieser Frage ist Olaf Scholz ganz bei Angela Merkel.
Wer Kosten und Dimension in Frage stellt, wird mit immer gleichen Phrasen abgespeist.
Otto Fricke
von der FDP ist einer der erfahrensten Haushaltspolitiker im Bundestag.
Er ist auch für den Etat des Kanzleramts zuständig, den sogenannten
Einzelplan 04.
„Es war immer klar: Es wird das gebaut, was Angela Merkel und Helge Braun wollten. Daran hat Bundeskanzler Scholz in norddeutscher Bescheidenheit keine Veränderungen vorgenommen”, sagt Fricke.
Er sieht die Debatte differenziert. Die Grundidee sei natürlich richtig, die Zahl der Büroarbeitsplätze insgesamt zu verringern. Es dürfe „kein Tabu” geben bei der Frage von Neubauten. „Hier kann jedes Ministerium zeigen, wo Einsparmöglichkeiten bestehen.”
Die scharfe Kritik sei aber auch nicht berechtigt. Es sei nicht so, dass es mehr Personal für das Kanzleramt gebe, sondern man ziehe bestehende Mitarbeiter an einem Ort zusammen.
Und wenn man sich die tatsächlichen
Regierungsbauten anschaue, in Washington gehört beispielsweise das
Eisenhower Executive Office Building eigentlich zum Weißen Haus dazu,
dann falle der Vergleich mit anderen Regierungszentralen gar nicht mehr
so negativ aus.
Die Pläne des Bundeskanzleramts gehen auf den Entwurf der Architekten Axel Schultes und Charlotte Frank zurück, die das Regierungsgebäude als Teil des „Band des Bundes“ errichtet hatten.
Den ersten Spatenstich setzte 1997 der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl. „An der Schwelle zu einem neuen Jahrhundert, mit dem auch ein neues Jahrtausend beginnt, wollen wir ein Zeichen setzen – ein Zeichen für die kulturelle Dimension unserer Hauptstadt”, rief der damalige Kanzler bei der Grundsteinlegung.
Ab 2001 war das Bundeskanzleramt bezugsfertig und wurde an Helmut Kohls Nachfolger Gerhard Schröder übergeben. Der Bau wurde zum Symbol für das neue Selbstbewusstsein der Regierenden in der Berliner Republik.
Wer die Architekten heute danach fragt, was sie von der Debatte um den Erweiterungsbau halten, wird auf das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung verwiesen, das die Projektleitung hat. Dort laufen die Fäden zusammen. Genauer gesagt: In der Abteilung Bundesbau II, Referat BB II 2.
Doch ist das Ganze alles, nur kein reines Verwaltungsthema.
Es ist hochpolitisch. Und hat längst eine Tragweite erhalten, die mit Vertretern einer Bundesbehörde ohnehin nur schwer zu besprechen ist.
Von den beiden Architekten heißt es, sie hätten Druck gemacht, um den Zuschlag auch für den Erweiterungsbau zu erhalten.
Es sei in der Regierung gefürchtet worden, war zu lesen, dass sie ihr Urheberrecht am Band des Bundes und am Kanzleramt geltend machen, wenn der Auftrag anderweitig vergeben worden wäre. „Wir hätten uns mit Händen und Füßen gewehrt”, sagte Schultes 2019 dann tatsächlich.
Aktuell also kein Wort von den Architekten. Auch die Haushaltspolitiker der Ampel wollen sich – abgesehen von Fricke – nicht äußern.
In der Bundespressekonferenz wurde der Regierungssprecher von Olaf Scholz immer wieder mal nach den Plänen gefragt. Antwort: Alles bleibt, wie es ist. Es gebe eine klare Beschlusslage.
Die notwendige Debatte über das Bauen in der Berliner Republik und über das Selbstverständnis eines Landes, das sich immer auch in den Regierungsbauten spiegelt – sie fällt aus.
Dabei könnte sie eine Chance sein. Auch mit den beiden Architekten gäbe es sicherlich einiges zu besprechen: Zum Beispiel die Frage, ob es nicht auch eine Nummer kleiner ginge. Womöglich sehen sie ja Möglichkeiten für Umplanungen, die am Ende zu deutlich geringeren Kosten führen.
Mehr Zweckbau, weniger Luxus – das wäre doch mal was.
Einige Abstriche an den Plänen hatte es ja bereits gegeben. Sie betreffen allerdings nicht das große Ganze. An der wuchtigen Hubschrauberplattform oben auf dem Dach des Neubaus wird festgehalten – ebenso an den üppigen Wintergärten und der zweiten Spreebrücke, die entstehen soll.
Bleiben
soll es auch bei den Plänen für eine Kita auf dem Gelände. Deren Kosten
belaufen sich laut Rechnungshof auf 2,8 Millionen Euro – für 15
Betreuungsplätze. Außerhalb des Kanzleramts könnte eine Einrichtung
dieser Dimension für ein Drittel des Preises entstehen.
Verzichtet wird dagegen auf einen zwischenzeitlich geplanten, 160 Meter langen, voll verglasten Gang zwischen Nordbrücke und Neubau. Auch die Kanzlerwohnung im Erweiterungsbau wird vorerst nicht ausgebaut. Es ist beabsichtigt, sie lediglich zu planen.
Schlaf- und Kinderzimmer sollen als Büros genutzt werden, das Wohnzimmer wird erst einmal Besprechungsraum. Erst wenn ein Kanzler von seinem gesetzlich garantierten Anspruch auf die Amtswohnung Gebrauch macht, würde sie auch hergerichtet.
Die Debatte über den Erweiterungsbau hat in den letzten Tagen an Heftigkeit zugenommen.
FDP-Politikerin Sandra Weeser, Chefin des Bauausschusses im Bundestag, hat vorgeschlagen, für die Beamten des Kanzleramts künftig doch einfach einen gerade errichten Parlamentsneubau an der Spree zu nutzen. Ihre Argumentation: Durch die Wahlrechtsreform gebe es dort ja bald wieder mehr Platz.
Andere in der Ampel finden das befremdlich, die Räume würden auch bei einem verkleinerten Bundestag gebraucht, etwa für Mitarbeiter. Außerdem könne die Legislative nicht der Regierung Räume vermieten.
Weeser pocht auf ihre Position:
In der aktuellen Lage macht nur noch ein Stopp der geplanten Baumaßnahmen Sinn.
Offiziell ist noch von 777 Millionen Euro Kosten die Rede, sagt die FDP-Politikerin "wohlwissend dass der Großteil der staatlichen Bauprojekte bereits in der weniger angespannten Lage der Baubranche in der Vergangenheit um ein Vielfaches teurer wurde".
In einem Schreiben an Weeser, das uns vorliegt, argumentierte Kanzleramtschef Schmidt im vergangenen Herbst, das Vorhaben aufzuschieben, könne Mehrkosten von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr bedeuten.
Der SPD-Mann verweist darauf, dass der Regierungszentrale in den vergangenen Jahren zusätzliche Aufgaben zugewachsen seien, und kommt zu dem Schluss:
Die Notwendigkeit des Erweiterungsbaus besteht unverändert.
Die Union, die inzwischen ein Moratorium für richtig hält, bekommt dagegen Unterstützung vom Bund der Steuerzahler.
„Der geplante Bau mit seinen Dimensionen und Kosten ist völlig unpassend in einer Zeit, in der die Schulden des Bundes neue Rekorde knacken und die Bürger mit Sorge auf ihre Geldbeutel und ihre Zukunft schauen”, sagt Präsident Reiner Holznagel.
Für ihn ist der Neubau ein weiterer Baustein einer seit Jahren zu erlebenden Wachstumsstory der öffentlichen Hand. „Seit Jahren wächst das Personal in den Bundesministerien. Eine ehrliche Aufgabenkritik und mehr Effizienz müssen auf die Tagesordnung der Bundesregierung.“
Stichwort: Effizienz.
Nun richten sich erstmals die Blicke auf ein Grundstück, das keine fünf Gehminuten entfernt vom Kanzleramt liegt. Man muss nur über die Moltkebrücke gehen – und schon ist man da.
An der Elisabeth-Abegg-Straße Ecke Alt-Moabit soll bis 2025 ein Modulbau hochgezogen werden. Knapp 10.000 Quadratmeter Nutzfläche, die Platz für 160 Büros mit 240 Arbeitsplätzen bieten.
Gedacht ist das Ganze für den Bundespräsidenten. Denn Schloss Bellevue und der angrenzende Verwaltungsbau müssen dringend saniert werden. Frank-Walter Steinmeier und seine Mitarbeiter benötigen ein Interimsquartier. Dass nach deren Auszug Mitarbeiter des Kanzleramts einziehen könnten, ist jedenfalls ein nicht allzu fernliegender Gedanke.
Das zuständige Bundesamt schweigt sich dazu auf Nachfrage aus.
Dabei wäre dieser Bau eine im wahrsten Sinne des Wortes naheliegende Lösung. Und Kosten sparen würde sie auch.
Dafür müsste sich Olaf Scholz jedoch von seinen teuren Bauplänen verabschieden.
Nichts ist alternativlos. Schon gar nicht im politischen Berlin.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen