, Chefredakteur, 23.03.2023
Kultur reduziert sich auf eine fast arglose Weise auf eine Idealisierungsmaschinerie. Das aktuelle Meisterwerk kommt von der ARD, eine Doku-Serie zum Klimawandel mit dem Titel: „Wir können auch anderes“. Auf den ersten Blick könnte es eine Ermutigung sein, Dinge anders, grüner zu sehen. Sprachlich aber schwingt auch die Drohung mit: Wir können auch anders. Gemeint sind da die Menschen, die sich dem Gestus der sozialistischen DEFA-Schnulzette verweigern. Der Gremienkitsch für als unmündig betrachtete Bürger bildet eine Gesellschaft ohne Widerworte ab.
In der Talkshow „Hart aber fair“, die jetzt von einem sympathischen,
klugen, jungen Mann moderiert wird, wird ein Liberaler wie Johannes
Vogel abgekanzelt, wenn er versucht,
das nach Meinung vieler Volkswirte probateste Mittel gegen den
Klimawandel vorzustellen: den Emissionshandel mit festen
Emissionsdeckeln. Der kecke Moderator unterbricht ihn mit einem
Tempolimit-Schild. Das Publikum tobt. Vor Begeisterung.
Die Grünen stehen gerade bei 15 Prozent, obwohl Teile des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von PR-Agenturen der Grünen nur mehr durch das Preisschild zu unterscheiden sind: all diese Lobeshymnen und Werbesendungen im Ton der Sendung mit der Maus, wo Bürger zu Kirchengemeinden mutieren, um den Ökopredigten zu lauschen. Gleichzeitig tun die Grünen so, als stünden sie für Fortschritt.
„Es kann nicht sein, dass in einer Fortschrittskoalition nur ein Koalitionspartner für den Fortschritt verantwortlich ist und die anderen für die Verhinderung von Fortschritt“, sagte Habeck am Mittwoch bei der Fraktionsklausur in Weimar. Welchen Fortschritt meint er? In allen innovativen Technologiebereichen wirkt Deutschland abgehängt. Und da, wo wir noch Technologieführer sind, schaffen wir uns ab. Stichwort: Verbrennermotor. Seit Wochen und Monaten ist der Strom in Deutschland mehrheitlich Kohledreck. Und die letzten AKW werden nun abgeschaltet.
Das ist nicht Fortschritt. Es ist Angst. Die Art und Weise, wie
Vizekanzler Habeck gar nicht mehr über den Atomausstieg reden will, der
so diametral gegen jedes Anliegen einer vernünftigen Klimapolitik steht,
wird deutlich in einem FAZ-Interview:
„Es ist alles zu dem Thema gesagt.“ Was zu Deutsch heißt: Wir haben für
uns die Debatte wider alle Vernunft für beendet erklärt. Es passt nicht
zu unserer Anti-Atomkraft-Religion, die der Ursprungsglaube der Partei
ist.
Gleichzeitig wird den Nicht-Jüngern der Grünen jede Menge zugemutet. Nicht nur bei Verkehrs- und Energiewende, wo wahr werden soll, was eine Grünen-Beraterin so heiter erklärte, nämlich den Deutschen ihre Träume vom eigenen Heim und Auto zu nehmen. Nein, auch bei Sprache und Kultur gibt es eine Art archaische Lust, in das Leben des Einzelnen einzugreifen.
Das die Grünen tragende Milieu ist tief bürgerlich. Das nichtgrüne Bürgertum hat sich nie gewehrt und sich – wie Bürgerliche im Nachkriegsdeutschland vor allem waren – in der Regel angepasst: staunend, devot, kulturell heimatlos. Die Idee des Spießbürgers ist es, seinen Lebensstil auf alle anderen generalisierend zu übertragen.
Der Klima-Volksentscheid in Berlin an diesem Wochenende ist so eine Art Generalmobilmachung des neuen deutschen Spießers. Finanziert vor allem von Milliardären und Millionären, ist ein Comic-Biedermeier durch die ganze Stadt plakatiert worden, das keinerlei Anhaltspunkte gibt für die drastischsten Veränderungen, die da auf Berlin zukommen. Gewünscht ist ein Bürger, der ein Kreuz macht, ohne zu ahnen, was kommt. Nur so lässt sich die politische Kommunikation erklären.
Schamlose Instrumentalisierung
Die Gesellschaft steht vor großen Transformationen. Dazu reicht im Zweifel keine einfache parlamentarische Mehrheit, sondern in der Gesellschaft braucht es eher eine Zweidrittel-Akzeptanz. Das autoritäre Durchregieren und die schamlose Instrumentalisierung der Medien als Transmissionsriemen eigener Umerziehungswünsche werden so nicht funktionieren. Der Ansatz der FDP, einen Emissionshandel mit CO₂-Deckel einzuführen, kommt ohne Gängelung aus, um das Systemganze durch Wettbewerb klimaneutral zu machen.
Die Lage ist verfahren. Das ist schade und wenig hilfreich. Die Rolle aktivistischer Wissenschaftler, die bei Corona wie Klima das hohe Staatslied singen, hat auch nicht geholfen. Die Einseitigkeit des steuerfinanzierten Kulturbetriebs ist – wie der gebührenfinanzierte Medienmainstream – ein Agent der Spaltung geworden.
Vollkommen blind ist die Debatte gegenüber den disruptiven Entwicklungen der Technologie geworden. AI verändert gerade alles.
Natürlich kann posthumane Über-Intelligenz auch auf Nachhaltigkeit und
Ökologie trainiert werden. Andere Disruptionen muten weniger mythisch
an: Quanten-Computing, hyperdimensionale 3D-Drucker, Kernfusion,
E-Fuels, grüner Wasserstoff. Davon sprechen wir angesichts der
Herausforderungen zu wenig.
Für die Transformation braucht es eine Allianz der Mündigen, nicht ein Heer zu paternalisierender Naiver. Lässt sich die Gesellschaft wieder zusammenführen? Und wenn ja, wer könnte das leisten? Kirchen und Intellektuelle fallen weitgehend aus: Die sitzen bereits vorne im Lastenfahrrad. Bezeichnend ist, dass wenige Tage vor dem Volksentscheid die BVG, die Berliner Verkehrsbetriebe, die Verdopplung des U-Bahn-Netzes vorgestellt hat. Auch, um noch mehr Menschen weg vom Auto hin zum klimaschonenden öffentlichen Nahverkehr zu bringen. Es wäre ein Gamechanger. Doch Grüne und Umweltverbände protestieren, statt zu jubeln.
Das ist besonders bizarr, weil es eh schon bizarr ist, die globale Komplexität des Klimawandels auf eine hyperlokale Stadtpolitik zu reduzieren. Noch lustiger ist die Pointe beim Ausbau der Windkraft: Für die dazu geplanten monströsen Transporte der Windräder müssen die Autobahnen schnell ausgebaut und Lücken geschlossen werden.
Auf diese Diskussion kann man sich freuen. Leider haben sich die Grünen komplett in die eigene Unregierbarkeit manövriert.
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