12 März 2023

Ausstieg aus dem Verbrennermotor - Ein Sargnagel für Deutschlands Industrie (Cicero)

Ausstieg aus dem Verbrennermotor
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Ein Sargnagel für Deutschlands Industrie (Cicero)
Der Ausstieg aus dem modernen Verbrenner ist ein großer Beitrag zur De-Industrialisierung Europas und insbesondere Deutschlands. Die negativen Folgen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit werden enorm sein. Ein Land profitiert davon besonders: China.
EIN GASTBEITRAG VON KURT LAUK am 7. März 2023
Professor Kurt Lauk ist ehemaliger Daimler-Vorstand und Präsident des Wirtschaftsrates. 
Stellen wir uns für einen Moment folgendes Szenario vor: Ein Parlament entzieht mit Mehrheitsbeschluss einer Industrie, die maßgeblich für den Wohlstand des eigenen Wirtschaftsstandorts verantwortlich ist, die Betriebserlaubnis. Die Abgeordneten tun das, obwohl diese Industrie auf ihrem Feld technisch weltweit führend, ja nahezu uneinholbar ist. Sie nehmen dabei in Kauf, dass Hunderttausende Arbeitsplätze sowie Steuereinnahmen in Milliardenhöhe wegfallen und ein über mehr als 100 Jahre aufgebautes Knowhow unwiederbringlich verloren gehen wird.
Ein schlechter Witz? Mitnichten! Exakt diese Entscheidung hat das europäische Parlament mit dem Verbot des Verbrennermotors gefällt. Mit einer Mehrheit von 340 Stimmen zu 279 Nein-Stimmen (bei 21 Enthaltungen) beschlossen die Abgeordneten, dass in der EU ab 2035 kein neues Auto mit Benzin- oder Dieselmotor mehr zugelassen werden darf. Im Umkehrschluss bedeutet diese Entscheidung: Ausgerechnet der „chinesische Antrieb“ mit Lithionenbatterie soll zum Standard in der Europäischen Union werden.

Nicht umweltpolitisch, sondern wettbewerbspolitisch

Vor einigen Jahren erläuterte mir ein hochrangiger Manager der chinesischen Bejing Automotive Group (BAIC Group), dass die europäischen Autohersteller beim klassischen Antriebsstrang mit Motor, Kupplung, Getriebe und Differential einen Erfahrungsschatz von 125 Jahren hätten. Diesen Erfahrungsschatz werde China niemals aufholen können. Vor diesem Hintergrund, so mein chinesischer Kollege, habe sein Land entschieden, einen neuen Antriebsstrang zu entwickeln: und zwar den, der von Batterien betrieben wird und für dessen Herstellung ausreichend heimische Rohstoffe vorhanden sind.

Die Motivation für die Entwicklung begründete er nicht umweltpolitisch, sondern wettbewerbspolitisch. China hat dieses Ziel erfolgreich umgesetzt. Das Land hält mittlerweile einen globalen Marktanteil bei Lithionenantrieb von gigantischen 80 Prozent. Gleichzeitig schaute das Land – halb verwundert, halb belustigt – auf den großen Wettbewerber Europa. Dort entschied sich die Politik nicht etwa, den hocheffizienten und immer saubereren klassischen Antriebsstrang zu stärken, sondern zu verteufeln.

Emissionen werden allein am Auspuff gemessen

Eines ist dabei zweifellos richtig: Batterieantriebe (BEF Fahrzeuge) sind für große Städte, in denen kurze Distanzen zurückgelegt werden müssen, eine gute Lösung. Für lange Strecken eignen sie sich allerdings nicht. Und zwar aus Umweltgründen. Woher kommt dann das immer wiederkehrende Argument, E-Autos seien viel umweltfreundlicher als Verbrenner-Autos?

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Ganz einfach: Die EU hat sich dazu entschieden, die Emissionen eines Autos allein am Auspuff zu messen. Die gesamte Wertschöpfungskette bei der Produktion blendet sie aus. Unter Nachhaltigkeitsaspekten ist diese Sichtweise nichts weniger als idiotisch. Ein moderner Dieselmotor ist gegenüber einem BEF bis zu einer Laufleistung von rund 80.000 Kilometer pro Jahr klimapolitisch im Vorteil, wenn die volle Wertschöpfungskette berücksichtigt wird.

Darüber hinaus muss der Strom für Millionen von E-Autos produziert werden. Die Chinesen lösen diese Herausforderung mit dem Bau unzähliger Atomkraft- und Kohlekraftwerke. Mit anderen Worten: Sie erreichen sauberere Luft in ihren Städten zum Preis eines massiven CO2-Ausstoßes in ländlichen Regionen.

Dümmste Entscheidung in der EU-Geschichte

In Deutschland drohen wir dagegen in eine Situation zu geraten, in der wir aufgrund des Wegfalls von russischem Gas und der Verteufelung der Kernenergie noch nicht einmal unsere Volkswirtschaft mit ausreichend Strom versorgen können – ganz zu schweigen von einer steigenden Anzahl an E-Autos und dem immensen Energiebedarf in Zusammenhang mit der Digitalisierung, Stichwort Künstliche Intelligenz und Cloud-Computing.

Der ehemalige italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hat gesagt, dass die Entscheidung von der Kommission in Brüssel und dem Parlament in Straßburg die dümmste Entscheidung in der Geschichte der EU sei. Denn Europa hat damit entschieden, sich nun auch beim Fahrzeugantrieb im Wesentlichen abhängig von China zu machen. Weshalb man einer wirtschaftlich immer stärker werdenden Volkswirtschaft, die noch dazu eine Diktatur ist, diesen strategischen Wettbewerbsvorteil per Gesetz trotzdem ermöglicht hat, bleibt das Geheimnis der Initiatoren.

Das Argument, die deutsche Automobilindustrie habe sich doch mittlerweile selbst dazu entschlossen, auf den E-Antrieb zu setzen, ist dabei fadenscheinig. Diese Entscheidung wurde in vielen Vorständen gefällt, weil man erkannt hat, dass die Politik
regulatorisch so oder so in diese Richtung steuern wird. Einige große Autohersteller haben sich denn auch dazu entschieden, Batterien in Europa zu produzieren. Allerdings werden diese Batterien deutlich teurer sein als jene, die in China hergestellt werden. Die Folge: Ohne massive staatliche Subventionen werden wir hier eine Wettbewerbsfähigkeit mit China nicht einmal ansatzweise erreichen können. Diese Erkenntnis hat sich mittlerweile selbst in der Bundesregierung durchgesetzt.

Chinesische Hersteller freuen sich

Die Entscheidung für das Aus des Verbrenners hat allerdings auch eine soziale Dimension: In Zukunft wird es für die unteren 50 Prozent der Einkommenspyramide in Europa schwer werden, ein Fahrzeug zu finanzieren, mit dem man als Familie mit zwei Kindern in überschaubarer Zeit in den Urlaub oder zu einem Wochenendausflug fahren kann. Denn ein Kompaktfahrzeug mit E-Antrieb wird es bis auf weiteres unter 40.000 Euro nicht mehr geben.

Gleichzeitig wird die Reichweite der günstigeren E-Autos bei gerade einmal 200 bis 250 Kilometer liegen. Nur im teuren Luxussegment werden Autos größere Distanzen zurücklegen können. Vor diesem Hintergrund verlassen eine ganze Reihe von europäischen Herstellern das Segment der kleinen Fahrzeuge. Es ist absehbar, dass chinesische Hersteller massiv in diese Lücke im europäischen Markt vorstoßen werden.

Entweder kaufen junge Familien in Zukunft also chinesische Autos statt Volkswagen, Renault oder einen Mercedes Kombi. Oder sie weichen für Urlaubsfahrten auf öffentliche Züge und Busse aus – mit denen sie allerdings nur die Ballungszentren erreichen können. Oder sie entdecken das Wandern in der näheren Umgebung neu. Was bleibt ist die Erkenntnis: Der Ausstieg aus dem modernen Verbrenner ist ein großer Beitrag zur De-Industrialisierung Europas und insbesondere Deutschlands. Zukünftige Generationen werden auf diese Entscheidung von EU-Kommission und EU-Parlament mit vorwurfsvollem Blick zurückschauen und kein Erfolg für das weltweite Klima.

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