Eine kurze Rückblende. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte Erschrecken darüber, was Propaganda im Dienst der vermeintlich richtigen Sache anrichten kann – sie war ein wesentlicher Grund für die neuerliche Verwüstung der Welt.
Die demonstrative Nüchternheit, welche sich viele Journalisten der unmittelbaren Nachkriegszeit zum Markenzeichen machten, grenzte sich ganz bewusst vom weltanschaulich durchideologisierten und dann gleichgeschalteten Journalismus der zwanziger und dreissiger Jahre ab. Eine freie Presse sollte den Mächtigen auf die Finger schauen und immer Distanz halten.
Distanz in alle Richtungen: Das ist vorbei
Berühmt wurde der Satz von Hanns Joachim Friedrichs, wonach man einen guten Journalisten daran erkenne, dass er sich mit keiner Sache gemeinmache, auch nicht mit einer guten. Friedrichs’ Zitat und die damit einhergehende Berufsauffassung gehen wohl auf seinen britischen Mentor zurück, die Journalistenlegende Sir Charles Wheeler. Dieser hatte den Krieg und die Auswirkungen der Propaganda erlebt.
Dann kam die Bundesrepublik mit dem Verfassungssatz «Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus». Der Bürger als Souverän also und der Journalist als derjenige, der versucht, diesen Souverän nach bestem Wissen und Gewissen in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Der Pressekodex, eine Art Ehrenkodex für Medienvertreter von 1973, ist eine Selbstverpflichtung, die bis heute gilt. Darin heisst es: «Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.» Verlage geniessen Tendenzschutz und können politisch Position beziehen; für die politische Neutralität hat man ja den gebührenfinanzierten öffentlichrechtlichen Rundfunk – theoretisch.
In der Praxis funktioniert das nicht mehr. Inzwischen dominiert eine andere Journalistengeneration mit einem gänzlich anderen Berufsverständnis. Man denke an Anne Will, die im Jahr 2007 den nach Hanns Joachim Friedrichs benannten Preis entgegennahm und sich direkt in ihrer Dankesrede von Friedrichs’ berühmtem Satz distanzierte. Sieben Mal verwendete sie das Wort «Haltung», sowohl in Bezug auf sich selbst als auch auf den Journalismus als solchen. Dessen Haltung müsse zwar immer noch «unabhängig und kritisch» sein, er setze sich jedoch für eine «gute Sache» ein und mache sich dadurch zum «Mittel» bürgerschaftlichen Engagements.
Letztlich ein missionarischer Auftrag
Das ist gravierend. Der Journalist, der ja weiss, dass es keine Objektivität gibt, der sich aber bestmöglich der Objektivität anzunähern versucht, ist bei dieser Betrachtungsweise plötzlich nicht mehr im Bewusstsein seiner eigenen Fehlbarkeit gehalten, den ebenso fehlbaren Souverän zu informieren, sondern der vom Journalisten erkannte Wert eines Anliegens verpflichtet ihn geradezu, den Leser, Hörer, Zuschauer vom Wert dieses Anliegens zu überzeugen.
Das ist letztlich ein missionarischer Auftrag. Zum Handlanger der Regierung ist es dann nicht mehr weit, sofern nur das «richtige» Anliegen promoviert wird, sei es, sich impfen zu lassen, sei es, «Queerness» zu fördern oder «Antirassist» zu sein. Natürlich wirkt sich diese Korrumpierung der vierten Gewalt auch auf die Demokratie aus.
Wenn nun also eine ehemalige «Tagesschau»-Sprecherin wie Linda Zervakis, die zugleich als Nachfolgerin von Anne Will gehandelt wird, nicht einmal mehr ein Problem darin sieht, sich etwa vom Bundeskanzleramt für die Moderation von Veranstaltungen bezahlen zu lassen, so ist dies erst recht ein Problem. Auf den Vorwurf, sie lasse journalistische Distanz vermissen, entgegnete sie: «Ich habe mich zu keiner Zeit von irgendeiner Seite vereinnahmen lassen und werde diesen Weg auch fortsetzen.»
Unterwürfiger geht es kaum noch
Zervakis hatte auf der Konferenz Republica im vergangenen Juni ein Wohlfühlinterview mit Bundeskanzler Olaf Scholz geführt; sie war dafür eigens vom Kanzleramt ausgesucht worden und nicht etwa von den Veranstaltern der Republica. Aufgedeckt hatte dies die «TAZ». Erst hiess es, für diesen Job habe es kein Honorar, sondern bloss eine Kostenerstattung gegeben. Dann kam heraus, dass Zervakis insgesamt um die 12 000 Euro bekommen haben soll. Zervakis selbst zeigte sich «stolz», dass sie den Kanzler zum Lachen gebracht habe, und postete auf Instagram: «Ich durfte Olaf Scholz interviewen», versehen mit dem Hashtag #greathonour. Unterwürfiger geht es kaum noch.
Bundesbehörden zahlten seit 2018 insgesamt Honorare von mehr als 1,4 Millionen Euro an Journalisten, für «Moderationen, Texte, Lektorate, Fortbildungen, Vorträge und andere Veranstaltungen», davon 875 000 Euro an Journalisten von ARD, ZDF und Deutschlandradio sowie knapp 600 000 Euro an deren Kollegen aus privaten Medien, wie «Bild» berichtete. Ans Licht gebracht hat dies eine Anfrage der AfD im Bundestag.
Die ohnehin schon übergrosse Staatsnähe des öffentlichrechtlichen Rundfunks, der hinsichtlich seiner Einnahmen von den Parlamenten abhängt, erreicht so eine weitere Dimension. Zervakis ist derzeit zwar bei einem Privatsender beschäftigt, aber es sind auch zahlreiche andere Journalisten von ARD, ZDF und Deutschlandradio gebucht und bezahlt worden.
Wenn Journalisten jedoch keine Hemmungen haben, Geld entgegenzunehmen, das die Ministerien für derartige «politische Landschaftspflege» verteilen, dann schaufeln sie dem Journalismus das Grab.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen