Viele dieser Kanzleien findet man in den besten Lagen der Städte, in der Hauptstadt beispielsweise sehr gerne im Bereich um den feinen Kurfürstendamm. Die Anwälte selbst trifft man auf Vernissagen, Charity-Events oder bei der Berlinale-Eröffnung, sie schlendern sicher über das gesellschaftliche Parkett, parlieren mit Politik und Wirtschaft und sind vor allem: hervorragend ausgebildet. Sie zählen ohne Zweifel zu den besten ihres Fachs. Kurz – sie kennen alle Tricks und haben keine Skrupel, sie anzuwenden.
Mein Lieblingsbeispiel ist nach wie vor ein presserechtlicher Prozess, der gegen die Berliner „B.Z.“ angestrengt wurde, deren Chefredakteur ich war. Es ging darum, dass wir einen Zuhälter eben als Zuhälter bezeichnet hatten.
Das Verfahren ging für uns verloren. Die Anwältin des Clanmitglieds konnte das Gericht davon überzeugen, dass ihr Klient keineswegs als „Zuhälter“ bezeichnet werden dürfe, sondern lediglich als jemand, der Berliner Bürgersteige an Prostituierte vermiete. Dass das Gericht dieser Einlassung folgte, bleibt hier unkommentiert. Der Juristin allerdings muss man fast gratulieren. Auf eine derart bescheuerte und doch offensichtlich rechtssichere Auslegung muss man erst mal kommen.
Sätze im fünfstelligen Bereich
Und das kostet natürlich. Sätze pro Verhandlungstag im mittleren fünfstelligen Bereich sind für diese Anwälte eher die Regel als die Ausnahme. Wer kann sich sowas leisten? Gute Frage. Hier wird es interessant.
Die meisten der Angeklagten aus dem Clan-Milieu, viele schon wegen Lamborghini-Fahrens ohne Führerschein vorbestraft, werden zu ganz bescheidenen Hungerleidern, wenn es um ihre Einkünfte geht. Fast alle geben an, von Hartz IV (beziehungsweise neuerdings: Bürgergeld) zu leben. Das liegt bei gut 500 Euro im Monat, ein Bruchteil also von dem, was die Anwälte am Tag berechnen. Wie kann das funktionieren? Natürlich gar nicht.
Die Clan-Kriminellen, die sich von den Top-Anwälten vertreten lassen,
sind Berufskriminelle, sie erwirtschaften Hunderttausende, oft
Millionen Euro mit den oben geschilderten Verbrechen. Das Staatsgeld ist
für sie noch nicht mal als Mitnahmeeffekt interessant, es dient allein
dazu, im Zweifelsfall überhaupt irgendeine Einkunft angeben zu können.
Alle wissen das: die Polizei, die Staatsanwälte, die Politiker – und selbstverständlich auch die Anwälte der Berufsverbrecher. Sie sind teilweise so tief in die Machenschaften ihrer Kunden verstrickt (auch über die Bereitstellung von abhörsicheren Räumen in den Kanzleien und anderen logistischen Dienstleistungen), dass man sie eher als Teil der Organisationen ansehen kann denn als „Organe der Rechtspflege“.
Wenn, wie im Fall des Diebstahls der Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden, Deals mit den Staatsbehörden zustande kommen wie zu Anfang des Jahres, als ein Teil der Beute gegen Aussicht auf Straferlass großzügig zurückgegeben wurde, kann man davon ausgehen, dass nicht nur die juristische Umsetzung, sondern auch die Idee dahinter eher nicht im Neuköllner Plattenbau, sondern in einer Kanzlei ausgeheckt wurde.
Für die Täter ist das ein perfekter Deal, der sich an einfachen kaufmännischen Regeln orientiert. Unverkäufliche und beschädigte Beutestücke werden übergeben, alles, was zu versilbern ist, wird behalten. Solche Ideen kosten eben. Aber im Gesamtgeschäft fallen die hohen Tagessätze der Anwälte kaum ins Gewicht.
Ethisch bizarre Situationen
Und genau dort liegt das Problem. Weil Anwälte so eine wichtige Rolle in der Rechtspflege spielen, unterliegen sie in einem wichtigen Punkt, vom Bundesverfassungsgericht (in den meisten Fällen absolut zu Recht) geschützt, fast keiner Überprüfung – dem der Geldwäsche. Erst wenn ein Strafverteidiger nachweisbar davon Kenntnis hat, dass sein Honorar aus Verbrechen stammt, könnte er wegen Geldwäsche (da er ja durch die Annahme der Bezahlung Schwarzgeld zu sauberem Geld macht) belangt werden.
Kurz gesagt: Fragt er nicht nach, woher sein Honorar kommt, kann ihm nichts geschehen. Und die offiziell so gut wie mittellosen Kunden können ihren Verteidigern für ihre geschickte Arbeit Traumhonorare zahlen.
Vor Gericht führt das zuweilen zu absurden und ethisch bizarren Situationen.
Überliefert ist die Geschichte vom Anwalt, der vor dem Prozess erst einmal auf Barzahlung seines Honorars bestand, das von den Kumpanen seines Klienten sofort beschafft wurde. Und zwar frisch von der Straße, denn es ging auch hier um einen Zwangsprostitutionsprozess. Ausgehändigt wurde ihm just das Geld, das die Frauen der Zuhälterbande in der vergangenen Nacht von ihren Freiern bekommen hatten. Die Opfer zahlten so also praktisch Cash die Verteidigung ihrer Peiniger.
Alle wussten Bescheid. Doch niemand konnte etwas tun.
Angebracht wäre eine Neuordnung der Honorarregelung für
Strafverteidiger. Der Berliner Beamte Jörg Lehnert, in der
Senatsverwaltung für Wirtschaft zuständig für Geldwäsche, hat dazu in der Zeitschrift „Kriminalistik“
im Dezember einen so interessanten wie simplen Ansatz gefunden. Lehnert
schlägt vor, Strafverteidiger bei frei ausgehandelten Honoraren in das
Geldwäschegesetz einzubeziehen.
In der Praxis sähe das so aus: Wenn ein Mandant auf den Juristen zukommt und um Verteidigung bittet, hat der Anwalt zwei Möglichkeiten. Entweder er lässt sich – wie das auch beispielsweise bei Juwelieren der Fall ist – schriftlich belegen, woher das Geld, mit dem er bezahlt werden soll, stammt, und kann so ausschließen, dass es sich um Schwarzgeld handelt. Dann kann er mit dem Mandanten ein freies Honorar in beliebiger Höhe aushandeln.
Oder aber der Klient weigert sich oder kann solche Belege aus nachvollziehbaren Gründen nicht beibringen. Dann ist lediglich eine Verteidigung auf Honorarbasis der geltenden Regelsätze (wie sie auch für Pflichtverteidiger gelten) möglich. Die berechnen sich nach einem komplizierten Schlüssel aus Streitwert und anderen Faktoren und liegen bei einem Bruchteil der Summen, die Top-Anwälte aufrufen.
Unerwartete Geldgeschenke vom Onkel
Im Endeffekt würden die Clans keine Staranwälte mehr finden, die mit ihren großen Mitarbeiterstäben und kreativen Ideen für sie tätig werden – denn natürlich arbeiten diese Leute nicht für ein paar hundert Euro pro Tag. Das Recht der Angeklagten auf eine Verteidigung würde davon nicht berührt, Pflichtverteidiger würden für sie natürlich nach wie vor arbeiten können – eben auf Grundlage ihres nachweisbaren Einkommens, dem Bürgergeld. Kriminelle Familien würden zusätzlich in Rechtsfragen auch keinen durch Verbrechenserlöse erwirtschafteten Vorteil gegenüber Gering- oder Minderverdienern mehr haben.
Ganz trockenlegen ließe sich der Sumpf so nicht. Immer noch, so räumt Experte Lehnert ein, könnte durch überraschende und unerwartete Geldgeschenke von plötzlich auftauchenden Onkeln aus dem Libanon das neue System umgangen werden. Aber die Hürden wären ein ganzes Stück höher gelegt. Sowohl für die Kriminellen als auch für den – kleinen – Teil der Anwaltschaft, der sich zwar gern stolz als „Organ der Rechtspflege“ darstellt, aber in Wirklichkeit Kumpanentum mit Schwerverbrechern betreibt.
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