Ein Rat soll es richten
Die Zahlen sprechen eigentlich für sich: Selbst die im Auftrag des ZDF von der Forschungsgruppe Wahlen erstellten Daten beschreiben einen Rückgang des Vertrauens vom Januar 2021 bis zum Januar 2023 von 70 auf 63 Prozent. Parallel wuchs der Anteil derer, die kein grosses oder überhaupt kein Vertrauen haben, dass ARD und ZDF «wahrheitsgemäss berichten», von 27 auf 35 Prozent. Eine Umfrage der Demoskopen von Insa aus dem vergangenen Herbst ermittelte nur rund 40 Prozent, die der Arbeit von ARD und ZDF vertrauen.
Der «Zukunftsrat», den die Rundfunkkommission der Länder ins Leben gerufen hat, wird nach Lage der Dinge keine Antworten liefern auf die wesentlichen Probleme des reformunwilligen Systems. Die «Empfehlungen für die Zukunft des öffentlichrechtlichen Rundfunks und seine Akzeptanz», die der Rat erarbeiten soll, dürften sich auf administrative Massnahmen beschränken.
Eine gemeinsame Onlineplattform soll es geben, mehr Mantelprogramme, ein «einheitliches Controlling-System zur Steigerung der Ressourceneffizienz», weniger Doppelstrukturen bei den elf Anstalten. Den grössten Geburtsfehler und das erste Ärgernis werden die von den Bundesländern eingesetzten Experten gewiss nicht ansprechen, weil sie selbst betroffen wären: die Staatsnähe der Sender.
Von Beginn an war die proklamierte Staatsferne eine Chimäre. In den Aufsichtsgremien sind die etablierten Parteien überproportional vertreten – obwohl das Bundesverfassungsgericht 2014 zumindest dem ZDF auftrug, den Anteil von Politikern und «staatsnahen Personen» dort von 44 auf 33 Prozent zu reduzieren. Dennoch bleibt es eine Absurdität, dass dem ZDF-Verwaltungsrat die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin von der SPD vorsteht. Die Vorsitzenden der Verwaltungsräte von WDR und HR haben ebenfalls ein SPD-Parteibuch, während beim MDR eine ehemalige stellvertretende thüringische Ministerpräsidentin, Mitglied der CDU, die herausgehobene Position innehat.
Angesichts dieser strukturellen Nähe der Anstalten zur Politik sollte die Bereitschaft, die Regierung zu loben oder deren propagandistisches Geschäft zu betreiben, sehr sorgfältig dosiert werden. Leider ist das Gegenteil der Fall. In der Corona-Pandemie überboten sich die öffentlichrechtlichen Anstalten darin, Kritiker der Impfung moralisch abzuwerten. Da wurde nicht das Florett, sondern der rhetorische Dreschflegel benutzt.
Ähnliches lässt sich durchaus auch über das Schweizer Fernsehen SRF berichten. Hier wurde der zuständige Gesundheitsminister Alain Berset schon ganz am Anfang der Pandemie als «der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort» beschrieben. Und wissenschaftliche Auswertungen zeigen einen sehr minimalen Anteil kritischer Beiträge zu staatlichen Pandemiemassnahmen.
Es braucht keine 21 Fernsehkanäle
Zurück nach Deutschland: Neben Staatsferne fehlt es klar an professioneller Aufsicht – das zweite Ärgernis. Das Debakel beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), den eine Clique um die geschasste Intendantin Patricia Schlesinger als Selbstbedienungsladen begriff, hätte eine funktionierende Aufsicht verhindert. Die derzeitige Intendantin, Katrin Vernau, verkündete ein rabiates Sparprogramm, während ihre Vorgängerin die eigenen Ansprüche auf eine lebenslange Rente von monatlich rund 18 000 Euro gerichtlich durchsetzen will.
Als Problembär unter Deutschlands öffentlichrechtlichen Anstalten hat der RBB ebenso wie Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk, beides winzige Unternehmen, eigentlich keine Existenzberechtigung. Ein Land mit rund 80 Millionen Einwohnern braucht nicht 21 pflichtbeitragsfinanzierte Fernsehkanäle und mehr als 70 Radiosender, die allesamt zu viel vom Gleichen liefern.
Das nämlich ist das dritte Ärgernis: In den Sendern und Wellen läuft zu viel identischer Dudelfunk, laufen zu viele baugleiche Herzschmerz-Schmonzetten, zu viele Krimis nach Schema F, in denen der Mörder ein Rechter, ein Unternehmer oder beides ist. Und im Digitalen dominiert ein weltanschaulich homogenes Besserwissertum.
Bei Instagram belehren einen ARD-Angebote darüber, warum in jedem Weissen ein Rassist steckt, weshalb gute Menschen Klimaschutz zur Lebensaufgabe machen oder wieso man unter der Dusche statt auf der Toilette sein Wasser lassen sollte – natürlich um des Ressourcenverbrauchs willen.
Das vierte Ärgernis durchzieht die fiktionalen ebenso wie die berichtenden, informierenden, kommentierenden Angebote und erst recht die pseudolustige Wühl- und Agitationsarbeit des ZDF-Komikers Jan Böhmermann: Die Anstalten leisten nicht, wozu sie gesetzlich verpflichtet sind. Sie bilden nicht die Gesellschaft in ihrer ganzen Breite und Meinungsvielfalt ab. Böhmermann wie die just in einem vergleichbaren ARD-Format platzierte Anja Reschke sind treue Paladine des linken Milieus.
Es versteht sich oft von selbst, dass, wie fast jeder «Tatort» darlegt, die linke Sicht auf die Welt die richtige ist. Stammen die Kommentare in den «Tagesthemen» vom WDR, sind die Auftritte linker Haltungsjournalisten vom Schlage eines Georg Restle die Pflicht, der keine ausgleichende Kür von der anderen Seite des politischen Spektrums folgt – sieht man von gelegentlichen Exoten wie dem Satiriker Dieter Nuhr ab. Es gibt eben nur Nuhr.
Auch in den Talkshows dominiert, trotz einigen Lockerungsübungen hie und da, die von Norbert Bolz beschriebene Versuchsanordnung: «Da sitzen meist fünf Leute, vier vertreten praktisch dieselbe Meinung, einer hat eine Gegenmeinung, und der wird dann runtergemacht.» Die Grünen sind als Gäste stark überrepräsentiert, die AfD ist stark unterrepräsentiert.
Hier wird gern gegendert
Der weltanschauliche Überschuss zeigt sich auch in der Penetranz, mit der die Sprache gegendert wird, obwohl die Mehrheit der Beitragszahler solche Operationen ablehnt. Beim WDR hat ein oder eine «Vorsitzende:r des Rundfunkrats» seinen oder ihren Auftritt, die «Tagesschau» berichtet in ihrem Telegram-Kanal vom «toten Gastarbeitenden» und von «Reichsbürger:innen», das ZDF klärt über die Arbeit von «Wissenschaftler*innen» auf. Durchgängig gegendert wird nicht, aber an vielen und prominenten Stellen und ohne ein erkennbares Regelwerk.
Trotz dieser und weiteren Schieflagen sind die Sender zu keiner wirklich durchgreifenden Reform bereit. Es fehlt an einem echten Problembewusstsein. Das ist das fünfte und mithin grösste Ärgernis. In Interviews gibt sich der WDR-Intendant Tom Buhrow nachdenklich, fordert eine «Art verfassunggebende Versammlung für unseren neuen, gemeinnützigen Rundfunk» und erklärt das Jahr 2023 zum «Jahr der Reform des öffentlichrechtlichen Rundfunks». Dass der WDR die ideologische Schlagseite überwunden hätte, ist jedoch nicht einmal in Ansätzen erkennbar.
Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke wiederum ist leutselig und selbstbewusst. Dass er als «Top-Manager in einem grossen Medienunternehmen» – gemeint ist der Südwestrundfunk – jährlich über 360 000 Euro verdient, hält er für angemessen, Kritik blafft das SPD-Mitglied weg. Es war übrigens ein SWR-Journalist, der in den «Tagesthemen» Menschen mit Ratten verglich. Für den Chef des Zweiten Deutschen Fernsehens, Norbert Himmler, ist derweil auf dem Mainzer Lerchenberg, wo Europas grösste Fernsehanstalt thront, alles in Butter. Welch kolossaler Trugschluss!
Wer Probleme lösen will, der muss sie erkennen. Daran hapert es. Während in der Schweiz mit der Volksinitiative «200 Franken sind genug» ein gewisser Spar- und Gesinnungsdruck auf den öffentlichrechtlichen Sender aufrechterhalten wird, passiert in Deutschland gar nichts. Dabei wäre es bitter nötig, erstens die drei kleinen ARD-Anstalten aufzulösen, zweitens ein Magazin zu lancieren, das statt aus linker aus bürgerlich-liberaler Perspektive auf die Welt schaut, drittens Diskussionsrunden politisch gleich gewichtet zu besetzen, viertens die Intendantengehälter zu kappen und fünftens den Beitrag zu senken. Die grösste Herausforderung für Deutschlandradio, ZDF und ARD aber besteht darin, den Pfad der ideologischen Voreingenommenheit zu verlassen und den Pflichtzahler als das wahrzunehmen, was er trotz allem öffentlichrechtlichen Belehrungstheater ist: ein mündiger Bürger.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen