05 März 2025

Friedrich Merz - Der Verrat (WELT+)

SPD schon für ihren "Nachwahlsieg" gratuliert?
Friedrich Merz

Der Verrat
Von Ulf Poschardt, Herausgeber WELT, „Politico“, „Business Insider“, 05.02.2025, 3 Min
Die Union wurde für einen Politikwechsel gewählt. Stattdessen kommt es nun zu einer verantwortungslosen Schulden-Kernfusion zweier etatistischer Parteien. Friedrich Merz ist auf ganzer Linie eingeknickt: Willkommen in der Lira-Welt!
Es dürfte wohl die schnellste Rehabilitierung eines in Wahlen gescheiterten Politikers der Nachkriegsgeschichte sein: Zwei Wochen nach der Wahl hat die von Friedrich Merz geführte Union die schwäbische Hausfrau vor den Koalitionsbus geworfen – und man kann langsam erahnen, welch titanische Leistung von Finanzminister Christian Lindner und seiner FDP es war, gegen zwei linke Parteien auf ökonomische Nachhaltigkeit zu bestehen.

Die Union hat sich am Dienstagabend von ihrer trostlosesten Seite gezeigt: dem konfliktscheuen, reformaversen, dickgesäßigen Pseudo-Konservatismus, der nichts bewahrt, sondern die Bevölkerung vor den Härten der Realität schützen will – und damit vor dem dringenden Veränderungsbedarf, der nötig wäre, um diese Gesellschaft in Frieden und Wohlstand zu halten.

Die Begründung mit der vermeintlichen neuen Zeitenwende nach dem zur Kriegserklärung hochgefönten Trump-Eklat im Oval Office ist offensichtlich eine Ausrede. Die zweite Ausrede lautet, dass man urplötzlich ein paar Haushaltslöcher entdeckt habe. Die Union wurde für einen Politikwechsel gewählt – und tut jetzt das, was Weichei-Konservative so gerne tun: Sie macht sich ins Hemd vor notwendigen Konflikten mit dem etatistischen Status quo, den steuerfinanzierten Eliten, dem leistungs- und wachstumsfeindlichen Schuldenmachertum und Steuererhöhungsfetisch der Deutschen. Friedrich Merz ist hier auf ganzer Linie eingeknickt, und zwar wenige Stunden, nachdem die Verhandlungen begonnen haben.
Zu Recht weisen Ökonomen wie Veronika Grimm und Daniel Stelter darauf hin, dass der Staat über Jahre und Jahrzehnte im Geld geschwommen ist und jedwede Reformanstrengung aus postheroischer Feigheit unterlassen hat. Angela Merkel hat die Friedensdividende für sozialen Unsinn und sozialpopulistischen Luxus verbraten und sich weder um Infrastruktur noch um Wehrhaftigkeit gekümmert. Dafür hat sie mit ihrer Russlandpolitik und dem Nord-Stream-Debakel das Ukraine-Elend vorbereitet. Es ist grotesk, dass ausgerechnet die Deutschen jetzt die Amerikaner und den frühen Nord-Stream-Kritiker Donald Trump in dieser Hinsicht belehren wollen.

Die Sozialdemokraten sind seit den letzten Minireformen von Gerhard Schröder, die verdienstvoll und wirksam waren, phobisch geworden, weil sie für ihren staatsmännischen Mut einen bitteren Preis bezahlt haben. Den Genossen kann man zumindest nicht den Vorwurf machen, dass sie es nicht versucht hätten. Allerdings rührt der Abwärtstrend der Partei seitdem auch aus einer Aneinanderreihung katastrophaler sozialpolitischer Fehlentscheidungen.

Willkommen in der Lira-Welt

Jetzt kommt es in der KleiKo, der nur noch sehr kleinen Koalition aus CDU/CSU und SPD, zu einer Schulden-Kernfusion zweier im Kern etatistischer, sozialdemokratischer Parteien. Das wird den Abwärtstrend der deutschen Wirtschaft verstärken, und damit verliert Deutschland – wie der Ökonom Lars Feld betont – „seine Funktion als sicherer Hafen für Anleihegläubiger“. Wir leben künftig in einer Lira-Welt. Viel Spaß damit, liebe schwäbische Hausfrauen (die fränkischen sehen das übrigens ähnlich).

Die letzte Rettung wäre für die Union, diesen schändlichen Tod der Schuldenbremse mit brachialen und schmerzhaften Einschnitten im vollkommen überdimensionierten Sozialetat zu kontern: Eine radikale Strukturreform bei den konsumtiven Sozialausgaben des Staates müsste die Grundlage für den Deal mit den Sozialdemokraten sein.

Aber selbst die anständigen und klartextfähigen Zukunftsdenker der Union, etwa JU-Chef Johannes Winkel, wissen, dass dieser harte Schlag für die Generationengerechtigkeit eine ganz andere Botschaft sendet: „Lieber bequeme Schulden als unbequeme Reformen“. Leider wahr.

Als CDU-Wähler fühle ich mich verraten.

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