07 März 2025

Donald Trump - Die neue Universalausrede der deutschen Politik (WELT+)

Donald Trump -
Die neue Universalausrede der deutschen Politik (Welt+)
Andreas Rosenfelder, Chefkommentator und Ressortleiter Meinungsfreiheit, 06.03.25, 4 Min
Wieder ruft die deutsche Politik eine Zeit der Alternativlosigkeit aus: Friedrich Merz begründet seine Neuverschuldungspläne mit Donald Trump – und Lars Klingbeil kündigt an, wegen Trump müsse die Migrationswende ausfallen. Dieses Argument hat eine ungute Tradition.
Immer dann, wenn Olaf Scholz und Robert Habeck im Wahlkampf auf ihr gescheitertes Regieren angesprochen wurden und nicht mehr weiter wussten, zogen sie einen letzten Trumpf. Er lautete sinngemäß so: Aber Putin! Dysfunktionale Energiepolitik? Putins Schuld! Ungebremste Inflation? Liegt alles an Putin! Wirtschaftlicher Niedergang? Sorry, Putin hat die Ukraine überfallen, nicht wir!
Dieses Argument war praktisch, weil sich die Bundesregierung damit selbst aus der Verantwortung für ihr Handeln entließ – und sogar offensichtliche Fehlentscheidungen, einer deutschen Tradition folgend, als alternativloses Exekutieren des Weltgeistes ausgab. Der Weltgeist aber hörte in dieser Logik auf den Namen Putin – womit man den russischen Autokraten nebenbei zu jenem heimlichen Weltherrscher erklärte, der er gerne wäre.
Die neue Bundesregierung ist noch nicht im Amt. Aber ihre möglichen Protagonisten benutzen – diesmal sogar schon prophylaktisch – ein ähnliches Argumentationsmuster. Nur lautet es diesmal anders: Wegen Trump!
Friedrich Merz besitzt als Bundeskanzler in spe zwar genug Fingerspitzengefühl, seine Pläne für ein 900-Milliarden-Schuldenpaket nicht namentlich dem amerikanischen Präsidenten in die Schuhe zu schieben. Doch seine vagen Verweise auf „die politischen Ereignisse auf der Welt und in Europa“ und die „jüngsten Entscheidungen der amerikanischen Regierung“ sollen natürlich signalisieren, dass Donald Trump die historische Neuverschuldung erzwingt.

Regieren mit Schockeffekten
Nun gilt dieses Argument allenfalls für die militärische Hälfte
des Multimilliardendeals zwischen CDU/CSU und SPD. Doch auch hier muss die Frage erlaubt sein, ob die Notwendigkeit einer Kernsanierung und Verstärkung der Bundeswehr nicht spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs aktenkundig ist – und ob nicht schon unter Trumps Amtsvorgänger Biden absehbar war, dass Europa und damit auch Deutschland nach einem Ende der Kriegshandlungen als Schutzmacht in die Bresche springen muss und die Amerikaner kein Rundum-Sorglos-Paket bereitstellen. Donald Trump, der auf theatralische Art mit Schockeffekten regiert, hat ein grelles Schlaglicht auf Probleme geworfen, die zumindest in Teilen schon offen zu Tage lagen.

Nun lernt die SPD, die mit dem Infrastruktur-Vermögen ohne echte Gegenleistung eine beispiellose Lizenz zum Geldausgeben bekommen hat, schnell – und dreht dasselbe Argument, nicht eben ein Zeichen von Fairness und Dankbarkeit, gegen den Verhandlungspartner um. So spielte Sandra Maischberger dem Parteichef Lars Klingbeil das von Friedrich Merz gegebene Versprechen vor, er werde das Bundesinnenministerium am ersten Tag seiner Kanzlerschaft anweisen, „die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“ – worauf Klingbeil antwortete, mit der SPD werde es „keine faktischen Grenzschließungen“ geben, und zwar, Überraschung, wegen Trump: „In einer Zeit, wo die Antwort auf Donald Trump doch ein starkes Europa sein muss, kann es doch nicht sein, dass das größte, stärkste Land in Europa vorangeht und die Grenzen zumacht, das werden wir als SPD nicht mitmachen.“
Nun kann man semantische Seminare darüber abhalten, ob Grenzkontrollen mit Zurückweisungen „faktische Grenzschließungen“ sind oder nicht. Aber Klingbeils Hinweis, Deutschland dürfe die europäischen Nachbarn nicht verprellen, indem es eine Praxis abstellt, die einen Großteil der illegalen Migration nach Deutschland durchwinkt, ist klar: Die von Merz versprochene Rückkehr zum Grundgesetz, das eine Einreise von Asylbewerbern aus sicheren Nachbarstaaten nicht vorsieht, schließt Klingbeil aus.

Nun kann niemand leugnen, dass Trumps Präsidentschaft ein sehr prägender Faktor für die deutsche Politik der kommenden Legislaturperiode sein wird. Ebenso unbestreitbar bleibt, dass sich aus Putins Überfall auf die Ukraine massivste Handlungsnotwendigkeiten für die letzte Regierung ergeben haben – auch wenn die inzwischen oft gezogene Parallele zwischen einer demokratischen Wahl und einem Angriffskrieg unangebracht ist. Falsch und undemokratisch aber ist eine Haltung, die so tut, als fiele jeder Entscheidungsspielraum weg, sobald ein historischer Ausnahmezustand greift. Das genaue Gegenteil ist wahr, wie unser von Notstand zu Notstand taumelndes Jahrhundert beweist. Ob es um die Finanz-Krise geht oder um die Euro-Krise, um die Migrations-Krise oder um die Corona-Krise: Alle Behauptungen, ein bestimmter Kurs sei in der jeweiligen Lage alternativlos, erwiesen sich im Nachhinein als falsch und oft sogar als fatal.

Politiker haben diese Rhetorik des „Whatever it takes“ (so Merz diese Woche) zuletzt in immer engerer Taktung benutzt. Sie hat sich abgenutzt. Die Bürger werden mit Recht zweifeln, wenn man ihnen jetzt erzählen will, es gebe wegen Trump keine Alternative zu einer astronomischen Neuverschuldung – und die Rückkehr zu einer gesteuerten Migrationspolitik müsse deshalb leider auch ausfallen. Die Frage, wie Deutschland mit seinen eigenen Krisen umgeht, die längst existenziell sind, entscheiden weder Wladimir Putin noch Donald Trump. Dafür wird die künftige Bundesregierung die Verantwortung tragen müssen.

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