Friedrich Merz besitzt als Bundeskanzler in spe zwar genug Fingerspitzengefühl, seine Pläne für ein 900-Milliarden-Schuldenpaket nicht namentlich dem amerikanischen Präsidenten in die Schuhe zu schieben. Doch seine vagen Verweise auf „die politischen Ereignisse auf der Welt und in Europa“ und die „jüngsten Entscheidungen der amerikanischen Regierung“ sollen natürlich signalisieren, dass Donald Trump die historische Neuverschuldung erzwingt.
Regieren mit Schockeffekten
des Multimilliardendeals zwischen CDU/CSU und SPD. Doch auch hier muss die Frage erlaubt sein, ob die Notwendigkeit einer Kernsanierung und Verstärkung der Bundeswehr nicht spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs aktenkundig ist – und ob nicht schon unter Trumps Amtsvorgänger Biden absehbar war, dass Europa und damit auch Deutschland nach einem Ende der Kriegshandlungen als Schutzmacht in die Bresche springen muss und die Amerikaner kein Rundum-Sorglos-Paket bereitstellen. Donald Trump, der auf theatralische Art mit Schockeffekten regiert, hat ein grelles Schlaglicht auf Probleme geworfen, die zumindest in Teilen schon offen zu Tage lagen.
Nun
lernt die SPD, die mit dem Infrastruktur-Vermögen ohne echte
Gegenleistung eine beispiellose Lizenz zum Geldausgeben bekommen hat,
schnell – und dreht dasselbe Argument, nicht eben ein Zeichen von
Fairness und Dankbarkeit, gegen den Verhandlungspartner um. So spielte
Sandra Maischberger dem Parteichef Lars Klingbeil das von Friedrich Merz
gegebene Versprechen vor, er werde das Bundesinnenministerium am ersten
Tag seiner Kanzlerschaft anweisen, „die deutschen Staatsgrenzen zu
allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle
Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen“ – worauf Klingbeil antwortete,
mit der SPD werde es „keine faktischen Grenzschließungen“ geben, und
zwar, Überraschung, wegen Trump: „In einer Zeit, wo die Antwort auf
Donald Trump doch ein starkes Europa sein muss, kann es doch nicht sein,
dass das größte, stärkste Land in Europa vorangeht und die Grenzen
zumacht, das werden wir als SPD nicht mitmachen.“
Nun kann man semantische Seminare darüber abhalten, ob Grenzkontrollen
mit Zurückweisungen „faktische Grenzschließungen“ sind oder nicht. Aber
Klingbeils Hinweis, Deutschland dürfe die europäischen Nachbarn nicht
verprellen, indem es eine Praxis abstellt, die einen Großteil der
illegalen Migration nach Deutschland durchwinkt, ist klar: Die von Merz
versprochene Rückkehr zum Grundgesetz, das eine Einreise von
Asylbewerbern aus sicheren Nachbarstaaten nicht vorsieht, schließt
Klingbeil aus.
Nun kann niemand leugnen, dass Trumps Präsidentschaft ein sehr prägender Faktor für die deutsche Politik der kommenden Legislaturperiode sein wird. Ebenso unbestreitbar bleibt, dass sich aus Putins Überfall auf die Ukraine massivste Handlungsnotwendigkeiten für die letzte Regierung ergeben haben – auch wenn die inzwischen oft gezogene Parallele zwischen einer demokratischen Wahl und einem Angriffskrieg unangebracht ist. Falsch und undemokratisch aber ist eine Haltung, die so tut, als fiele jeder Entscheidungsspielraum weg, sobald ein historischer Ausnahmezustand greift. Das genaue Gegenteil ist wahr, wie unser von Notstand zu Notstand taumelndes Jahrhundert beweist. Ob es um die Finanz-Krise geht oder um die Euro-Krise, um die Migrations-Krise oder um die Corona-Krise: Alle Behauptungen, ein bestimmter Kurs sei in der jeweiligen Lage alternativlos, erwiesen sich im Nachhinein als falsch und oft sogar als fatal.
Politiker haben diese Rhetorik des
„Whatever it takes“ (so Merz diese Woche) zuletzt in immer engerer
Taktung benutzt. Sie hat sich abgenutzt. Die Bürger werden mit Recht
zweifeln, wenn man ihnen jetzt erzählen will, es gebe wegen Trump keine
Alternative zu einer astronomischen Neuverschuldung – und die Rückkehr
zu einer gesteuerten Migrationspolitik müsse deshalb leider auch
ausfallen. Die Frage, wie Deutschland mit seinen eigenen Krisen umgeht,
die längst existenziell sind, entscheiden weder Wladimir Putin noch
Donald Trump. Dafür wird die künftige Bundesregierung die Verantwortung
tragen müssen.
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