05 März 2025

Die CDU/CSU hat finanzpolitisch kapituliert - Der Wahlverlierer SPD setzt seine Schuldenpolitik eins zu eins durch (Cicero)

Die CDU/CSU hat finanzpolitisch kapituliert
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Der Wahlverlierer SPD setzt seine Schuldenpolitik eins zu eins durch
Die Schuldenbremse wird gelockert, der Staat will sich mit hunderten Milliarden Euro zusätzlich verschulden. Diese Vereinbarung trägt eindeutig die Handschrift der SPD. Der Wahlsieger CDU/CSU ist der Verlierer.
VON HUGO MÜLLER-VOGG am 5. März 2025 6 min
Wo immer etwas schief läuft, wo immer es irgendwo klemmt, haben Sozialdemokraten drei Wundermittel parat: höhere Schulden, höhere Steuern oder eine Kombination von beidem. Man könnte also meinen, am 23. Februar hätte die SPD einen grandiosen Wahlsieg errungen und könnte deshalb dem potentiellen Koalitionspartner CDU/CSU die Marschroute diktieren. Genau so handeln Klingbeil, Esken & Genossen. Noch haben die Koalitionsgespräche nicht einmal begonnen, da hat die SPD der Union bereits ihr Herzensanliegen abgetrotzt: eine gigantische Verschuldung. Die Schuldenbremse gilt nicht für den größten Teil der Verteidigungsausgaben. Dazu kommen 500 Milliarden für die Infrastruktur, euphemistisch verbrämt als „Sondervermögen“. 
Nun wird – von den Putin-Freunden ganz rechts und ganz links abgesehen – niemand bestreiten, dass wir sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, um die Bundeswehr in einen kriegstüchtigen Zustand zu versetzen. Zudem brauchen wir enorme Summen, um unsere desolate Infrastruktur instandzusetzen und den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen. Das alles ist nicht neu. Dass wir nicht verteidigungsfähig sind, ist uns spätestes beim russischen Überfall auf die Ukraine klar geworden. Dass unsere Brücken marode sind und unser Bahnnetz veraltet ist, wissen wir auch schon seit langem. Dasselbe gilt für die Tatsache, dass wir bei der Digitalisierung nicht einmal das Niveau vieler Schwellenländer erreicht haben.
Gleichwohl haben Friedrich Merz und die CDU/CSU es bis zum 23. Februar strikt ablehnt, zur Finanzierung dieser drängenden Aufgaben die Schuldenbremse so zu lockern, dass dem Schuldenmachen keine Grenzen mehr gesetzt sind. Ein „Sondervermögen“ für die Sanierung der Infrastruktur lehnte die Union ebenfalls ab. Ihr Kurs war klar: Erst denken wir darüber nach, wie wir eine Billion Euro, also die 1000 Milliarden an jährlichen Steuereinnahmen, effektiver einsetzen können, ehe wir weitere Kredite aufnehmen – unter welchem wohlklingenden Titel auch immer. Und außerdem versuchen wir, so das Unions-Credo, die Wirtschaft schnell in Gang zu bringen, damit wir vieles mit höheren Steuereinnahmen finanzieren können. Mit diesen Argumenten hat die CDU/CSU-Opposition stets gegen eine noch höhere Verschuldung argumentiert – und das aus gutem Grund.
Die Union zu erpressen, darin haben die Sozialdemokraten Erfahrung
Das alles ist plötzlich Schnee von gestern. Auch ein Karnevalsschlager trifft es: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei …“ Dabei hat sich seit dem Wahltag weltpolitisch nichts getan, was einen solchen Kurswechsel der Union rechtfertigen würde. Dass Trump die Ukraine fallen lassen würde, war spätestens seit seinem Wahlsieg Anfang November bekannt. Die Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor ein paar Tagen im Weißen Haus hat den Kurswechsel Washingtons nur bestätigt, nicht eingeleitet. Die Vernachlässigung der Infrastruktur kam ebenfalls nicht über Nacht. Sie gehört zum Erbe der großkoalitionären Ära Merkel, in der unter tätiger Mithilfe der Sozialdemokraten Sozialausgaben Vorrang vor Investitionen hatten und die Friedensdividende verfrühstückt wurde.

Friedrich Merz war als Kanzlerkandidat kein Stimmenfänger, hat aber entscheidend dazu beigetragen, dass die Wähler der CDU/CSU die deutlich höhere Wirtschaftskompetenz zuschreiben als der SPD oder den Grünen. Doch um Kanzler zu werden, ist Merz auf die Stimmen der Sozialdemokraten angewiesen. Schwarz-Rot ist die einzig mögliche Option unter den demokratischen Parteien. Folglich sitzen die Genossen am längeren Hebel. Und den haben sie offenbar eingesetzt: Die CDU/CSU hat finanzpolitisch bereits kapituliert. Anders ausgedrückt: In dieser Koalition wackelt der Schwanz mit dem Hund.

Die Union zu erpressen, darin haben die Sozialdemokraten Erfahrung. Sie haben bereits 2013 und 2018 der Merkel-CDU vieles abgetrotzt, was der Unionspolitik widersprach: gesetzlicher Mindestlohn, Rente mit 63, ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, Mietpreisbremse, Frauenquote oder Grundsicherung. Jetzt knicken Merz und Söder bei der Finanzpolitik ein. Indem die Union jetzt die Notwendigkeit einer schuldenfinanzierten Investitionsoffensive akzeptiert, gibt sie indirekt zu, dass die Politik der „Schwarzen Null“ ein Fehler war. Viele öffentliche Investitionen sind unterblieben, weil ein schuldenfreier Haushalt höchste Priorität hatte. Das gilt jetzt nicht mehr beziehungsweise darf nicht mehr gelten, weil die SPD ihre Wahlschlappe – mal wieder – in einen inhaltlichen Sieg umzumünzen weiß.

Mit der Verschuldungs-Bazooka entfällt der Zwang, alle Positionen im Bundeshaushalt auf den Prüfstand zu stellen

Wer am 23. Februar CDU oder CSU gewählt hat, um der Schuldenmacherei ein Ende und eine Wirtschaftswende in Gang zu setzen, muss sich getäuscht fühlen. Merz hat sich obendrein bei seinem Wahlkampf gegen die FDP („4 Prozent sind 4 Prozent zu viel“) verzockt. Ein Prozentpunkt mehr für die Freien Demokraten, und das Duo Klingbeil/Esken könnte Merz/Söder nicht so vor sich hertreiben. Natürlich werden Merz und Söder versuchen, bei der Suche nach einer Basis für Schwarz-Rot eigene Vorhaben durchzusetzen. Eine höhere Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung der Vermögenssteuer dürften vom Tisch sein. Mit der Verschuldungs-Bazooka entfällt jedoch der Zwang, alle Positionen im Bundeshaushalt auf den Prüfstand zu stellen.

Wenn die Verteidigungsausgaben künftig zum größten Teil über Kredite finanziert werden und die Aufwendungen für Infrastruktur-Investitionen nicht im Etat auftauchen, ist dort plötzlich ganz viel Platz für neue Wohltaten zugunsten unterschiedlicher Wählergruppen. Da kann man munter Geld ausgeben und dabei sogar die verbleibenden Regeln der Schuldenbremse bequem einhalten. Den Sozialdemokraten wird da schon einiges einfallen und der CSU – Stichwort Mütterrente – ebenso.

Friedrich Merz gebührt das Verdienst, die CDU/CSU nach dem 24-Prozent-Debakel von 2021 wieder zur stärksten Kraft gemacht zu haben. Seine Abkehr von Merkels Flüchtlingspolitik ist eindeutig, hat bei vielen Wählern aber nicht verfangen, weil die „Wir schaffen das“-Politik die Ursache für viele Missstände ist. In einem Punkt unterscheidet sich Merz aber offensichtlich nicht von Merkel. Auch er agiert nach dem Prinzip, „Regieren first, Inhalte second“. Die erste Runde im Koalitionspoker geht jedenfalls an die SPD. Noch nie hat eine Partei mit erbärmlichen 16 Prozent einen so fulminanten Politikwechsel durchgesetzt wie diese geschrumpfte SPD.

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