Der Wahlverlierer SPD setzt seine Schuldenpolitik eins zu eins durch
Friedrich Merz war als Kanzlerkandidat kein Stimmenfänger,
hat aber entscheidend dazu beigetragen, dass die Wähler der CDU/CSU die
deutlich höhere Wirtschaftskompetenz zuschreiben als der SPD oder den
Grünen. Doch um Kanzler zu werden, ist Merz auf die Stimmen der
Sozialdemokraten angewiesen. Schwarz-Rot ist die einzig mögliche Option
unter den demokratischen Parteien. Folglich sitzen die Genossen am
längeren Hebel. Und den haben sie offenbar eingesetzt: Die CDU/CSU hat
finanzpolitisch bereits kapituliert. Anders ausgedrückt: In dieser
Koalition wackelt der Schwanz mit dem Hund.
Die Union zu erpressen, darin haben die Sozialdemokraten Erfahrung. Sie haben bereits 2013 und 2018 der Merkel-CDU vieles abgetrotzt, was der Unionspolitik widersprach: gesetzlicher Mindestlohn, Rente mit 63, ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent, Mietpreisbremse, Frauenquote oder Grundsicherung. Jetzt knicken Merz und Söder bei der Finanzpolitik ein. Indem die Union jetzt die Notwendigkeit einer schuldenfinanzierten Investitionsoffensive akzeptiert, gibt sie indirekt zu, dass die Politik der „Schwarzen Null“ ein Fehler war. Viele öffentliche Investitionen sind unterblieben, weil ein schuldenfreier Haushalt höchste Priorität hatte. Das gilt jetzt nicht mehr beziehungsweise darf nicht mehr gelten, weil die SPD ihre Wahlschlappe – mal wieder – in einen inhaltlichen Sieg umzumünzen weiß.
Mit der Verschuldungs-Bazooka entfällt der Zwang, alle Positionen im Bundeshaushalt auf den Prüfstand zu stellen
Wer
am 23. Februar CDU oder CSU gewählt hat, um der Schuldenmacherei ein
Ende und eine Wirtschaftswende in Gang zu setzen, muss sich getäuscht
fühlen. Merz hat sich obendrein bei seinem Wahlkampf gegen die FDP („4
Prozent sind 4 Prozent zu viel“) verzockt. Ein Prozentpunkt mehr für die
Freien Demokraten, und das Duo Klingbeil/Esken könnte Merz/Söder nicht
so vor sich hertreiben. Natürlich werden Merz und Söder versuchen, bei
der Suche nach einer Basis für Schwarz-Rot eigene Vorhaben
durchzusetzen. Eine höhere Erbschaftsteuer oder die Wiedereinführung der
Vermögenssteuer dürften vom Tisch sein. Mit der Verschuldungs-Bazooka
entfällt jedoch der Zwang, alle Positionen im Bundeshaushalt auf den
Prüfstand zu stellen.
Wenn die Verteidigungsausgaben künftig zum größten Teil über Kredite finanziert werden und die Aufwendungen für Infrastruktur-Investitionen nicht im Etat auftauchen, ist dort plötzlich ganz viel Platz für neue Wohltaten zugunsten unterschiedlicher Wählergruppen. Da kann man munter Geld ausgeben und dabei sogar die verbleibenden Regeln der Schuldenbremse bequem einhalten. Den Sozialdemokraten wird da schon einiges einfallen und der CSU – Stichwort Mütterrente – ebenso.
Friedrich Merz gebührt das Verdienst, die CDU/CSU nach dem 24-Prozent-Debakel von 2021 wieder zur stärksten Kraft gemacht zu haben. Seine Abkehr von Merkels Flüchtlingspolitik ist eindeutig, hat bei vielen Wählern aber nicht verfangen, weil die „Wir schaffen das“-Politik die Ursache für viele Missstände ist. In einem Punkt unterscheidet sich Merz aber offensichtlich nicht von Merkel. Auch er agiert nach dem Prinzip, „Regieren first, Inhalte second“. Die erste Runde im Koalitionspoker geht jedenfalls an die SPD. Noch nie hat eine Partei mit erbärmlichen 16 Prozent einen so fulminanten Politikwechsel durchgesetzt wie diese geschrumpfte SPD.
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