11 März 2025

Der andere Blick - Eine Republik legt sich lahm: Deutschland zwischen Warnstreiks und Wünsch-dir-was-Politik (NZZ)

Eine Republik legt sich lahm:
Deutschland zwischen Warnstreiks und Wünsch-dir-was-Politik (NZZ)
An diesem Montag ging an den grossen deutschen Flughäfen nichts mehr. Das ist der passende Start in eine Woche, in der linke Minderheiten der Mehrheit wieder einmal ihren Willen aufzwingen wollen.
von Marc Felix Serrao, 10.03.2025, 3 Min
Ein Streik am Flughafen kommt eigentlich nie zur rechten Zeit. Selbst dem sonst stets charmant in die Kamera lächelnden «Tagesschau»-Sprecher Constantin Schreiber platzte deshalb am Sonntag der Kragen. Für ihn sei es ärgerlich, wenn die Ferien wegen des unangekündigten Arbeitskampfes am Hamburger Flughafen ausfielen. Aber was sei mit der Frau, die mit ihrem schwerkranken Kind zu einer Behandlung fliegen müsse? «Einfach nur mies», schimpfte Schreiber im Kurznachrichtendienst X. Man könnte aber auch sagen: einfach nur passend.
Denn der ganztägige Warnstreik der Gewerkschaft Verdi, der in der Nacht auf diesen Montag regulär an mehreren deutschen Flughäfen beginnt, ist der adäquate Auftakt für eine Woche, in der linke Interessenvertretungen auf Kosten der Allgemeinheit etwas für ihre Leute herausschlagen wollen.
Weichgespülte Grenzkontrollen
Die Sozialdemokraten haben in der Sondierung zur Bildung einer Regierung mit CDU und CSU neben einem deutlich höheren Mindestlohn und weichgespülten Grenzkontrollen («in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn») unter anderem auch ein gigantisches Schuldenpaket durchgesetzt.

Das 500 Milliarden Euro schwere «Sondervermögen» soll offiziell in die Infrastruktur fliessen. Doch das Abschlusspapier ist vage. Die Milliarden sollen «insbesondere» für Dinge wie Zivil- und Bevölkerungsschutz oder Verkehrsinfrastruktur ausgegeben werden, heisst es. Und sonst? Die Summe ist gigantisch, und Subventionsritter sind erfinderisch. Es steht zu befürchten, dass sich die bereits schwer gerupften deutschen Steuerzahler am Ende wundern werden, was alles zur Infrastruktur zählt.

Dafür dürften auch die Grünen noch sorgen. Denn ohne sie wird Merz den Plan für das schwarz-rote «Sondervermögen» und die aufgeweichte Schuldenbremse nicht durchsetzen können – zumindest nicht in der kurzen Zeit, die der scheidende Bundestag noch etwas zu sagen hat.

«Wir werden natürlich auch Massnahmen für den Klimaschutz aufnehmen», kündigte Merz am Sonntag in einem Interview mit dem Deutschlandfunk an. Es lohnt sich, dieses Gespräch zu hören oder zu lesen. Merz tönt da ganz anders als im Wahlkampf, als er verkündete, es gebe keine linke Mehrheit und keine linke Politik mehr in Deutschland. Er erinnert an Angela Merkel.

Abgewählt, aber mächtig

Der alte Bundestag will an diesem Donnerstag in erster Lesung über die aufgeweichte Schuldenbremse und das «Sondervermögen» für Infrastruktur beraten. Abgestimmt werden soll dann am 18. März. CDU und CSU werden sich bis dahin verbiegen und strecken, um den Grünen entgegenzukommen. So mächtig war eine linke Partei, die eigentlich bald nicht mehr regiert, wohl noch nie.

Gewiss, in dieser Woche kann viel passieren. Vielleicht stimmen die Grünen trotz allen Zugeständnissen doch nicht zu. Vielleicht verweigern sich auch Teile der alten Unions- oder der SPD-Fraktion. Wahrscheinlich werden die linken Interessengruppen im Parlament aber ihren Segen geben. So viel war noch nie für die eigenen Milieus aus den Steuerzahlern von heute und morgen rauszuholen.

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