30 März 2025

Deutsche Der andere Blick - Die CDU sollte mit Linkspartei und AfD unbefangen umgehen (NZZ)

Hätte die Union nach ihrem mageren Wahlsieg mit der AfD wenigstens sondiert, würde ihr die SPD jetzt nicht so schamlos die Forderungen in den Block diktieren können.
Der andere Blick
Die CDU sollte mit Linkspartei und AfD unbefangen umgehen (NZZ)
Deutschlands politische Parteien sollten miteinander gesprächsfähig sein. Das Land braucht nach links wie rechts mehr republikanische Gelassenheit.
Von Oliver Maksan, 28.03.2025
Die Zeit der Unvereinbarkeitsbeschlüsse im deutschen Parlamentarismus ist vorbei. Die CDU, die 2018 feierlich erklärte, weder mit der AfD noch mit der Linkspartei je zusammenarbeiten zu wollen, ahnt das. Sie will es aber noch nicht zugeben.
Eher früher denn später wird sie sich aber ins Unausweichliche fügen müssen. Die selbsternannte demokratische Mitte – CDU/CSU, SPD, Grüne und beim nächsten Mal vielleicht wieder die FDP – sitzt nämlich auf einer Scholle, die aller Wahrscheinlichkeit nach weiterschmelzen wird wie die polaren Eiskappen. Aktuelle Umfragen weisen in diese Richtung.
Weil CDU, CSU und SPD über die jüngste Schuldenorgie hinaus bis Jahresende eine grundsätzliche Reform der Schuldenbremse vereinbart haben, werden sie schon in dieser Legislaturperiode mit der Linkspartei sprechen müssen. Auf ihre Stimmen kommt es im neuen Bundestag für die nötige Grundgesetzänderung an.
Die AfD will an der Schuldenbremse nämlich festhalten. Und mit ihr will die heimliche Koalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen bekanntlich keinesfalls kooperieren.
Der CDU-Linke Daniel Günther hat recht
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Wortführer des linken Flügels in der CDU, hat jetzt deshalb den ersten Stein ins Wasser geworfen und seine Partei dazu aufgerufen, das Gespräch mit der Partei Die Linke zu suchen.

Er hat grundsätzlich recht damit, wenn auch aus den falschen Gründen. Denn man mag sich nicht vorstellen, was von der Schuldenbremse übrigbleiben wird, wenn die Linkspartei mit ihr fertig ist. Und dass das deutsche Grundgesetz mit den Stimmen einer Partei geändert wird, die rechtsidentisch ist mit der SED, wird nicht nur ostdeutschen CDU-Abgeordneten Bauchschmerzen bereiten.

Aber die Partei gibt es nun einmal, und der Wähler hat sie in eine strategisch entscheidende Position gebracht. Damit gilt es umzugehen.

Falsch wäre es indes, die Linkspartei den schwächelnden Guten einzugemeinden, die AfD aber weiter hinter der «Brandmauer» als das undemokratische Böse zu isolieren. Das zu ändern, wäre schon im Eigeninteresse der CDU. Hätte die Union nach ihrem mageren Wahlsieg mit der AfD wenigstens sondiert, würde ihr die SPD jetzt nicht so schamlos die Forderungen in den Block diktieren können.

Es ist aber nicht nur aus taktischen, sondern auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus falsch, eine Partei, die knapp ein Viertel der Abgeordneten im neuen Bundestag stellt, vollständig auszuschliessen. Das ist einer liberalen Demokratie unwürdig und höhlt sie von innen aus. Die neue christlichdemokratische Bundestagspräsidentin Julia Klöckner handelt deshalb richtig, wenn sie den empört aufstampfenden Grünen zum Trotz das Gespräch mit der AfD suchen will.

Höflichkeitsbesuche genügen aber nicht. Die CDU sollte ihre Unvereinbarkeitsbeschlüsse nicht nur gegenüber der Linkspartei, sondern auch gegenüber der AfD kassieren.

CDU und AfD werden irgendwann kooperieren

Künftig sollte gelten: In den deutschen Parlamenten vertretene Parteien müssen prinzipiell zum Dialog miteinander fähig sein. Es ist natürlich weiter legitim, dass sie einander politisch bekämpfen. Es gibt keinen Automatismus für eine Koalition. Ob es dann zu einer wie auch immer gearteten Kooperation kommt, ist eine Frage politischer Aushandlungs- und Abwägungsprozesse. Die Voraussetzung dafür ist freilich Gesprächsbereitschaft.

Und sollte die CDU eines Tages – und er wird kommen, will sie nicht auf ewig an linke Parteien gekettet bleiben – mit der AfD kooperieren, muss sie deren in Teilen problematisches Personal oder Programm nicht einfach hinnehmen. Sie könnte und müsste eine Zusammenarbeit davon abhängig machen, ob die AfD bereit ist, sich von bestimmten Personen oder Positionen zu trennen. Wer einen Unvereinbarkeitsbeschluss aufhebt, stellt noch lange keine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus.

So oder so: Deutschlands Demokratie täte mit Blick nach links wie rechts mehr republikanische Gelassenheit gut. Die mutmassliche künftige Kanzlerpartei CDU könnte da mit gutem Beispiel vorangehen. Früher oder später dürfte das ohnehin notwendig werden.

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