25 März 2025

The Pioneer - GroKo: Der 10-Punkte-Plan zum Frust

Business Class Edition

GroKo: Der 10-Punkte-Plan zum Frust
Guten Morgen,
die neue Regierung, deren Protagonisten sich soeben im Paartanz ausprobieren, hat sich jetzt schon große Verdienste um die Meinungsfreiheit erworben. Sie hilft dem braven Bürger, seine angeborene Isolationsfurcht zu überwinden.
Den Begriff der Isolationsfurcht verdanken wir Prof. Elisabeth Noelle-Neumann, der Begründerin des Meinungsforschungsinstituts Allensbach. Er beschreibt die angeborene Neigung des Menschen, sich möglichst im kommunikativen Windschatten seiner Freunde und Kollegen zu bewegen. Die Isolationsfurcht werde durch die „Isolationsandrohung“, die durch Kopfschütteln und Stirnrunzeln vermittelt wird, verstärkt. Beides zusammen zwinge das Bürgerlein in die „Schweigespirale“.
Viele kennen das von sich selbst: Man hält die Klappe, um nicht anzuecken. Man beißt sich auf die Lippe, um der gesellschaftlichen Ächtung zu entgehen. Noelle-Neumanns taktvolle Umschreibung unseres alltäglichen Opportunismus:

       "Ihre Meinungen formulieren die Menschen möglichst unter Kenntnis der Meinung anderer".

Doch die Politiker und Politikerinnen von SPD, CSU und CDU tun alles, um uns diese Isolationsfurcht zu nehmen und die Schweigespirale zu durchbrechen. Früher musste man 100 Tage warten, um ein Urteil über die Regierung zu fällen. Die am heutigen Koalitionspoker Beteiligten ermuntern uns zur Meinungsäußerung noch bevor sie überhaupt zueinander gefunden haben.
Es gibt viele Wege, die Bürger kommunikativ zu enthemmen. Die 275-köpfige Truppe, die derzeit den Koalitionsvertrag aushandelt, kennt sie alle. Aus ihrem emsigen Tun lässt sich mühelos ein Zehn-Punkte-Plan zur Herstellung von Wählerfrust ableiten. Wer dem Volk die Volksherrschaft verleiden will, sollte ihn beachten.
1. Man verkleinere den Bundestag und lasse damit viele von denen, die vom Bürger direkt gewählt wurden, vom Schlitten fallen. Auf dass Wahlverlierer wie die Grüne Katrin Göring-Eckardt mit ihren 3,1 Prozent Erststimmen sodann über die Landesliste in den Bundestag einziehen können. Die Unzufriedenheit der Bürger ist der Vater aller Lähmungen.

2. Wichtig ist es, das Prinzip der Volksferne konsequent auch im Bundeskabinett umzusetzen. Wahlverlierer wie Saskia Esken und Lars Klingbeil – die die Stimmenanteile ihrer SPD um 9,3 Prozentpunkte dezimiert haben – sollten unbedingt erneut an die Tränken der Macht geführt werden. Streng nach Kurt Tucholsky:

Wahlen ändern nichts. Sonst wären sie verboten.

3. Gemeinsam mit der abgewählten Regierung befördere man die ehemalige Außenministerin auf einen hochdotierten Versorgungsposten nach New York. Die „Aktion Abendrot für ein Auslaufmodell“, lästert Christoph Heusgen, bis Ende Februar 2025 Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz. Dabei handelt es sich doch hier nur um das reguläre Bonusprogramm für Berufspolitiker.
4. Man baue das Bundeskanzleramt, dessen Verdopplung schon unter Merkel beschlossen war, konsequent weiter aus. Das ist schon aus psychologischen Gründen geboten: Ein Kanzler Merz muss schließlich die geringe demokratische Legitimation (48,8 Prozent haben Kohl, 41,5 Prozent Merkel, aber nur 28,6 Prozent Merz gewählt) mit der maximalen Quadratmeterzahl des Regierungssitzes kompensieren.

5. Da die Staatsfinanzen ohnehin bald ruiniert sind, bewilligt man sich schnell noch einen Kredit in Höhe von einer Billion Euro. Um den Illusionscharakter dieser wundersamen Geldvermehrung zu unterstreichen, verzichte man auf einen Tilgungsplan. Der Ritt auf der Rasierklinge ist nichts für Angsthasen.

6. Damit keine schlechte Stimmung aufkommt, genehmige man dem öffentlichen Dienst und seinen 2,5 Millionen Beschäftigten schnell noch eine 5,5-prozentige Gehaltserhöhung, plus einige zusätzliche bezahlte Urlaubstage. Das Wort Nachhaltigkeit möge wenigstens in der Plünderung der Staatskasse seine Erfüllung finden.

7. Man lasse die Kettensäge in den USA und die Bürokratie in Deutschland weiter wuchern. Die fast 400.000 zusätzlichen Stellen im öffentlichen Dienst, die seit dem Jahr 2000 geschaffen wurden, dürfen auf keinen Fall in Gefahr gebracht werden. Der Staatsapparat hasst das Wort Bürokratieabbau wie Dracula die Knoblauchzehe.

8. Man ignoriere die Dringlichkeitsliste der Bürger, die sich bei der illegalen Migration eine Schubumkehr gewünscht hatten. Stattdessen lasse man den Zustrom weiter strömen, bis der Kipppunkt erreicht wird, bis die Wohnquartiere überfüllt sind und freiwillig keiner mehr kommen mag. Unser Herz ist groß, unser Hirn ist klein, hatte schon Ex-Bundespräsident Joachim Gauck gesagt. Zumindest so ähnlich.

9. Man sorge dafür, dass die finanziellen Anreize für diejenigen, die nach Deutschland kommen, unbedingt erhalten bleiben. Die sogenannte Brot-Bett-Seife-Regelung – nach der abgelehnte Asylbewerber nur noch Unterkunft und Verpflegung erhalten – darf auf keinen Fall zur Umsetzung kommen. Stattdessen sorge man in Umkehrung des Wählerwillens dafür, dass die Abschiebung der über 200.000 Ausreisepflichtigen nicht vollstreckt werde. Völker, hört die Signale.

10. Das Bürgergeld als bedingungsloses Grundeinkommen muss gerade jetzt erhalten bleiben. Es geht schließlich darum, so Peter Sloterdijk, „ein wachsendes Heer an Leistungsfernen, die tendenziell nie wieder in der Leistungszone auftauchen werden, in die Abhängigkeit des Transfersystems zu locken“. Das hat schon bisher gut funktioniert. Oder wie die Amerikaner sagen: „Never change a winning system.“

Fazit: Falls die Schaffung einer Republik ohne Republikaner das Ziel des gegenwärtigen Koalitionspokers sein sollte, sind die Beteiligten gut vorangekommen. Oder weniger zynisch gesagt: Wer jetzt noch in der Isolationsfurcht lebt, ist selber schuld. Hannah Arendt ermuntert uns, die Schweigespirale zu durchbrechen:

Niemand hat das Recht zu gehorchen.

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