18 Januar 2023

Business Class Edition:  Warum die USA den Ukraine-Krieg gewinnen

Da passt es doch gut für die USA, dass Unbekannte auch noch die Nordstream-Piplines zerstört haben....
Business Class Edition: 
Warum die USA den Ukraine-Krieg gewinnen
Guten Morgen,
alles Versagen ist immer auch Organisationsversagen. Wenn also der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius nun seinen Dienst antritt, sollte er eine Fehlentscheidung seines CDU Vor-Vor-Vor-Vorgängers Thomas de Maizière zügig korrigieren: Die Abschaffung des Planungsstabes.
Dieser Planungsstab war der interne Think Tank des Ministeriums. Das zum Schluss rund 30-köpfige Team unterstand direkt dem Minister und war das geostrategische Gehirn der deutschen Verteidigungspolitik. Die Abschaffung dieser Abteilung 2012 – aus bis heute unerfindlichen Gründen – kam einer Gehirnamputation gleich.
Unverzüglich sollte dieser neu einzurichtende Planungsstab sich mit den Machtverschiebungen innerhalb der Nato-Staaten befassen, die der Ukraine-Krieg und die westliche Reaktion darauf ausgelöst haben. Es ist hochgradig politisch unkorrekt, aber dafür umso lohnender, sich insbesondere mit den USA zu befassen. Denn im Schatten des Krieges hat hier eine Verschiebung von Macht und Wohlstand stattgefunden, die für Deutschland mehr als schmerzhaft ist:
Profiteur No. 1: Die US-Rüstungsindustrie
Seit Beginn des Krieges haben die USA der Ukraine über 50 Milliarden Dollar an militärischer, finanzieller und humanitärer Unterstützung zukommen lassen. Deutlich mehr als sämtliche andere Länder.
 
Aber: Es gilt quer durch die Jahrhunderte der Satz des ehemaligen Präsidenten Calvin Coolidge:

                                                                "After all, the chief business of the American people is business".

Im Mai 2022 verabschiedete der Senat ein Gesetz, das die amerikanische Regierung ermächtigt, militärisches Equipment schnell und unbürokratisch an die Ukraine auszuleihen – den „Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act of 2022“. Die rund 23 Milliarden US-Dollar an militärischer Unterstützung sind also nicht verschenkt.
Darin ist festgelegt, dass „jegliche Darlehen oder Verpachtungen von Verteidigungsgütern an die Regierung der Ukraine [...] [der] Rückgabe, Erstattung und Rückzahlung [unterliegen]“.
Das „Bewaffnen auf Kredit“, denn darum handelt es sich, wurde im Zweiten Weltkrieg erfunden, als Winston Churchill sich außer Stande sah, die Verteidigung Großbritanniens alleine zu bewerkstelligen. An das damalige Verfahren, Waffen gegen Schuldscheine zu verkaufen, hat sich die Regierung jetzt erinnert.

Zufall oder nicht: Die USA sind auch materiell daran interessiert, dass die Regierung in Kiew flüssig bleibt. Ende September 2022 berichtete die Financial Times, dass die USA die EU-Länder drängen, die zugesagte finanzielle Unterstützung für die Ukraine zu beschleunigen und einen „regelmäßigen Mechanismus“ für finanzielle Unterstützung einzurichten. Noch ist offen, ob EU-Gelder auch für die Militärrückzahlungen an die USA eingesetzt werden sollen und dürfen.

Fakt ist: Die USA sind in diesen Angelegenheiten streng. Großbritannien stotterte bis 2006 seine Raten aus den Lend-Lease-Schulden ab, da war der Weltkrieg schon 61 Jahre vorbei.
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Profiteur No. 2: Die US-Energiekonzerne...

Derartige Programme nutzen – damals wie heute – vor allem die amerikanischen Rüstungskonzerne, ohne dass der heimische Steuerzahler in die Pflicht genommen wird. Die Börsen-Notierungen von Lockheed Martin und Northrop Grumman reflektieren die Euphorie der Investoren, zumal ja künftig auch die Ersatzbeschaffungen über die amerikanischen Hersteller laufen müssen.

Auch die Erhöhung aller westlichen Militärbudgets kommt dem Amerikaner zu Gute. 100 Milliarden hat Olaf Scholz zusätzlich ausgelobt.

Eine Analyse des Foreign Policy Magazins ergab, dass die Vereinigten Staaten die Zahl der genehmigten Waffenverkäufe an NATO-Verbündete im Jahr 2022 gegenüber 2021 fast verdoppelt haben – von 15,5 auf 28 Milliarden US-Dollar. So wird der Krieg zum Geschäft.

Profiteur No. 2: Die US-Energiekonzerne

Durch die Wirtschaftssanktionen – Handelsbeschränkungen, das Einfrieren von Vermögenswerten, den Ausschluss von Zahlungssystemen oder das Ausfuhrverbot von Öl – hat man Russland isoliert. Damit wird der bisherige deutsch-russische Handel für sehr lange Zeit unwiderruflich disruptiert. Als Helfer in der Not bieten sich die amerikanischen Energiekonzerne an.

Auch das amerikanische Öl ist plötzlich gefragt: Nach Angaben des Datenanbieters OilX sind seit Februar 2022 rund 500 amerikanische Öltanker nach Europa gefahren und haben dazu beigetragen, dass die Rohölexporte der USA im vergangenen Jahr ein Rekordhoch erreichten. Zwischen Dezember 2021 und Dezember 2022 stiegen die US-Exportzahlen um 52 Prozent.

Profiteur No. 3: Die US-Regierung

Die amerikanische Administration hat ein Interesse, den Systemrivalen Russland dauerhaft zu schwächen und im Grunde aus dem Spiel der Großmächte zu entfernen. Sie kann das gefahrlos für das eigene Land und das Leben der eigenen Soldaten tun. Auch deshalb hat Washington kein Interesse an einem schnellen Friedensschluss in der Ukraine, wie ihn der 99-jährige Henry Kissinger gestern in Davos skizzierte.

Joe Biden will den Regimewechsel in Moskau. Das hat er in einer Rede vor dem Warschauer Stadtschloss deutlich gesagt. Auch sein Außenminister hat klargemacht, dass man Russland seine Kriegsfähigkeit nehmen möchte.

Der Unsicherheitsherd Europa nutzt mittelfristig auch dem amerikanischen Kapitalmarkt, der von den Investoren als sicherer Hafen wahrgenommen wird. Die Kapitalabflüsse in den ersten Kriegsmonaten aus Europa waren erheblich. Gestern nach Börsenschluss meldete BASF einen Milliardenverlust, der im Wesentlichen durch die Abschreibungen des mittlerweile beendeten Russlandgeschäfts verursacht wurde.

Die Europäer und hier insbesondere Deutschland haben ein überragendes strategisches Interesse, dass der Konflikt möglichst schnell beendet oder zumindest eingefroren wird und sich auf gar keinen Fall in Richtung der westeuropäischen Metropolen ausweitet. Je stärker und intensiver in Europa ein Krieg tobt, desto pessimistischer sind die Investitionsbedingungen, sowohl in der Realwirtschaft als auch an den Kapitalmärkten von London, Paris und Frankfurt.

Fazit: Der Handelspartner Russland wird de facto gegen den Handelspartner Amerika getauscht. Damit festigen die Amerikaner auch ihre Verhandlungsposition für die Gespräche über künftige Freihandelsabkommen und die China-Strategie.

Wenn es denn den Planungsstab im Verteidigungsministerium noch gäbe, würde er dem Minister in der Executive Summary folgende Paradoxie aufschreiben: Russland führt Krieg gegen die Ukraine – und Amerika gewinnt.

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