Migration ist eine hoch identitäre Bewegung. Und Deutschland ist
offenbar kein Land, das darauf eine Antwort findet. Außer, die Latte des
Geforderten immer tiefer zu hängen und Sonntagsreden über Integration
zu halten.
Deutsche Debatten sind
oft kurios. Gern gehen sie konsequent am Kern der Sache vorbei. In der
Silvesternacht griff – was viele Videos nahelegen – Berlins
Migrantenjugend mit allem, was zur Hand war, mit Feuerwerkskörpern,
Feuerlöschern oder Schreckschusswaffen, Berlins Rettungskräfte und
Polizei an.
Und wir? Wir reden darüber, wie schlimm das Böllern sei. Wir
moralisieren das Thema. Wir reden über das klima- und
gesundheitsschädliche Böllern. Über ein Böllerverbot. Kann man machen,
aber nur, wenn man beide Augen fest vor der Realität verschließt.
Der Unterschied zwischen Böllern und bewaffnetem Angriff
ist einfach zu erklären: Wo fröhliche Menschen mit ihren Kindern und
Freunden das neue Jahr mit Feuerwerk begrüßen, da steigen ihre Raketen
senkrecht nach oben, gen Himmel.
Wo aber hasserfüllte Menschen in Kompaniestärke Feuerwehren und
Polizisten angreifen, da gebrauchen sie ihre Raketen als Waffen und
feuern sie horizontal auf Menschen. Um sie zu treffen. Um sie möglichst
schwer zu verletzen. Um diese Taten per Video zu dokumentieren und sich
in ihren Milieus damit zu brüsten. Das eine hat mit dem anderen nichts,
aber auch gar nichts zu tun. Das eine ist Silvester. Das andere ist
Bürgerkrieg.
Wobei – ist Bürger das richtige Wort? Sieht sich hier irgendwer als Bürger? Irgendeiner der jungen Männer der Berliner Silvesternacht? Identifizieren
sich nennenswerte Teile der migrantischen Jugend von Neukölln oder
Moabit oder Wedding als deutsche oder wenigstens als Berliner Bürger?
Berlin, das ist die Stadt, in der Kita-Kinder ihre offenkundig
deutschen Kindergärtnerinnen neugierig fragen: Wo bist du her? Aus dem
Libanon, der Türkei, dem Kosovo? Sie kennen es nicht anders. Sie sind es
gewöhnt, einander diese Frage zu stellen. Jeder von ihnen kommt
irgendwo her. Geht er auch irgendwo hin? Wird er oder sie, wenn sie groß
sind, ein deutscher Staatsbürger werden?
Oder, wie so viele um sie her, in dieser über Generationen sich
erstreckenden Zwischenwelt leben, in der das Geld und die Autos, die
Straßennamen und die Behörden deutsch sind – aber alles, was Identität
stiftet, das Essen, die Sitten und die Religion, die Vornamen der Kinder
und die Kleidung ihrer Mütter, all das ist Herkunft pur. Libanon,
Türkei, Kosovo.
Migration ist eine hoch identitäre Bewegung. Und Deutschland ist
offenbar kein Land, das darauf eine Antwort findet. Außer, die Latte des
Geforderten immer tiefer zu hängen und Sonntagsreden über Integration
zu halten. Vielleicht, weil Deutschland selbst nicht so genau weiß, wer
und was es ist. Die jungen Männer spüren das. Wenn sie unsere Feuerwehren und Polizisten angreifen, feiern sie ihre Identität.
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