02 Januar 2023

Silvester: Angriff auf Helfer - Deutschland weiß selbst nicht so genau, wer und was es ist (WELT+)

Angriff auf Helfer
Deutschland weiß selbst nicht so genau, wer und was es ist (WELT+)
02.01.2023
Migration ist eine hoch identitäre Bewegung. Und Deutschland ist offenbar kein Land, das darauf eine Antwort findet. Außer, die Latte des Geforderten immer tiefer zu hängen und Sonntagsreden über Integration zu halten.
Deutsche Debatten sind oft kurios. Gern gehen sie konsequent am Kern der Sache vorbei. In der Silvesternacht griff – was viele Videos nahelegen – Berlins Migrantenjugend mit allem, was zur Hand war, mit Feuerwerkskörpern, Feuerlöschern oder Schreckschusswaffen, Berlins Rettungskräfte und Polizei an.
Und wir? Wir reden darüber, wie schlimm das Böllern sei. Wir moralisieren das Thema. Wir reden über das klima- und gesundheitsschädliche Böllern. Über ein Böllerverbot. Kann man machen, aber nur, wenn man beide Augen fest vor der Realität verschließt.
Der Unterschied zwischen Böllern und bewaffnetem Angriff ist einfach zu erklären: Wo fröhliche Menschen mit ihren Kindern und Freunden das neue Jahr mit Feuerwerk begrüßen, da steigen ihre Raketen senkrecht nach oben, gen Himmel.
Wo aber hasserfüllte Menschen in Kompaniestärke Feuerwehren und Polizisten angreifen, da gebrauchen sie ihre Raketen als Waffen und feuern sie horizontal auf Menschen. Um sie zu treffen. Um sie möglichst schwer zu verletzen. Um diese Taten per Video zu dokumentieren und sich in ihren Milieus damit zu brüsten. Das eine hat mit dem anderen nichts, aber auch gar nichts zu tun. Das eine ist Silvester. Das andere ist Bürgerkrieg.
Wobei – ist Bürger das richtige Wort? Sieht sich hier irgendwer als Bürger? Irgendeiner der jungen Männer der Berliner Silvesternacht? Identifizieren sich nennenswerte Teile der migrantischen Jugend von Neukölln oder Moabit oder Wedding als deutsche oder wenigstens als Berliner Bürger?
Berlin, das ist die Stadt, in der Kita-Kinder ihre offenkundig deutschen Kindergärtnerinnen neugierig fragen: Wo bist du her? Aus dem Libanon, der Türkei, dem Kosovo? Sie kennen es nicht anders. Sie sind es gewöhnt, einander diese Frage zu stellen. Jeder von ihnen kommt irgendwo her. Geht er auch irgendwo hin? Wird er oder sie, wenn sie groß sind, ein deutscher Staatsbürger werden?
Oder, wie so viele um sie her, in dieser über Generationen sich erstreckenden Zwischenwelt leben, in der das Geld und die Autos, die Straßennamen und die Behörden deutsch sind – aber alles, was Identität stiftet, das Essen, die Sitten und die Religion, die Vornamen der Kinder und die Kleidung ihrer Mütter, all das ist Herkunft pur. Libanon, Türkei, Kosovo.
Migration ist eine hoch identitäre Bewegung. Und Deutschland ist offenbar kein Land, das darauf eine Antwort findet. Außer, die Latte des Geforderten immer tiefer zu hängen und Sonntagsreden über Integration zu halten. Vielleicht, weil Deutschland selbst nicht so genau weiß, wer und was es ist. Die jungen Männer spüren das. Wenn sie unsere Feuerwehren und Polizisten angreifen, feiern sie ihre Identität.

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