20 Juli 2022

Business Class Edition: Putin & seine dubiosen Freunde

Business Class Edition: 

Putin & seine dubiosen Freunde
Guten Morgen,
auf seiner Auslandsreise beweist Putin, wieso er uns diplomatisch überlegen ist. Durch die Ukraine-Krise stehen Deutschland und andere europäische Nationen vor großen Problemen. Inflation, Gasknappheit, ungeeinte Bevölkerung. Währenddessen schafft es Präsident Putin, die Sanktionen des Westens in erstaunlicher Geschwindigkeit zu egalisieren.
Das große Missverständnis des westlichen Sanktionsregimes liegt in dem Kinderglauben: Ich nehme dem anderen die Schaufel weg – und dann hat er nichts mehr zum Spielen. Ätsch!
Die Wahrheit ist: Der andere schüttelt sich und sucht umgehend neue Freunde und Partner außerhalb unserer Reichweite. Bald schon besitzt er ein neues Schäufelchen, aber aus anderen Quellen. Unsere Sanktionen haben ihn gestresst, aber nicht erledigt. Sein Leben geht weiter, nur in der Sandkiste nebenan.
Wladimir Putin beweist bei der Neuverlegung von Lieferketten und dem Schmieden neuer Allianzen eine in gleicher Weise beeindruckende wie beängstigende Geschmeidigkeit. Gestern verließ er zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges den ehemals sowjetischen Sektor – eine Demonstration seiner Anschlussfähigkeit:
  • In Teheran trifft er Präsident Ebrahim Raisi und Revolutionsführer Ali Khamenei. Beide Länder verbindet eine intensive Export-Import-Beziehung, die in den vergangenen Jahren sprunghaft angestiegen ist. Russland importierte 2021 Waren im Wert von 970 Millionen US-Dollar. Iran bezieht aus Russland Waren im Wert von über drei Milliarden US-Dollar.  
  • Moskau unterstützt Teheran bei der Entwicklung von Flüssiggas-Projekten sowie beim Bau von Pipelines für den Gasexport. Der russische Staatskonzern Gazpromhat unmittelbar vor Putins Besuch mit dem nationalen iranischen Ölunternehmen einen rund 40 Milliarden Dollar schweren Kooperationsvertrag unterzeichnet.
  • Putin traf in Teheran auch den türkischen Machthaber Erdoğan. Hinter China und den Niederlanden ist die Türkei drittgrößter Exportpartner Russlands. Die Türkei ist vor allem scharf auf russisches Gas, rus­sische Tomaten und die von dort anreisenden Tou­risten.

  • Gemeinsam baut man das erste türkische Atomkraftwerk westlich der Hafenstadt Mersin. Erdoğan kauft von Russland ein Raketenabwehrsystem – für die anderen Nato-Partner ein Affront.In Peking muss Putin gar nicht persönlich vorbeischauen. Russland hat den Handel mit China in den letzten zwei Jahrzehnten wirksam ausgebaut, die Beziehung zu Xi Jinping ist reißfest. China war 2021 mit 17,9 Prozent des gesamten Handelsvolumens der wichtigste Partner Russlands. 

  • Den Inder Narendra Modi hält Putin ebenfalls bei Laune. Die „größte Demokratie der Welt” kann sich nicht dazu durchringen, die Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Opportunismus wird belohnt: Putin liefert zu Vorzugskonditionen – was auch sonst – Gas und Öl.  

    Selbst die Freundschaft mit den Oligarchen im eigenen Land hat Putin erneuert, in diesem Fall materiell unterfüttert. Kaum hatten die westlichen Firmen im Zuge der Sanktion ihre russischen Ladenlokale und Fabriken geräumt, bietet er diese nunmehr herrenlosen Vermögenswerte den Oligarchen zum Vorzugspreis an. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

    Putins Arm reicht sogar bis in die Reihen der ukrainischen Regierung, sein Kriegsgegner. Dass Präsident Selenskyj den Geheimdienstchef Iwan Bakanow und 28 seiner Mitarbeiter wegen Verrat in den Reihen des Geheimdienstes suspendieren musste, bedeutet eine Peinlichkeit für ihn und einen Triumph für Putin. Man wäre froh, wenn die CIA einen ähnlichen Illoyalitätserfolg in den Reihen des russischen Geheimdienstes erzielen könnte.

    Fazit: Der Kinderglaube bleibt auch dann ein Kinderglaube, wenn er täglich von einem anderen Nato-Regierungschef wiederholt wird.

    Die Sanktionen haben vor allem uns ökonomisch geschwächt. Das auszusprechen ist nicht schön, aber wahrhaftig. Oder um es mit Bertolt Brecht zu sagen: 

    "Wer a sagt, der muss nicht b sagen. Er kann auch erkennen, dass a falsch war."

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