Zugleich aber kümmern sich dieselben Firmen um Medikamente zur Linderung der Erkrankung. Wenn man dem Krebs auf die Schnelle schon nicht den Garaus machen kann, so das Kalkül, nimmt man ihm wenigstens seine Grausamkeit. Es geht um die Linderung von Schmerz und die Gewinnung von Lebenszeit.
Genau diese Doppelstrategie fehlt in der Klimapolitik, die nur als Klimapanik zu haben ist. Mit sich überschlagender Stimme beschwören die Aktivisten – darunter auch Politiker und Wissenschaftler – die Apokalypse, um Regierungs- und Firmenchefs zur unverzüglichen Dekarbonisierung aller Produktionsprozesse und Logistikketten zu zwingen.
Eine pragmatische Klimafolgenpolitik wurde hingegen bisher nicht entwickelt. Sie gilt sogar als politisch unkorrekt. Die Politik setzt – unter dem Druck der Klimabewegung – auf alles oder nichts. Die multiplen Gegenwartskrisen – Wasserknappheit in Deutschland und Italien, Waldbrände in Portugal, Spanien und Deutschland, Hitzetode in Indien und Afrika, Extremwetter rund um den Globus – liefern lediglich das Propagandamaterial für die Erreichung des 1,5-Grad-Ziels.
Hier genau beginnt die Lebenslüge der Klimaschützer. Denn dieses Ziel ist schon heute nicht mehr zu erreichen. Die Welt entwickelt sich konträr zu dem, was auf den großen internationalen Klimakonferenzen versprochen wurde.
Der Ukraine-Krieg und die Nutzung von Gas als Waffe haben zur Renaissance der fossilen Energien geführt.
Saudi Aramco ist heute das wertvollste Unternehmen der Welt.
Die Verbraucher handeln anders als sie träumen. Der US-Flugzeughersteller Boeing geht davon aus, dass sich die weltweite Flugzeugflotte bis 2041 fast verdoppeln wird. Boeing rechnet damit, dass die Fluggesellschaften weltweit in den nächsten zwanzig Jahren 41.170 neue Flugzeuge ordern.
Die geostrategische Gewitterfront zwischen dem Westen und China führt dazu, dass der weltgrößte CO2-Emittent sich an der notwendigen Kraftanstrengung de facto nicht mehr beteiligt.
Dabei gibt es – wie bei der Krebstherapie auch – durchaus Möglichkeiten, den Schaden zu begrenzen und das Leiden an der Gegenwart zu lindern:
1. Effektives Wassermanagement
In Italien, wo aktuell Wasser rationiert wird, versickern gut 40 Prozent des Trinkwassers wegen löchriger Leitungen und Zisternen im Erdreich. Das bedeutet: Italien leidet am Klimawandel und an der eigenen Unfähigkeit, damit umzugehen. Teil des Nationalen Plans für Wiederaufbau und Widerstandsfähigkeit, finanziert aus EU-Geldern, sieht nun eine Reparatur des undichten Systems vor. Bei der Umsetzung hapert es noch.
2. Anpassung der Anbaumethoden in der Landwirtschaft
Ein Team der NASA und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat berechnet, das die wichtigsten Kulturpflanzen sensibel auf die Folgen des Klimawandels reagieren:
Die Auswirkungen auf die Ernten zeigen sich früher und stärker, als wir das gedacht haben.
Das aber bedeutet: Auch im Norden Europas oder der USA wären jetzt Pflanzen gefragt, die bisher nur für wärmere Regionen geeignet schienen. Und: Die Gentechnik kann helfen, die Pflanzen widerstandsfähiger zu machen. Sandra Schmöckel, Pflanzenforscherin von der Universität Hohenheim, sagt:
Mit Gentechnik würden wir definitiv schneller bei der Anpassung sein als mit der klassischen Züchtung. Wahrscheinlich müsste man beides kombinieren.
In Deutschland herrscht allerdings ein Anbauverbot genveränderter Pflanzen.
3. Bessere Frühwarnsysteme
4. Die Bauweise von Wohnhäusern und Fabriken muss gemäß den neuen Gefährdungen ausgerichtet werden.
Die USA verbuchten 2021 rund 145 Milliarden US-Dollar Verluste durch Naturkatastrophen, vor allem Hurrikans und andere Stürme, gleichzeitig wurden 2021 immer noch 92 Prozent der neuen Einfamilienhäuser aus Holz gebaut. Man könnte auch so argumentieren: Nicht allein das Unwetter, sondern vor allem die Leichtbauweise der Häuser produziert Tote wie am Fließband.
5. Bodenversiegelung vermindern
In Deutschland waren 2020 circa 20.000 Quadratkilometer Fläche versiegelt, das entspricht einem Anteil von 44 Prozent aller Siedlungs- und Verkehrsflächen. Auf versiegelten Böden kann Regenwasser schlecht versickern, so werden Grundwasservorräte schlechter aufgefüllt und das Risiko für Überschwemmungen steigt. Von 1992 bis 2020 wurden im Jahr durchschnittlich neue 170 Quadratkilometer versiegelt. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht:
Um den Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrszwecke auf das 30-ha-Ziel bis spätestens 2030 zu reduzieren, werden wir Anreize setzen, Fehlanreize vermeiden und durch wirksame Initiativen Versiegelung reduzieren.
Doch auch dieser Ankündigung folgte bisher nicht die angemessene Aktivität. Das Umweltbundesamt urteilt wie folgt:
Das Flächensparziel 2020 wurde deutlich verfehlt. Um das Ziel für 2030 zu erreichen, sind zusätzliche Maßnahmen notwendig.
6. Kernenergie ausbauen
Die Kernenergie ist die einzige grundlastfähige Energie, die nahezu kein CO2 emittiert. Wenn man wirklich schnellstmöglich aus den fossilen Energieträgern aussteigen möchte, muss man die Kernenergie und die alternativen Energien zusammen denken – und gemeinsam ausbauen. So wie es Frankreich, Finnland und Belgien jetzt auch beschlossen haben.
Fazit: Angesichts der spürbaren Erderwärmung ist der Kipppunkt erreicht, an dem eine ideologisch aufgeladene Klimapanik zur realpolitisch gewendeten Klimapolitik werden muss. Zumindest bürgerliche Politiker sollten den Aktivisten nicht länger schöne Augen machen, sondern die realpolitische Kante zeigen. Denn womöglich wollen einige von ihnen gar nicht die Welt, sondern nur ihr Weltbild retten. Sie sagen Klima – und meinen den Kapitalismus.
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