Beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau in Bayern treffen sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten sieben Länder der Welt. Wirklich? Schon diese Woche war Chinas Präsident Xi Jinping Gastgeber des BRICS-Gipfels (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), wenn auch wegen der chinesischen Null-Covid-Politik diesmal nur digital. Dieses Bündnis soll jetzt erweitert werden um Staaten wie Indonesien und Argentinien.
Auch Russlands Präsident war zugeschaltet. Durch die Teilnahme Putins
in Kriegszeiten hatte dieser Gipfel eine neue Brisanz – unter anderem,
weil Indien dazugehört, das der Westen gern im demokratischen Lager
sähe.
Während die westlich orientierten G 7 eine Bevölkerung von knapp 771 Millionen Menschen vertreten, leben in den sieben Staaten des Gegenblocks mehr als drei Milliarden. „Die G 7 repräsentieren das 20. Jahrhundert, BRICS die Zukunft des 21. Jahrhunderts“, heißt es dazu in der chinesischen Parteizeitung „Global Times“.
Schon in seiner Eröffnungsansprache am Mittwoch setzte Xi Jinping den Ton: „Die Ukraine-Krise ist ein Alarmsignal für die Welt“, sagte er, meinte damit aber nicht die russische Kriegsführung, sondern das Verhalten des Westens: Der „missbrauche Sanktionen“, um seine „Hegemonie“ zu behalten.
Russisches Öl fließt nach China
Putin kündigte bei dem Treffen an, die Sanktionen zu umgehen durch verstärkte Zusammenarbeit mit den BRICS-Ländern. In Russland würden bald mehr chinesische Autos fahren und indische Supermarktketten ihre Filialen eröffnen. Russisches Öl fließt jetzt nach China. Indien importiert russische Kohle.
Andrej Denissow, Moskaus Botschafter in Peking, schlug vor, den US-Dollar als internationales Zahlungsmittel durch eine andere Währung zu ersetzen – wahrscheinlich durch den chinesischen Renminbi. Ein Vorgeschmack darauf: Da die Russen wegen der Sanktionen keine Visa- oder Mastercard mehr nutzen können, zahlen sie jetzt mit der chinesischen Kreditkarte UnionPay.
Auch in internationalen Gremien wie dem UN-Sicherheitsrat wollen die BRICS-Staaten Veränderungen. Derzeit gehören dem Rat neben den USA, China und Russland die europäischen Länder Frankreich und Großbritannien an. In ihrer gemeinsamen „Pekinger Erklärung“ forderten die Gipfelteilnehmer diese Woche, die Rolle von Brasilien, Indien und Südafrika innerhalb der Vereinten Nationen zu stärken.
Menschenrechte dürften „nicht mit zweierlei Maß“ durchgesetzt werden, ein Seitenhieb gegen die USA. Der Patentschutz für Corona-Impfstoffe solle aufgehoben werden, damit Entwicklungsländer sie produzieren können. Die Erklärung verurteilt den russischen Angriff auf die Ukraine nicht, sagt dazu lediglich: „Wir unterstützen Gespräche zwischen Russland und der Ukraine.“
Indirekt machte Xi Jinping die Nato für den Krieg verantwortlich: „Einige Länder streben jetzt absolute Sicherheit an, indem sie Militärbündnisse ausdehnen und so andere Länder zwingen, sich auf eine Seite zu stellen. Sie schaffen eine Konfrontation der Blöcke, übersehen die Interessen und Rechte anderer Länder und streben nach Vorherrschaft.“
Es sind höchst unterschiedliche Länder und Politiker, die hier in der Ablehnung westlicher Vormacht und Werte vereint scheinen. Brasiliens Präsident Bolsonaro bewundert als Rechtsradikaler Putins Führungsstil und verbittet sich die Einmischung des Westens zum Schutz des Regenwalds am Amazonas. Gerade wurde dort der britische Journalist Dom Phillips ermordet, der über die Gewalt von Holzfällern und Wilderern gegen Indigene recherchierte. Kommentar des Präsidenten: Der Brite sei dort „nicht willkommen“ gewesen.
Einheit von Nationalismus und Sozialpolitik
Auch wirtschaftliche Verflechtungen spielen eine Rolle. China baut in Brasilien das 5G-Netz aus. Russland ist ein wichtiger Düngemittellieferant für den südamerikanischen Riesenstaat, der das Exportland Nummer zwei bei Fleisch und Nummer eins bei Kaffee ist. „Dünger ist uns heilig“, sagt Bolsonaro.
Sein Gegenkandidat bei der Wahl im Oktober, Ex-Präsident Lula da Silva von der Arbeiterpartei, lehnt als Linker die USA ab. Kürzlich ließ er verlauten, der Westen habe nicht genügend mit Putin verhandelt – und Selenskyj nutze den Krieg für eine persönliche Show.
Die argentinische Politik kennt man in Deutschland vor allem aus dem Musical „Evita“, später verfilmt mit Madonna als Evita Perón. Das ist gar nicht so weit entfernt von der Wirklichkeit. Heute regieren in Argentinien wieder die Peronisten, mit der neuen Evita, Cristina Kirchner, als der starken Frau.
Sie war erst Präsidentengattin, dann selbst Präsidentin, jetzt zieht sie als Vizepräsidentin die Fäden. Wie Putin versteht sie es, in unterschiedlichsten Funktionen an der Macht zu bleiben. Kürzlich verglich sie Russlands Krieg gegen die Ukraine mit Argentiniens Krieg gegen Großbritannien um die Falklandinseln 1982. Man hole sich nur zurück, was der Westen geraubt habe. Mit Xi verbindet Kirchner die Einheit von Nationalismus und Sozialpolitik.
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