28 Dezember 2024

Warum Elon Musk auf die AfD setzt – und warum er dabei irrt - Erwiderung des Chefredakteurs (WELT+)

Erwiderung des Chefredakteurs
Warum Elon Musk auf die AfD setzt – und warum er dabei irrt (WELT+)
27.12.2024

Nur die Alternative für Deutschland könne das Land grundlegend reformieren, glaubt der US-Unternehmer Elon Musk. Vollkommen falsch, antwortet Jan Philipp Burgard. Die AfD ist in Teilen fremdenfeindlich und antisemitisch. Deshalb ist sie eine Gefahr für Deutschland.
Kurz vor Weihnachten sorgte ein Post von Elon Musk auf seiner Plattform X für eine Kontroverse. Demnach könne nur die AfD den Abstieg Deutschlands verhindern. In einem Text, den der Unternehmer Musk WELT AM SONNTAG zur Verfügung stellte, versuchte er, diese Aussage zu begründen. Es ist ein Text, der zu Widerspruch aufruft. Diese Erwiderung übernimmt Jan Philipp Burgard.
Das schreibt Jan Philipp Burgard:
Elon Musk ist das größte unternehmerische Genie unserer Zeit. Mit seinen Innovationen hat er die Bezahl-, Auto- und die Raumfahrtbranche revolutioniert. Voraussetzung für seine spektakulären Erfolge war immer eine radikale Analyse des Status Quo. In Bezug auf Deutschland hat Musk recht, wenn er unser Land wirtschaftlich und kulturell in der Krise sieht. Die verfehlte Migrations-, Energie- und Sozialpolitik der Merkel-Ära und der Ampel-Koalition haben unseren Wohlstand in Gefahr gebracht.
Musks Diagnose ist korrekt, doch sein Therapieansatz, nur die AfD könne Deutschland retten, ist fatal falsch. Beginnen wir mit der Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft. Forderungen wie Bürokratieabbau, Deregulierung und Steuersenkungen sind nicht falsch, nur weil sie von der AfD kommen. Doch Musk scheint den geopolitischen Rahmen zu übersehen, in dem die AfD Deutschland positionieren will. Die AfD hält einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union laut Wahlprogramm „für notwendig“. Für die Exportnation Deutschland wäre das eine Katastrophe. Mehr als die Hälfte aller deutschen Exporte gehen in den europäischen Binnenmarkt.
Mit Wohlfahrtsgewinnen von rund 83 Milliarden Euro pro Jahr profitiert Deutschland wie kein anderer Staat vom Binnenmarkt. Laut einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) betrachten 60 Prozent der Unternehmen den AfD-Kurs als Risiko. Der Direktor des IW, Michael Hüther, bezeichnet die AfD sogar als „Gift für unsere Wirtschaft“.

Nicht nur die Europäische Union als Garant für die volkswirtschaftliche Stabilität Deutschlands stellt die AfD infrage, sondern auch das Verhältnis zu unserem wichtigsten transatlantischen Partner in der Handels- und Sicherheitspolitik. „Die geopolitischen und ökonomischen Interessen der USA unterscheiden sich in zunehmendem Maße von denen Deutschlands und anderer europäischer Staaten“, heißt es wörtlich im Wahlprogramm der AfD.

Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Im Jahr 2023 gingen knapp zehn Prozent der deutschen Exporte in die USA, der höchste Wert seit mehr als 20 Jahren. Ist es nicht in Deutschlands Interesse, dass die USA der wichtigste Abnehmer deutscher Exporte bleiben? Andersherum gehören die USA zu den drei wichtigsten Importländern Deutschlands. Möchte Elon Musk nicht, dass auch zukünftig viele Teslas über Deutschlands Autobahnen rollen?

Statt auf die seit Konrad Adenauer für Deutschlands Wohlstand und Sicherheit segensreiche Westbindung zu setzen, sucht die AfD die Annäherung an Russland. Eine Verurteilung des Angriffskrieges gegen die Ukraine sucht man im Wahlprogramm vergeblich, stattdessen wird die „Wiederherstellung des ungestörten Handels mit Russland“ gefordert, zu der „die sofortige Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland sowie die Instandsetzung der Nord Stream Leitungen“ gehören. Doch eine Rückkehr in die Abhängigkeit von Putins Gas wird Deutschland nicht retten – ganz im Gegenteil, sie würde Deutschlands Energiesicherheit erneut gefährden.

Auch für China findet die AfD freundlichere Worte als für die USA: „Das Verhältnis zur Volksrepublik China muss sich an den realpolitischen Interessen Deutschlands orientieren.“ Gemeint ist Appeasement gegenüber Peking. Donald Trump, der China als größten systemischen Rivalen der USA ausgemacht hat, dürfte wenig Begeisterung für diese Art von „Deutschland-Rettung“ übrighaben.

In der Migrationspolitik sieht Musk in der AfD die Lösung. Tatsächlich hat Deutschland mit außer Kontrolle geratener Zuwanderung zu kämpfen. Doch die AfD irrlichtert mit unrealistischen Remigrationsplänen für Millionen Menschen. Dagegen ist die CDU unter Friedrich Merz aufgewacht und will eine Abkehr von Merkels unkontrollierter Gutmenschenpolitik vollziehen. Dafür hat sie ihre Haltung deutlich verschärft, fordert Zurückweisungen an den Grenzen und schnellere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Solche Maßnahmen zeigen, dass es Alternativen gibt zu den rechtsextremen Positionen der AfD.

Wenn Musk die Einordnung der AfD als rechtsextrem für „eindeutig falsch“ hält, macht er einen kapitalen Fehler. Die AfD ist eben nicht nur Alice Weidel, sondern auch Björn Höcke. Dieser darf per Gerichtsurteil als rechtsextrem bezeichnet werden. Höcke wurde zudem wegen der Verwendung einer verbotenen Nazi-Parole mehrfach verurteilt. „Alles für Deutschland!“ – klingt nach Hitler! Die AfD mit ihrem Höcke-Flügel, ihrer Anbiederung an Russland und China und ihrer Ablehnung von Amerika und EU ist keineswegs „der letzte Funke Hoffnung für dieses Land“, wie Elon Musk schreibt. Sie ist eine Gefahr für unsere Werte und unsere Wirtschaft. Auch ein Genie kann sich irren.

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