Die Regierung erträgt keinen Freisinn
Was 1848 gescheitert ist, scheitert 2024 aufs Neue: Die Regierung erträgt keinen Freisinn – und entspricht damit, ob Feind, ob Freund, ganz dem Geist der Gesellschaft ihrer Nation. Die Antithese zum Liberalismus war einst die Monarchie, später der Kommunismus – zunächst die miefige Obrigkeit von Gottes Gnaden, dann die säkulare Revolutionsreligion zum Kujonieren der Bürger.
Heute ist der Antiliberalismus grün geimpft
– und erfüllt denselben Zweck. Klimakatastrophe und Weltuntergang sind
die Begriffe zur Disziplinierung des Volkes, inklusive detaillierter
Anleitung zum frommen Leben, vom fleischlos gefüllten Kühlschrank bis
zum Umstieg vom Auto aufs Lastenfahrrad. Politikentwürfe sind nicht mehr
richtig oder falsch, also auch nicht mehr falsifizierbar.
Politik ist gut oder böse – Glauben oder Sünde. Eine neue Herrschaftsklasse hat sich der politischen Kultur bemächtigt. Sie erfasst inzwischen nicht nur grüne Kreise, sondern auch linke, bis tief hinein in die SPD. Über Generationen hinweg war die sozialdemokratische Partei die Freiheitspartei Deutschlands. Heute kommt sie ohne Genossen aus, wie sie einst die Sehnsüchte der arbeitenden Klasse verkörperten – vom Schlosser über die Schneiderin bis zum Tischlermeister, von der Pflegerin über den IT-Spezialisten bis zur Elektrotechnikerin.
Der linksgrüne Staat versorgt seine Rich Kids
Linksgrün
ist arbeiterfrei. Dafür voll von Akademikern, deren zahllos neu
installierte Lehrstühle der standesgemäßen Versorgung einer elitären
Jugendkaste dienen, ebenso wie die täglich neu erfundenen und
gouvernemental geförderten NGOs sowie wuchernde Stellen an der Spitze
von Verwaltung, Politik und Medien. Der linksgrüne Staat versorgt seine
Rich Kids. Was hat da – was hätte da – der Freisinn zu suchen, dieses
fremdeste Fremdwort der deutschen Politik?
Sogar die Revolte gegen das Diktat von denen da oben kommt ohne die befreiende Kraft des Liberalismus aus. Die Unzufriedenen wehren sich, indem sie der äußeren Rechten ihre Stimme geben, möge sie nun AfD oder BSW heißen. Wobei das Bündnis Sahra Wagenknecht klassisch deutsche Rollen bedient: amerikafeindlich, russlandfreundlich, national, sozialistisch und Führerin – postmodern aufgedonnert durch Chanel-Look und Talkshow-Eloquenz.
Alles, nur nicht Freisinn! Dabei gäbe es ein Beispiel für das gesellschaftliche Gelingen des Liberalismus, und zwar gleich nebenan – in der Schweiz. Freisinn ist Schweizer Geist, wie sogar der links-sozialdemokratische Schriftsteller Peter Bichsel bekennt: „Wir sind alle Freisinnige.“ Nicht durch Zufall ist das Alpenland eine Weltspitzennation: in Wirtschaft und Forschung – und Demokratie. Christian Lindner ist Schweizer, mitsamt seiner Partei.
Die liberale Konkurrenz
Deshalb
hatte er auch die deutsche Regierung zu verlassen – die von einem
Sozialdemokraten geführt wird, was eigentlich bedeuten müsste, dass
dieser sich den Liberalen näher fühlt als den Grünen. Mit der liberalen
Konkurrenz verband die Genossen einst die Überzeugung, dass
Bürgerlichkeit links und rechts der Mitte den wirtschaftlichen und
sozialen Erfolg der Gesellschaft garantiert. Ja, die Sozialdemokraten
haben aus dem Arbeiter den Bürger gemacht: mit Weste und Krawatte beim
1.-Mai-Umzug. Und heute? Heute bleibt dem Bürger der Freisinn.
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