„Massiver Kollateralschaden“ – Hunderte Seiten Abrechnung mit der Corona-Politik (WELT+)
Die Verantwortlichen hätten „schon in den ersten Tagen der
Covid-19-Pandemie“ gezeigt, dass sie wenig Interesse an einer Debatte
hatten – und das trotz der Tatsache, wie die Autoren kritisieren, dass
es sich um ein neuartiges Virus gehandelt habe: „Die Führung des
öffentlichen Gesundheitswesens schien nur eine einzige Agenda
voranzutreiben und keine Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und der
soliden Diskussion zu fördern.“
Auch auf Deutschland traf das lange Zeit zu. Drosten galt über Jahre als Instanz in Sachen Pandemiebekämpfung. Befürwortete der Virologe öffentlich Maßnahmen, die mit Grundrechtseinschränkungen einhergingen, schien die Politik einen Freifahrtschein zu haben, berief sich stets auf „die Wissenschaft“, wenn sie einschränkende Maßnahmen durchsetzte. Gleichzeitig versuchte Drosten, Experten, die sich den Maßnahmen gegenüber skeptisch zeigen, wie etwa der Bonner Virologe Hendrik Streeck, mit „Querdenker“-Mythen in Verbindung zu bringen. Der „Spiegel“ half dabei, kritische Experten zu diskreditieren.
Gestützt wurden Drostens Thesen von anderen Wissenschaftlern, die teils zwar wenig Ahnung von Pandemien hatten, aber stets eine große Bühne bekamen. Einer von ihnen: Karl Lauterbach, der wohl wie kein anderer für ein politisches Wirken steht, das vom Kongress nun harsch kritisiert wird.
„Der Nutzen des Tragens von Masken ungefähr gleich null“
Im Bericht des Repräsentantenhauses heißt es etwa zum von Lauterbach befürworteten „social distancing“: „Die Rechtfertigung für eine der einschneidendsten COVID-19-Maßnahmen, die wohl die meisten Amerikaner in ihrem täglichen Leben betraf, war, dass sie ‚einfach so entstanden ist‘. Es wurden keine wissenschaftlichen Versuche oder Studien durchgeführt, bevor diese Politik umgesetzt wurde, es gab anscheinend keine Widerstände oder interne Diskussionen auf höchster Führungsebene.“ Was noch wichtiger sei: „Es gab anscheinend keine Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.“ All das sei inakzeptabel.
In Bezug auf die wohl fundierteste Studie zur Maskennutzung überhaupt – einem Cochrane-Review aus Januar 2023 – heißt es: „Die Schlussfolgerung war, dass der Nutzen des Tragens von Masken ungefähr gleich null ist. Es gibt einfach keinen Beweis dafür, dass sie einen Unterschied machen. Punkt.“ Diese Interpretation indes ist zweifelhaft. Dass das Tragen von korrekt sitzenden FFP2-Masken die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung individuell reduziert, gilt – bei allen Nachteilen des langen Tragens – als sicher. Der Nutzen einer Verpflichtung zum Maskentragen hingegen ist nicht belegt. In dem Bericht heißt es: „Zwangsweise Maskierung von Kleinkindern im Alter von zwei Jahren und älter verursacht mehr Schaden als Nutzen.“
Und derart
kritisch geht es in dem Papier weiter: „Die möglicherweise
schwerwiegendste Folge der Covid-19-Lockdowns war der Schaden, den sie
der Wirtschaft zufügten.“ Die andauernden Lockdowns hätten darüber
hinaus die psychische Gesundheit der Amerikaner unnötig geschädigt,
hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen.
Es ist eine Hunderte Seiten lange Abrechnung mit der Politik. Covid-Pässe, die Tests und Impfungen dokumentierten und etwa beim Betreten von Geschäften und am Arbeitsplatz vorgezeigt werden mussten? Auch für diese Maßnahme habe es keine wissenschaftliche Basis gegeben. Sie sei „sehr wahrscheinlich kontraproduktiv“ gewesen und hätte einen „massiven Kollateralschaden“ verursacht.
Auch der Einsatz der Impfstoffe wird im Repräsentantenhaus beleuchtet. Verwiesen wird auf die Wirksamkeit im Blick auf die Verhinderung von schweren Covid-Verläufen, allerdings kritisiert die Expertengruppe die Versprechen, die Politik und viele vermeintliche Experten im Kontext der Arzneien machten: „Die mRNA-Impfstoffe für Covid-19 haben weder die Übertragung von Mensch zu Mensch noch die Infektion in der Weise verhindert, wie dies mit herkömmlichen Impfstoffen möglich war.“
„Spaltende Rhetorik Hindernis für künftige Pandemievorsorge“
Dies nicht vollständig und ehrlich zu erklären, sei „ein entscheidender Fehler“ gewesen. „Es ist wahrscheinlich, dass (...) die spaltende politische Rhetorik weiterhin Auswirkungen auf die Wahrnehmung der öffentlichen Gesundheit durch die Amerikaner haben wird und ein Hindernis für die künftige Pandemievorsorge darstellen kann.“
Während
der Pandemie war in den USA etwa auch versucht worden, Facebook dazu zu
bringen, Kritiker zu zensieren. WELT berichtete darüber. „Die
Biden-Administration hat undemokratische und wahrscheinlich
verfassungswidrige Methoden angewandt, um das zu bekämpfen, was sie für
Fehlinformationen hielt“, heißt es nun in dem Report. Diese falschen
Aussagen hätten wahrscheinlich zur Verwirrung der Amerikaner über die
Covid-Impfungen beigetragen und das allgemeine Vertrauen in den
Impfstoff reduziert.
Nicht nur der US-Report lässt darauf schließen, dass die Skeptiker größtenteils richtig lagen. Der Blick auf Daten zu Übersterblichkeit und Lebenserwartung etwa belegt, dass Schweden als eines der wenigen Länder ohne tief greifende Grundrechtseinschränkungen besser durch die Pandemie kam als die, die harte Lockdowns durchsetzten.
Da war
zudem schon im Sommer 2022 der Bericht einer vom Bundestag eingesetzten
Sachverständigenkommission, die zu dem Schluss kam, dass es bei den
allermeisten Maßnahmen keinen Beleg, teils nicht mal Indizien für deren
Nutzen gibt. Eine SZ-Journalistin, die oft als Sprachrohr der
Regierenden in Bund und Ländern wirkte, schrieb damals: „Wenn es keine
Evidenz gibt, heißt das nicht, dass etwas nicht wirkt.“ Es schien wie
der verzweifelte Versuch der Legitimierung eines großen Irrtums.
Bis heute gibt es derlei Unternehmungen, etwa ein Buch von Christian
Drosten zur Pandemie und Dutzende Interviews, die die Veröffentlichung
flankierten. Anfragen von WELT für Interviews – etwa über seine
Diskreditierung von Kritikern wie Streeck sowie den Autoren der „Great
Barrington Declaration“ oder seiner Abkanzelung des Labor-Ursprungs als
„Verschwörung“ – lehnt er kategorisch ab.
Da oft von der „nächsten Pandemie“ die Rede ist, bietet der Bericht auch Grund zum Optimismus, dass bei der nächsten Gesundheitskrise eher mit Fakten hantiert wird als mit unbelegten Thesen. Bis es so weit ist, muss in den Augen des Komitees dringend auch die Erfassung und der Umgang mit Impfnebenwirkungen verbessert werden.
Dass die
negativen Folgen der Covid-Vakzine ausreichend studiert sind, hält das
Komitee für unwahrscheinlich. „Die große Diskrepanz beim Vergleich der
COVID-19-Impfstoffe über drei Jahre mit allen anderen Impfstoffen über
mehr als 30 Jahre gibt Anlass zu ernsten Bedenken“, heißt es. Und
weiter: „Bestehende Impfstoffsicherheitssysteme können wichtige
Sicherheitssignale übersehen, insbesondere im Zusammenhang mit
neurologischen Erkrankungen.“
Die akute Covid-Krise mag vorbei sein – die Aufarbeitung hingegen ist es noch lange nicht.
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