heute vor genau einem Jahr wurde der Ökonom Javier Milei argentinischer Präsident. Wenn ich das Gros deutscher Medien richtig interpretiere, ist der 54-Jährige ein radikaler Irrer, der schon zum Frühstück zwei Beamte verspeist und auch sonst ganz schlimm ist für sein eigenes Land und das Weltklima sowieso.
Mein Rat: Man sollte sich bei seiner Beurteilung auf Mileis Wirtschaftspolitik konzentrieren, nicht auf seine Koteletten oder schmiedeeisernen Manieren.
Milei mag libertär sein, laut und knochenkonservativ. Aber mit seinem Wahlkampf-Accessoire Kettensäge illustrierte er immerhin klar, was er vorhatte: den überbordenden Staat stutzen und Argentiniens Hyperinflation auf Normalmaß zurechtschneiden. Dem selbsternannten „Anarchokapitalisten“ ist das bislang gut gelungen, muss ich sagen.
Milei strich hunderte von Regulierungen. Den Staatshaushalt hat er zurechtgeschnitten wie andere Leute ihren Buchsbaum vorm Haus: minus 27 Prozent. Renten und Staatsgehälter steigen nicht mehr mit den Preisen. Die Hälfte seiner 18 Ministerien ließ er schließen, 30.000 öffentliche Bedienstete entlassen.Das alles tut weh, klar. Aktuell bricht die Wirtschaft ein, die Armut wächst. Für das kommende Jahr prognostiziert der IWF aber schon wieder ein Wachstum von fünf Prozent. Erstmals seit Jahrzehnten verzeichnet Argentinien einen Haushaltsüberschuss. Die Börse boomt, und Mileis Umfragewerte sind stabil bei weit über 50 Prozent.
Viele scheinen schon froh, dass
ein Politiker sie wenigstens nicht mehr anlügt, sondern das tut, was
versprochen war. Warum also verachten hiesige Medien Milei so? Angst?
Neid?
Den Fehler, den viele hierzulande machen: Sie bewerten den
Rest der Welt mit deutschen Maßstäben. Argentinien hat viel größere
Probleme als wir, ein Präsident dort also auch größere Aufgaben.
Zugleich sind seine Rechte üppiger. Er wird direkt vom Volk gewählt und
kann per Dekret dann ziemlich durchregieren.
Das würde in
Deutschland gar nicht gehen. Umso unbefangener könnte man sich doch
fragen, was man trotzdem lernen kann von Mileis harter Tour.
Deutschland
torkelt immerhin ins dritte Rezessionsjahr. Durch die Bürokratie
entgehen der Republik bis zu 146 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung,
rechnete das ifo-Institut vor. Pro Jahr. Während bei uns seit fünf
Jahren nichts mehr wächst, legten unsere EU-Nachbarn um 4 Prozent zu.
Wohnungsbau, Arbeitsmarkt, Industrie, Klimaschutz – alles überreguliert.
Als
der FDP-Vorsitzende Christian Lindner jüngst vorschlug, man müsse
„zumindest ein klein bisschen mehr Milei wagen“, ging ein Aufschrei der
Empörung durchs Land. Ich kann das nicht verstehen – und zugleich nur zu
gut: Vielleicht geht’s uns einfach noch nicht schlecht genug, um uns
selbst zu hinterfragen? Lieber verwandeln wir uns allmählich in ein Volk
von Schulterzuckern, das nichts gerissen kriegt, aber für andere stets
gute Ratschläge parat hat.
Wissen Sie, was so ziemlich das
Einzige ist, das während der Ampel-Regierung wuchs? Die Zahl der
Beamten. Um 11.500 Stellen. Oder bin ich zu streng?
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