19 Dezember 2024

Der andere Blick - Robert Habecks abgesagtes TV-Duell: Die deutschen Grünen haben keinen Anspruch auf die Zuneigung von Journalisten (NZZ)

Robert Habecks abgesagtes TV-Duell:
Die deutschen Grünen haben keinen Anspruch auf die Zuneigung von Journalisten (NZZ)
Die Partei ist empört, dass ihr Kanzlerkandidat nicht mit denen von SPD und CDU debattieren darf. Aber Habecks Ego darf hier nicht den Ausschlag geben.
Von Oliver Maksa, 18.12.2024, 3 Min.
Die deutschen Grünen reagieren dieser Tage auf den gefühlten Liebesentzug durch den öffentlichrechtlichen Rundfunk erstaunlich dünnhäutig. Das zeugt von enttäuschtem Anspruchsdenken und einem Mangel an demokratischer Reife gleichermassen.
Erst ließ ein Kommentator in den «Tagesthemen» der ARD kein gutes Haar an der grünen Energiewende. In den sozialen Netzwerken empörten sich grüne Sympathisanten daraufhin reihenweise. Das Geraune über CDU-Seilschaften bei der ARD nahm eine solche Lautstärke an, dass sich die ZDF-Journalistin Nicole Diekmann genötigt sah, darauf zu reagieren. Sie schrieb auf X davon, «wie hoch die Bereitschaft zu Verschwörungstheorien auch in der grünen Bubble» sei.
Anschliessend entschieden ARD und ZDF, dass der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck nicht mit dem sozialdemokratischen Amtsinhaber Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz von der CDU diskutieren dürfe. Stattdessen hätte er separat am Katzentisch mit Alice Weidel, der Kanzlerkandidatin der AfD, Platz nehmen sollen.
Empört sagte Habeck ab. Er habe ARD und ZDF schon im Vorfeld signalisiert, dass er für ein TV-Duell mit Weidel nicht zur Verfügung stehe. Warum das freilich die Sender in ihrer Einladungspolitik beeindrucken sollte, ist damit nicht beantwortet. Es sei denn, Habecks Ego allein sollte hier den Ausschlag geben.
Das muss sich auch die AfD fragen lassen, die juristische Schritte ankündigte, um einen Platz am Tisch der «Grossen» doch noch zu erzwingen. Anders als Habeck hätte Weidel sich zu einem direkten Aufeinandertreffen aber immerhin bereit erklärt. Damit hat sie demokratische Reife bewiesen.

Grüne Spitzenleute machen ARD und ZDF Vorwürfe

Ganz anders die Grünen. Die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge unterstellte den Sendern, sie wollten einer grossen Koalition aus SPD und CDU/CSU Hilfestellung leisten. Und die grüne Parteichefin Franziska Brantner warf ARD und ZDF vor, in einen offenen Wahlkampf einzugreifen. Das sind ungewohnte Töne.

Schliesslich haben die Grünen den öffentlichrechtlichen Rundfunk noch vor wenigen Monaten in einem Papier zur «tragenden Säule der Demokratie» verklärt. Die Zuneigung ist durchaus wechselseitig. Viele Journalisten von ARD und ZDF sind der Partei und ihren Zielen in Sympathie verbunden.

Das gilt ausweislich einer im Oktober veröffentlichten Umfrage für deutsche Journalisten generell. Satte 41 Prozent gaben an, den Grünen nahezustehen. Befragt wurden Mitarbeiter privater Medien und des öffentlichrechtlichen Rundfunks.

Die Schärfe, mit der die Grünen jetzt reagieren, hat natürlich mit der Bedeutung der TV-Debatten für den Wahlausgang am 23. Februar zu tun. Die sollte man nicht über-, aber auch nicht unterschätzen. Der Wahlkampf ist kürzer als sonst. Viele Wähler sind noch unentschlossen. Gleichzeitig entscheiden viele von ihnen kandidaten- und nicht parteienorientiert.

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel wusste das, als sie 2013 das TV-Duell mit dem legendären «Sie kennen mich» beendete und vier weitere Jahre regierte. Trotzdem gab das Format ihrem sozialdemokratischen Herausforderer Peer Steinbrück einen kurzfristigen Schub. Habeck hofft genau darauf.

Den Grünen bläst der Wind ins Gesicht

Vor allem aber können die Grünen nur schwer verwinden, dass ihnen nach drei Jahren in der Regierung der Wind scharf ins Gesicht bläst. Das war 2021 anders. Damals wurde die erste grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit Blick auf die guten Umfragewerte von ARD und ZDF wie selbstverständlich zum «Triell» mit dem CDU-Kandidaten Armin Laschet und Scholz gebeten.

Eine Regierungsbeteiligung später liegen die Grünen auf dem vierten Platz und haben nach jetzigem Stand keine Chance, ins Kanzleramt einzuziehen. Aber die Zeiten sind volatil, wie die Aufholjagd von Scholz 2021 zeigte. Die einst grossen Volksparteien CDU/CSU und SPD sind kleiner, die einst kleinen Parteien Grüne und AfD grösser geworden.

ARD und ZDF hätten deshalb gut daran getan, dem Rechnung zu tragen und die Kandidaten aller Parteien im Bundestag einzuladen, die sich um das Kanzleramt bewerben. Das wäre nicht nur für die grüne Seele, sondern auch für die Debattenkultur gut gewesen.

Einen Anspruch darauf hat allerdings keine Partei. Auch nicht die durch mediale Zuneigung verwöhnten Grünen.

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