10 Dezember 2024

Der andere Blick - Heimkehr nach Syrien? Was der Umsturz in Damaskus für Deutschland bedeutet (NZZ)

Der andere Blick -
Heimkehr nach Syrien? Was der Umsturz in Damaskus für Deutschland bedeutet (NZZ)
von Jonas Hermann, 09.12.2024, 2 Min
Die siegreichen Rebellen fordern die Flüchtlinge zur Rückkehr auf. Auch die CDU spricht sich dafür aus. Das Thema muss ernsthaft diskutiert werden, denn rund 50 Prozent der Syrer leben von Sozialhilfe.
In Deutschland leben fast eine Million Syrer – das sind rund fünf Prozent der syrischen Gesamtbevölkerung. Um den Sturz des Diktators Bashar al-Asad zu feiern, gingen am Sonntag in deutschen Grossstädten Zehntausende von ihnen auf die Strasse. «Die Tränen, die ich heute vergiesse, habe ich so noch nie in meinem Leben gefühlt», schrieb die aus Syrien stammende «Spiegel»-Autorin Aisa Haidar.
Mir gingen angesichts der Lage in Syrien verschiedene Dinge durch den Kopf. Die Freude der Menschen über das Ende der unglaublich brutalen Repression finde ich großartig. Kurz darauf dachte ich: Es gibt Staaten, in denen es nach der Revolution nur schlimmer wurde, zum Beispiel Iran. Später kam mir ein acht Jahre altes Zitat der ehemaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel in den Sinn.
CDU für Rückkehr nach Syrien
Sie hatte über Migranten aus Syrien gesagt: «Wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist, (…) sie mit dem Wissen, das sie bei uns erworben haben, wieder in ihre Heimat zurückkehren.» Dieser Moment könnte nun gekommen sein.
Eine konstruktive Entwicklung ist dort zumindest so wahrscheinlich wie schon lange nicht mehr. Das menschenverachtende Asad-Regime ist passé. Damit entfällt der wichtigste Grund für die humanitäre Aufnahme. Die Aufständischen selbst hatten am Wochenende verkündet: «An die Vertriebenen weltweit, ein freies Syrien erwartet euch.»

Die Debatte darüber nahm sogleich Fahrt auf und dürfte am Montag weitergehen. Der CDU-Politiker Jürgen Hardt äusserte sich so wie die Ex-Kanzlerin. Er erwarte, dass die Syrer in ihr Land zurückkehrten, «wenn es dort stabil ist», sagte Hardt, der in der Unionsfraktion das Amt des aussenpolitischen Sprechers innehat.

Warnung vor «populistischer Debatte»

Vor einer «populistischen Debatte» warnte hingegen Michael Roth, SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Er sorge sich darum, dass pauschale Forderungen nach einer raschen Rückkehr aller Syrer Teil der Wahlkampfrhetorik von AfD, BSW und der Union werden könnten, sagte Roth.

Natürlich wäre es verkehrt, eine sofortige, massenhafte und erzwungene Rückkehr zu fordern. Trotzdem gehört das Thema auf den Tisch. Selbst wer in der Aufnahme der Syrer einen grossen humanitären Akt sieht, wird einräumen müssen, dass ihre Integration nicht die grosse Erfolgsgeschichte ist. Rund 50 Prozent der Syrer in Deutschland leben von Sozialhilfe. Nun sollte ernsthaft darüber gesprochen werden, ob und unter welchen Bedingungen sie bleiben können. Mit Populismus hat das nichts zu tun.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen