Der andere Blick - Heimkehr nach Syrien? Was der Umsturz in Damaskus für Deutschland bedeutet (NZZ)von Jonas Hermann, 09.12.2024, 2 Min
Die siegreichen Rebellen fordern die Flüchtlinge zur Rückkehr auf. Auch
die CDU spricht sich dafür aus. Das Thema muss ernsthaft diskutiert
werden, denn rund 50 Prozent der Syrer leben von Sozialhilfe.
In
Deutschland leben fast eine Million Syrer – das sind rund fünf Prozent
der syrischen Gesamtbevölkerung. Um den Sturz des Diktators Bashar
al-Asad zu feiern, gingen am Sonntag in deutschen Grossstädten
Zehntausende von ihnen auf die Strasse. «Die Tränen, die ich heute
vergiesse, habe ich so noch nie in meinem Leben gefühlt», schrieb die
aus Syrien stammende «Spiegel»-Autorin Aisa Haidar. Mir
gingen angesichts der Lage in Syrien verschiedene Dinge durch den Kopf.
Die Freude der Menschen über das Ende der unglaublich brutalen
Repression finde ich großartig. Kurz darauf dachte ich: Es gibt
Staaten, in denen es nach der Revolution nur schlimmer wurde, zum
Beispiel Iran. Später kam mir ein acht Jahre altes Zitat der ehemaligen deutschen Kanzlerin Angela Merkel in den Sinn. CDU für Rückkehr nach Syrien
Sie
hatte über Migranten aus Syrien gesagt: «Wir erwarten, dass, wenn
wieder Frieden in Syrien ist, (…) sie mit dem Wissen, das sie bei uns
erworben haben, wieder in ihre Heimat zurückkehren.» Dieser Moment
könnte nun gekommen sein. Eine konstruktive Entwicklung ist dort zumindest so wahrscheinlich wie schon lange nicht mehr. Das menschenverachtende Asad-Regime ist passé.
Damit entfällt der wichtigste Grund für die humanitäre Aufnahme. Die
Aufständischen selbst hatten am Wochenende verkündet: «An die
Vertriebenen weltweit, ein freies Syrien erwartet euch.» Die
Debatte darüber nahm sogleich Fahrt auf und dürfte am Montag
weitergehen. Der CDU-Politiker Jürgen Hardt äusserte sich so wie die
Ex-Kanzlerin. Er erwarte, dass die Syrer in ihr Land zurückkehrten,
«wenn es dort stabil ist», sagte Hardt, der in der Unionsfraktion das
Amt des aussenpolitischen Sprechers innehat.
Warnung vor «populistischer Debatte»
Vor
einer «populistischen Debatte» warnte hingegen Michael Roth,
SPD-Abgeordneter und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Er sorge
sich darum, dass pauschale Forderungen nach einer raschen Rückkehr aller
Syrer Teil der Wahlkampfrhetorik von AfD, BSW und der Union werden
könnten, sagte Roth.
Natürlich
wäre es verkehrt, eine sofortige, massenhafte und erzwungene Rückkehr
zu fordern. Trotzdem gehört das Thema auf den Tisch. Selbst wer in der
Aufnahme der Syrer einen grossen humanitären Akt sieht, wird einräumen
müssen, dass ihre Integration nicht die grosse Erfolgsgeschichte ist.
Rund 50 Prozent der Syrer in Deutschland leben von Sozialhilfe. Nun
sollte ernsthaft darüber gesprochen werden, ob und unter welchen
Bedingungen sie bleiben können. Mit Populismus hat das nichts zu tun.
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