Ziemlich beste Freunde (Cicero)
Nichts an Berbners Kommentar war verlogen. Er hat weder Tatsachen verdreht, noch falsche Zahlen präsentiert. Die Zustandsbeschreibung, die er liefert, ist inhaltlich korrekt.
Der Rest ist Ansichtssache. Etwa, wie ideologisch und abrissbirnig
Robert Habeck als Wirtschaftsminister drauf war. Oder die Frage, was die
schlechte Politik der Ampel so schlecht hat werden lassen: die Ampel
selbst oder die Rahmenbedingungen, unter denen sie regierte? Dass dieser
Spuk endlich vorbei ist, darüber dürften wiederum sehr viele Menschen
sehr glücklich sein. Unabhängig von ihren Parteienpräferenzen.
Das ändert jedoch nichts daran, dass Teile des „Team Habeck“ alias „Team Robert“ und viele Social-Media-Nutzer, die sich jetzt „Habeck4Kanzler“ in die Vita gefräst haben, am Rad drehen angesichts von so viel Majestätsbeleidigung. Ich weiß wirklich nicht, warum dem grünen Milieu so peinlich inhärent ist, dass man immer wieder auftritt, als wäre man nicht Unterstützer einer Partei, sondern Jünger*in einer semi-religiösen Erweckungsbewegung. Was ich aber weiß, ist, dass nichts daran zu beanstanden wäre, dass ein freier Journalist in einem freien Land einen als Kommentar gekennzeichneten Beitrag liefert, der für die Betroffenen zwar nicht schmeichelhaft ist, aber nach diskurstheoretischen Grundsätzen dennoch fair war, da Berbner keinen himmelschreienden Unsinn verbreitet – sondern seine legitime und subjektive Sicht der Dinge.
Wenn der es wagt, gegen die Grünen zu schießen
Es
entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass nun an vorderster
Front Menschen gegen einen Journalisten agitieren, die eine Partei
unterstützen, die von sich selbst behauptet, die Demokratie retten zu
wollen. Zumal gegen einen Journalisten eines Rundfunkapparates, der
sonst eher dadurch auffällt, dass es zu häufig an kritischer Distanz zu
den Grünen mangelt – deren Brüder, Schwestern und Non-Binäre im Geiste
wiederum glauben, Neutralität sei gegeben, wenn es konsequent gegen die
Union oder die FDP geht, während mit der SPD und insbesondere den Grünen
eher gekuschelt werden sollte.
Stellt sich die Frage, wer schuld ist an dieser, sagen wir, kognitiven
Dissonanz. Jene, die entsprechend auffallen? Oder diejenigen
Protagonisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die seit Jahren
versuchen, ihre Zuschauer so zu konditionieren, dass diese ein wohliges
Gefühl bekommen, wenn sie Habeck im Fernsehen sehen, aber getriggert
werden, wenn Christian Lindner auf dem Bildschirm erscheint; also
diejenigen, die ihren von den Bürgern spendierten Informationsauftrag
zum Erziehungsauftrag transformiert haben, womit sie überhaupt erst jene
Resonanzräume schufen, in denen sich eine derartige Wut gegen einen der
ihren Bahn brechen kann, wenn der es wagt, gegen die Grünen zu
schießen.
Machen wir uns nichts vor: Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das antibürgerliche Ressentiment vielfach Teil der eigenen Identität geworden. Die Liebe zu den Grünen und viele Ideen, die der postmaterialistischen Linken entstammen, gelten bei ARD und ZDF heute oft als normal, vieles andere als abnormal – und sei es noch so sachlich begründet und klug vorgetragen. Etwa die Überzeugung, dass sich ein Staat weitgehend raushalten sollte aus dem Leben der Bürger. Oder die Tatsache, dass sich der Grad der Souveränität eines Landes auch daran bemessen lässt, wie willens und fähig es ist, seine Grenzen zu schützen.
An
dieser Entwicklung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
dürfte auch ein einziger polternder Kommentar gegen die Grünen in den
„Tagesthemen“ nichts ändern. Denn bekanntermaßen bestätigen Ausnahmen
eher die Regel als dass sie diese negieren würden. Anders formuliert:
Trotz Thomas Berbner sind und bleiben die Grünen und die
Öffentlich-Rechtlichen ziemlich beste Freunde – und das wird sich nicht
nur, aber besonders dann wieder überdeutlich zeigen, sollte es nach den
anstehenden Bundestagswahlen nicht zu einer Regierungskoalition aus
Union und Grünen kommen.
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