19 Dezember 2024

Die Grünen und die Öffentlich-Rechtlichen - Ziemlich beste Freunde (Cicero) Teil 1

Die Grünen und die Öffentlich-Rechtlichen
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Ziemlich beste Freunde (Cicero)
Den Öffentlich-Rechtlichen mangelt es zu häufig an kritischer Distanz zu den Grünen. Kein Wunder, dass das „Habeck4Kanzler“-Milieu durchdreht, wenn es bei ARD und ZDF mal nicht läuft, wie sie das gerne hätten. Das nennt sich Konditionierung.
VON BEN KRISCHKE am 18. Dezember 2024 7 min
Teil 1 Zum Tagesthemenkommentar von Thomas Berbner
„Eigentlich dachte ich, der ÖRR ist neutral. Jetzt, wo der Wahlkampf beginnt, wird aktiv eingegriffen, und man macht Werbung für bestimmte Parteien. So etwas wirft Fragen auf“, postete dieser Tage eine Nutzerin auf X. Die korrekte Zeichensetzung habe ich nachträglich eingefügt. Und in einem anderen Post heißt es: „Wir sollten uns eine Beschwerde beim Presserat überlegen. Das war doch kein Kommentar, das war doch Verleumdung. Primitivstes Nius-Niveau.“
Nun spiegeln Kommentare bekanntlich die Meinung des Kommentators wider. Im vorliegenden Fall die Meinung des Journalisten Thomas Berbner, der in den „Tagesthemen“ eine für die Ampel und insbesondere für die Grünen und ihren Wirtschaftsminister Robert Habeck wenig schmeichelhafte Bilanz gezogen hat. „Drei Jahre Ampelkoalition haben unserem Land schwer geschadet“, so Berbner. Olaf Scholz habe zugelassen, dass Robert Habeck „Klimaschutz mit der Abrissbirne“ betreiben konnte. Habeck sei seine „grüne Ideologie wichtiger als das Wohl des Landes und der Bürger“. Und überhaupt: „Gottseidank ist dieser Spuk endlich vorbei.“ 
„Jeder Satz ein Treffer“
Ob Berbners Kommentar einer der Marke „Jeder Satz ein Treffer“ war, wie FDP-Politiker Jens Teutrine schrieb, darüber lässt sich diskutieren. Auch darüber, ob er „großartig“ oder gar „exzellent“ war, wie anderswo zu lesen ist. Aber er war (respektive: ist) ganz sicher kein Fall für eine Beschwerde beim Presserat. Jedenfalls ist mir schleierhaft, auf welche Ziffer des Pressekodex man sich hier berufen sollte. Dass dieser Kommentar nicht neutral war: geschenkt. Das sind Kommentare nie. Und man muss schon schräg drauf sein, wenn man, wie der Publizist und Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk, dem Journalisten Ebner vorwirft, er rede hier „1:1 wie ein AfD/BSW-Funktionär“ und er reihe Lügen, Halbwahrheiten und Wahrheiten aneinander, „mit denen er auch nur lügt“. Das ist nicht nur wirr, sondern für einen, der ansonsten kluge Bücher über das DDR-Unrecht schreibt, auch ziemlich krasse Kaderrhetorik. 

Nichts an Berbners Kommentar war verlogen. Er hat weder Tatsachen verdreht, noch falsche Zahlen präsentiert. Die Zustandsbeschreibung, die er liefert, ist inhaltlich korrekt. Der Rest ist Ansichtssache. Etwa, wie ideologisch und abrissbirnig Robert Habeck als Wirtschaftsminister drauf war. Oder die Frage, was die schlechte Politik der Ampel so schlecht hat werden lassen: die Ampel selbst oder die Rahmenbedingungen, unter denen sie regierte? Dass dieser Spuk endlich vorbei ist, darüber dürften wiederum sehr viele Menschen sehr glücklich sein. Unabhängig von ihren Parteienpräferenzen.

Das ändert jedoch nichts daran, dass Teile des „Team Habeck“ alias „Team Robert“ und viele Social-Media-Nutzer, die sich jetzt „Habeck4Kanzler“ in die Vita gefräst haben, am Rad drehen angesichts von so viel Majestätsbeleidigung. Ich weiß wirklich nicht, warum dem grünen Milieu so peinlich inhärent ist, dass man immer wieder auftritt, als wäre man nicht Unterstützer einer Partei, sondern Jünger*in einer semi-religiösen Erweckungsbewegung. Was ich aber weiß, ist, dass nichts daran zu beanstanden wäre, dass ein freier Journalist in einem freien Land einen als Kommentar gekennzeichneten Beitrag liefert, der für die Betroffenen zwar nicht schmeichelhaft ist, aber nach diskurstheoretischen Grundsätzen dennoch fair war, da Berbner keinen himmelschreienden Unsinn verbreitet – sondern seine legitime und subjektive Sicht der Dinge. 

Wenn der es wagt, gegen die Grünen zu schießen

Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass nun an vorderster Front Menschen gegen einen Journalisten agitieren, die eine Partei unterstützen, die von sich selbst behauptet, die Demokratie retten zu wollen. Zumal gegen einen Journalisten eines Rundfunkapparates, der sonst eher dadurch auffällt, dass es zu häufig an kritischer Distanz zu den Grünen mangelt – deren Brüder, Schwestern und Non-Binäre im Geiste wiederum glauben, Neutralität sei gegeben, wenn es konsequent gegen die Union oder die FDP geht, während mit der SPD und insbesondere den Grünen eher gekuschelt werden sollte.
Stellt sich die Frage, wer schuld ist an dieser, sagen wir, kognitiven Dissonanz. Jene, die entsprechend auffallen? Oder diejenigen Protagonisten beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die seit Jahren versuchen, ihre Zuschauer so zu konditionieren, dass diese ein wohliges Gefühl bekommen, wenn sie Habeck im Fernsehen sehen, aber getriggert werden, wenn Christian Lindner auf dem Bildschirm erscheint; also diejenigen, die ihren von den Bürgern spendierten Informationsauftrag zum Erziehungsauftrag transformiert haben, womit sie überhaupt erst jene Resonanzräume schufen, in denen sich eine derartige Wut gegen einen der ihren Bahn brechen kann, wenn der es wagt, gegen die Grünen zu schießen.

Machen wir uns nichts vor: Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist das antibürgerliche Ressentiment vielfach Teil der eigenen Identität geworden. Die Liebe zu den Grünen und viele Ideen, die der postmaterialistischen Linken entstammen, gelten bei ARD und ZDF heute oft als normal, vieles andere als abnormal – und sei es noch so sachlich begründet und klug vorgetragen. Etwa die Überzeugung, dass sich ein Staat weitgehend raushalten sollte aus dem Leben der Bürger. Oder die Tatsache, dass sich der Grad der Souveränität eines Landes auch daran bemessen lässt, wie willens und fähig es ist, seine Grenzen zu schützen.

An dieser Entwicklung innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfte auch ein einziger polternder Kommentar gegen die Grünen in den „Tagesthemen“ nichts ändern. Denn bekanntermaßen bestätigen Ausnahmen eher die Regel als dass sie diese negieren würden. Anders formuliert: Trotz Thomas Berbner sind und bleiben die Grünen und die Öffentlich-Rechtlichen ziemlich beste Freunde – und das wird sich nicht nur, aber besonders dann wieder überdeutlich zeigen, sollte es nach den anstehenden Bundestagswahlen nicht zu einer Regierungskoalition aus Union und Grünen kommen.

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