Heute stellt der Bundeskanzler eine unechte Vertrauensfrage. Er möchte gar kein Vertrauen sondern Neuwahlen. Diese Wahlen schränken nach Karl Jaspers jedoch die
Wirksamkeit des Volkes auf ein Minimum ein. "Es wählt zwar den
Bundestag. Dabei sind die ihm von den Parteien vorgelegten Listen oder Personen schon vorher durch die Parteien gewählt."
Schicksalsfragen entscheidet nicht das Volk
Gedanken zum allgegenwärtigen Politikerschlagwort „unsere“ Demokratie
Von Ingrid Ansari
Gedanken zum allgegenwärtigen Politikerschlagwort „unsere“ Demokratie
Von Ingrid Ansari
Es scheint einen Unterschied zu geben zwischen der Demokratie, die für
alle gilt, und der Demokratie, die die Politiker meinen. Diejenigen, die
an der Macht sind, halten naturgemäß nicht viel von der Herrschaft des
Volkes.
Kaum eine Politikerrede kommt mehr ohne die Floskel „unsere“
Demokratie aus. Man höre einmal in die Bundestagsdebatten hinein, bei
denen kaum ein Redner sich versagt, von „unserer“ Demokratie zu
sprechen. Warum nicht einfach „die“ Demokratie?
Es scheint einen Unterschied zu geben zwischen der Demokratie, die
für alle gilt, und der Demokratie, die die Politiker meinen. Diejenigen,
die an der Macht sind, halten naturgemäß nicht viel von der Herrschaft
des Volkes. Sie haben schon immer alles dafür getan, um eine solche
Herrschaft einzugrenzen. Sonst hätten wir längst die direkte Demokratie,
hätten wir Volksabstimmungen.
Angela Merkels Demokratieverständnis
Am 3. März 2010 verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer
Rede zur Vorstellung des Allensbacher Jahrbuchs der Demoskopie:
„Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik
sagen, dass all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit
hatten, als sie gefällt wurden. Die Einführung der sozialen
Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung, die Ostverträge, der
NATO-Doppelbeschluss, das Festhalten an der Einheit, die Einführung des
Euro und auch die zunehmende Übernahme von Verantwortung durch die
Bundeswehr in der Welt – fast alle diese Entscheidungen sind gegen die
Mehrheit der Deutschen erfolgt. Erst im Nachhinein hat sich in vielen
Fällen die Haltung der Deutschen verändert. Ich finde es auch
vernünftig, dass sich die Bevölkerung das Ergebnis einer Maßnahme erst
einmal anschaut und dann ein Urteil darüber bildet. Ich glaube, das ist
Ausdruck des Primats der Politik. Und an dem sollte auch festgehalten
werden.“
Im Klartext: Erst „im Nachhinein“ also, wenn alles schon entschieden
ist, darf sich die Bevölkerung „das Ergebnis einer Maßnahme“ anschauen
und dann übernehmen, was die Mächtigen für sie bereitet haben.
Wohin treibt die Bundesrepublik?
Erste Warnungen vor solchen Machenschaften reichen zurück bis in die
Nachkriegsjahre der Bundesrepublik Deutschland. „Wohin treibt die
Bundesrepublik?“ ist der Titel der 1966 veröffentlichten Streitschrift
des renommierten Philosophen Karl Jaspers, Lehrer und Freund von Hannah
Arendt.
Zitat: „Die Demokratie der Bundesrepublik wandelt sich vor unseren
Augen. Es werden Wege beschritten, an deren Ende es weder eine
Demokratie noch einen freien Bürger geben würde, vielleicht ohne dass
die, die sie gehen, dieses Ende wollen. Diese Wege sind nicht
unausweichlich. Aber nur ein zur Freiheit drängendes, seiner selbst
darin bewusstes Volk kann die Demokratie in freier republikanischer
Verfassung, die bisher nur eine Chance ist, verwirklichen.“
„Die Verfasser des Grundgesetzes scheinen vor dem Volke Furcht gehabt zu
haben“, schreibt Karl Jaspers weiter. „Denn dieses Gesetz schränkt die
Wirksamkeit des Volkes auf ein Minimum ein. Alle vier Jahre wählt es den
Bundestag. Die ihm von den Parteien vorgelegten Listen oder Personen
sind schon vorher durch die Parteien gewählt.“ Es werden also die
gewählt, die schon gewählt sind.
Er konstatiert: „Eine Mitwirkung des Volkes durch das Referendum
wurde nicht zugelassen. Das Volk ist dem Namen nach der Souverän. Aber
es hat keinerlei Einwirkung auf die Entscheidungen, außer durch die
Wahlen, in denen nichts entschieden, sondern nur die Existenz der
Parteienoligarchie anerkannt wird. Die großen Schicksalsfragen gehen
nicht an das Volk. Ihre Beantwortung muss das Volk über sich ergehen
lassen, und es merkt oft gar nicht, dass etwas und wie es entschieden
wird.“
Pikante Fußnote:
Schon damals ließ der BND-Chef Reinhard Gehlen – übrigens ehemals
Wehrmachtsgeneralmajor und Leiter der Abteilung „Fremde Heere Ost“ –
Karl Jaspers’ „Gesinnung“ überprüfen.
Demokratieverständnis heute
Zurück zu Angela Merkels Rede, die uns vor Augen führt, wie weitsichtig Karl Jaspers’ Überlegungen waren.
Karl Jaspers: „Die großen Schicksalsfragen gehen nicht an das Volk.
Ihre Beantwortung muss das Volk über sich ergehen lassen, und es merkt
oft gar nicht, dass etwas und wie es entschieden wird.“
Angela Merkel: „Wir können im Rückblick auf die Geschichte der
Bundesrepublik sagen, dass all die großen Entscheidungen keine
demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden.“
Dass das Volk dabei nichts zu sagen hat, ist ihr klar, doch sie findet es richtig so. Die sogenannte neue Weltordnung
ist in Merkels Reden allgegenwärtig, und für dieses Ziel sollen „wir“,
so Merkel, „Souveränität und Rechte an andere abgeben“. Denn „wir“ haben
„wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit“.
Das, was vielen heute erst langsam ins Bewusstsein dringt, hat sich –
mehr oder weniger ausgeprägt – über die Jahrzehnte entwickelt. Mit dem
Höhepunkt der Merkel-Jahre und deren „Krönung“ durch die Covid-Maßnahmen
und die „neue Normalität“. Wer noch eines Beweises für den Niedergang
der Grundrechte bedarf, schaue sich dieses Video an: Friedlicher Bürger liest aus dem Grundgesetz vor.
Uns aufgezwungene „Transformationen von gigantischem historischen Ausmaß“
Schon im Januar 2020 hatte uns die Kanzlerin in Davos
„Transformationen von gigantischem historischen Ausmaß“ angekündigt.
Die nachfolgende Regierung machte dann am 27. Februar 2022 weiter mit
der Zeitenwende-Rede von Bundeskanzler Scholz, in der er die Bürger
darauf einschwor, der Ukraine unverbrüchlich zur Seite zu stehen. „Wer
als Friedenstaube umherläuft, ist ein gefallener Engel, der aus der
Hölle kommt“, redete sich Scholz
später auf einer Veranstaltung in Rage. Verteidigungsminister Pistorius
spricht auf der Pressekonferenz vom 4. Mai jenes Jahres von einer
kriegstüchtigen „Bundeswehr der Zeitenwende“.
Um die von Angela Merkel propagierte neue globale Ordnung zu
erreichen, muss der Wert, sich in einer nationalen Gemeinschaft
aufgehoben zu fühlen, sich zugehörig zu einer gemeinsamen verbindenden
Geschichte und Kultur zu verstehen, zerstört werden. Das geschieht durch
Geschichtsvergessenheit, Heimatverlust durch Zuwanderung fremder
Kulturen, sowie durch das Säen von Uneinigkeit in der Bevölkerung, auf
dass sich Teilgruppen gegeneinander wenden, statt sich als Gruppe
vereint gegen einen gemeinsamen Gegner zu stellen. Es sind die alten
Herrschaftsstrukturen, die nun wieder ihr eigenes Narrativ, ihre
Ideologie, über die Wirklichkeit legen. Der Volkswille soll schließlich
mit dem Elitenwillen deckungsgleich werden.
Methoden der Durchsetzung
Es geht um:
- Regierungsattacken auf die durch das Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit;
- Behauptungen werden aufgestellt und bedürfen heute oft keiner Beweise mehr;
- Diskurs- und Gesinnungskontrolle mit Unterstützung der Einheitsmeinungsmedien („Kommentare sind deaktiviert“);
- Political Correctness, Angstmache;
- Kampfbegriffe: Hass und Hetze, Delegitimierung des Staates, Coronaleugner, Klimaleugner, Impfgegner, Putin-Versteher, Querdenker, Schwurbler;
- Politische Gegner werden zu Feinden gemacht – Meldestellen, Zensur;
- Aufrichtung von „Brandmauern“;
- Verfolgungen auch unter der Strafbarkeitsgrenze, Kontenkündigungen, überfallartige Hausdurchsuchungen, Entlassungen, Entfernung aus dem Staatsdienst, monatelange Untersuchungshaft aufgrund von angeblichem Spendenbetrug sowie Ausstellung von Impf- und Maskenattesten;
- Aufruf der Regierung zu Demonstrationen zur Ausschaltung der Opposition;
- der Opposition Rechte verweigern, die allen anderen Parteien zustehen, Rückgängigmachung einer Wahl durch die Bundeskanzlerin.
Der „neue Mensch“
In der Zwischenzeit wurde passend dazu der „neue Mensch“ – der
Hoffnungsträger der Diktaturen und Ideologen des zwanzigsten
Jahrhunderts – herangebildet. Die „Lufthoheit über den Kinderbetten“
(Olaf Scholz) soll den Eltern entzogen und unter Aufsicht eines „starken
Staates“ gestellt werden. Dass der Mensch in seinen ersten Lebensjahren
am formbarsten ist, haben sich autoritäre Strukturen stets zunutze
gemacht. Sich später aus einer solchen Konditionierung zu lösen, ist
bekanntermaßen schwer, und damit rechnen diejenigen, die das für ihre
Zwecke zu nutzen wissen.
Dabei geht es heute nicht mehr um Volksgemeinschaft, Zucht, Ordnung und
körperliche Ertüchtigung, sondern um eine bunte Regenbogen-Ideologie, um
Müßiggang, Ablenkung von den existentiellen Dingen des Lebens hin zu
sofortiger Wunscherfüllung, Drogenkonsum und freiem Sex in allen Formen.
Und es geht um die unter Missachtung der Naturgesetze top-down
installierte Gender-Ideologie, sie seit dem „Vertrag von Amsterdam“ von
1997/1999 als verbindliche Richtlinie für alle Mitgliedsstaaten der UN
auftauchte. Da sich dieses Konstrukt auf keine naturwissenschaftlich
erforschte biologische Grundlage berufen kann, kann es nicht
falsifiziert und somit nicht widerlegt werden. Sicher ist nur, dass es
große Verunsicherungen – bis in die Kindheit und Jugend hinein –
stiftet, während es nur auf eine kleine Minderheit zutrifft. Dazu bietet
auch die täglich in den Medien präsente „Klimakatastrophe“ genügend
ideologisches Potential.
Wenn man in Mediatheken nach einem Film für den Abend sucht, fällt
immer mehr das veränderte Angebot auf. Es sind nicht mehr viele Streifen
dabei, die uns Menschlichkeit, Verständnis und Empathie lehren und das
Herz erwärmen. Hässlichkeit triumphiert über Schönheit und Ästhetik.
Pornographie, Gewalt und Obszönität ist überall – besonders seit
Erfindung der Smartphones – nun auch Kindern verfügbar, die über das
ganze Spektrum der vorher nur Erwachsenen zugängigen sexuellen und
anderen Betätigungen informiert werden, was zu der Desensibilisierung,
Verwirrung und Verrohung führt, die wir in der Öffentlichkeit zunehmend
beobachten können. Es geht um staatliche Übergriffigkeit, um die
uneingeschränkte Kontrolle des öffentlichen Raums bis in die Privat- und
Intimsphäre hinein. Ein ideologisch gleichgerichtetes Parteienkartell
ist dabei, das Deutschland, das wir kannten, abzuschaffen.
Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!
Ein ideologisch geprägtes Menschenbild – sei es faschistisch,
rassistisch, kommunistisch, oder nun genderistisch – kommt mit unseren
eigenen Mensch-Erfahrungen in Konflikt. Ideologien erkennt man daran,
dass sie immer wieder Absurditäten produzieren, die dem Verstand nicht
zugängig sind. Und die sehen wir heute zuhauf. Der Psychoanalytiker
Hans-Joachim Maaz nennt es „das falsche Leben“.
In diesem Jahr wird der 300ste Geburtstag von Immanuel Kant gefeiert.
Mit seinem Denkansatz „sapere aude“ – Habe Mut, dich deines eigenen
Verstandes zu bedienen – ist er der wohl wichtigste Denker der
Aufklärung. Wie man diesen Geburtstag angemessen begehen will, ist mir
ein Rätsel. Leben wir doch gerade jetzt in Zeiten der Gegenaufklärung,
der Ideologien und der weltweit aufflammenden Kriege. Und ist doch
Ideologie gerade das Gegenteil von rationalem Denken und der
Aufforderung, sich seines eignen Verstandes zu bedienen.
Kants Philosophie setzt auf die Kraft der individuellen Vernunft. Im
Alter machte er sich noch Gedanken über die Voraussetzungen eines ewig
anhaltenden Friedens („Zum ewigen Frieden“). Doch wie wir aus Erfahrung
wissen, werden die Medien auch den großen Kant wieder nach ihren
Interessen umzubiegen wissen. Ging doch schon durch die Gazetten, dass
er Rassist gewesen sei.
Umso wichtiger ist es, sich wieder einmal vor Augen zu führen, wie
manipulierbar der Mensch ist und sich mit Immanuel Kants Schriften und
den Lehren der Aufklärung seelisch und geistig gegen diese große Gefahr
zu wappnen.
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