11 November 2024

The Pioneer Business Class Edition: Scholz bei Miosga

Business Class Edition:
Scholz bei Miosga
Gabor Steingart, Montag, 11.11.2024
Guten Morgen,
was mit partnerschaftlicher Zuneigung begann – Scholz nahm an der privaten Hochzeitsfeier von Franca Lehfeldt und Christian Lindner auf Sylt teil –, endete im Groll. Vor knapp fünf Tagen zeigte Kanzler Olaf Scholz seinem – mittlerweile ehemaligen – Finanzminister mit folgenden Worten die Tür:

                                "Ich möchte nicht mehr, dass du meinem Kabinett angehörst."

Die Trennung hatte man erwartet, den harschen Ton nicht. Olaf Scholz, der Lindner öffentlich Unseriosität vorwarf („Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert.“), saß gestern wie ein Beschuldigter bei Caren Miosga im ARD-Studio: nicht souverän, sondern dünnhäutig. Nicht schuldbewusst, sondern bockig. Nicht demütig, sondern rechthaberisch.

Er schildert sich selbst als den Empörten. Er nimmt seine Wut nicht zurück, sondern erklärt sie.

Ich habe es ertragen, dass ich für den Kompromiss und die Kooperation immer wieder, manchmal auch gute Miene zu einem ziemlich bösen Spiel gemacht habe. Aber wenn es zu Ende ist, dann muss es auch zu Ende sein.

Er verteidigt seine vom Teleprompter abgelesene und wie von einem Schauspieler vorgetragene Rede.

Ehrlicherweise weiß ich nicht, was da einige dran haben. Ich habe schon seit einiger Zeit angefangen, einen Teleprompter zu benutzen, weil ich es einfach gut finde, den Bürgerinnen und Bürgern in die Augen zu gucken.

Unwürdig, nennt Friedrich Merz die Auseinandersetzungen zwischen Scholz und Lindner. Es gab kein strategisches Zentrum, sagt SPD-Chef Lars Klingbeil. Scholz lässt die Kritik nicht an sich ran:

Wir haben viel vertrauensvoll geredet, aber dass da noch mehr hätte möglich sein können, das ist wohl richtig, setzt aber voraus, dass man auch will. Und deshalb glaube ich, sollten wir uns schon klarmachen, da ist auch was nicht gelungen, weil es einige nicht wollten, und nicht, weil sie nicht gekonnt hätten.

Scholz redet bei Miosga gegen das Offensichtliche an: Er hat die Regierung nicht kraftvoll geführt, er hat sie nicht zusammengehalten und sich im Moment des Scheiterns emotional gehen lassen. Das bedeutet: Der eigentliche Scholz-Moment fand im Schlussakkord statt.

Caren Miosga zeigt mit ihren freundlichen, aber zielstrebigen Fragen einen Mann, der nicht so souverän ist, wie man einen Regierungschef sich wünscht. Zu sehen und zu hören ist ein Mann, der überfordert wirkt und in keiner einzigen Sequenz dieses Abends begründen kann, warum er weiterhin das Land führen möchte:

Wir werden in Kürze Wahlen haben und die Bürgerinnen und Bürger geben dann den Kurs vor und ich hoffe, der schafft mir neue Möglichkeiten. Das ist das, worauf ich setze

Fazit: Scholz tritt vor allem deshalb an, weil er nicht abtreten will. Das kann man verstehen. Aber dafür muss man kein Verständnis haben. Die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl 2025 ist die bestprognostizierbare Niederlage der deutschen Geschichte

Der von Olaf Scholz am Ampel-Bruch-Abend angekündigte Zeitplan bis zu den Neuwahlen dürfte seit gestern Abend endgültig eingestampft sein.

Zurückgerudert: Gestern Abend bei Caren Miosga erklärte der Bundeskanzler auch:

Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem.

Initial wollte er erst im Januar die Vertrauensfrage stellen. Im März wären dann die Neuwahlen gefolgt.

Ursache für den Kurswechsel dürfte allerdings kein Umdenken im Kopf des Kanzlers sein, sondern der wachsende Druck auch innerhalb der eigenen Regierungsreihen. Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagt uns:

Wir Grüne wären falsch beraten, den Plan von Scholz mitzugehen.

Die Kritik aus Regierung und Opposition und ihre Gründe lesen Sie in „Hauptstadt – Das Briefing“.

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