Mindestens ein Semi-Faschist
Aber
wie ist es jetzt, nach dem Sieg von Donald Trump, also bestellt um die
USA? Nicht gut, lautet die einhellige Meinung unter all jenen, die schon
vor der Wahl gewarnt haben, dass ein 47. Präsident namens Donald Trump
eine „Gefahr für die Demokratie“ wäre – und partout nicht verstehen
wollten (obwohl sie könnten), dass es sehr wohl gute Gründe gibt, den
vorbestraften Unternehmer der toughen Staatsanwältin (so das
einschlägige Narrativ) vorzuziehen.
Stattdessen basteln sich diese Leute ihre eigenen Verschwörungstheorien. Sie sehen in Trump mindestens einen semi-faschistischen Politiker, der jetzt das ganze demokratische System der Vereinigten Staaten zum Einsturz bringen und einen Führerstaat unter seiner Herrschaft errichten könnte. Als gäbe es dafür nicht viel zu viele Hürden in einem demokratischen Land wie den USA, inklusive Recht und Gesetz. Und als wäre Trump nicht schon vier Jahre im Amt gewesen, ohne die Demokratie abzuschaffen. Eine Theorie, die trotzdem nicht nur auf X verbreitet wird, sondern es am Mittwochabend (MEZ) sogar ausführlich in den ARD-„Brennpunkt“ geschafft hat. Vorgetragen von einem den Demokraten nahestehenden deutschen Historiker aus den USA.
Anders
formuliert: Unter der deutschen Meinungselite – was ausschließlich
quantitativ, also auf die Reichweite bezogen, nicht qualitativ gemeint
ist – hat sich mit Blick auf Donald Trump offensichtlich eine Paranoia
breitgemacht, die eher einer psychologischen Betreuung bedarf als der
nächsten Talkshoweinladung. Mit Betonung auf eher übrigens. Nicht,
dass es nach der Lektüre dieses Beitrags heißt, ich würde solche Leute
pathologisieren. Das wäre, meine ich, nämlich auch zu kurz gedacht.
In der eigenen Parallelwelt
Denn all die überzogenen apokalyptischen Szenarien, die nicht nur rund um Donald Trump längst Mainstream geworden sind, folgen durchaus einem rationalen Ansatz. Wie immer in der Politik respektive in politischen Debatten geht es auch hier um banale Eigeninteressen. Diese reichen vom Kampf gegen den eigenen Bedeutungsverlust über die Sicherung der eigenen Pfründe bis hin zum wohligen Gefühl, das aufkommt, wenn man sich mit Gleichgesinnten in der eigenen Parallelwelt einrichtet.
In dieser Parallelwelt, so der
innige Wunsch, sollten all die Asozialen und Reaktionären am besten gar
nicht existieren oder wenigstens nicht stattfinden. Also Menschen wie
Trump und all jene, die nicht links der Mitte denken und wählen. Dass
dies derzeit tendenziell ins Tal der Tränen führt und nicht mehr
dorthin, wo Milch und Honig fließen, gehört zu den kleinen, aber feinen
Paradoxien, die derzeit das Justemilieu erschüttern, weil man ja von
sich selbst glaubt, die Wahrheit gepachtet zu haben. Oder wenigstens
bestimmen zu können, was als Wahrheit zu gelten hat. Zum Beispiel, dass
Trump ein Faschist sei.
Da nützte es auch nichts, dass Luisa Neubauer in die USA flog, um hunderte Amerikaner als Missionarin zum Glauben an Kamala Harris zu bekehren. Oder dass der Büroleiter des ZDF in Washington, Elmar Theveßen, immer wieder dadurch auffällt, dass er bei seiner Berichterstattung über die Vereinigten Staaten so neutral ist wie eine Ultra-Sektion im Fußballstadion. Und da ist es dann auch zum Fremdschämen, wenn deutsche Journalisten am US-Wahltag ein Gesicht machen wie drei Tage Regenwetter, weil Trump gewinnt.
Elmar
Theveßen war not amused. Claus Kleber war not amused. Und ein schlimmer
Verdacht drängt sich auf: Amerikaner folgen keinen deutschen
Influencern, die auch irgendwas mit Politik machen, sie schauen nicht
ARD und ZDF und haben auch kein Spiegel-Abo oder eines der Süddeutschen Zeitung.
Sonst wüssten sie doch, dass jetzt die Demokratie untergehen wird – und
hätten sich bei dieser Wahl richtig entschieden. Also für Harris und
gegen Trump. Pustekuchen.
Manipulation zwischen den Zeilen
All die bedröbbelten
Gesichter im Fernsehen und all die schockierten Posts in den sozialen
Medien jedenfalls sprachen am Mittwoch Bände. Ebenso, dass die
allermeisten deutschen Medien noch stundenlang zögerten, Donald Trump
zum Sieger der US-Wahl zu erklären, nachdem die Nummer bereits um 7:48
Uhr (MEZ) gelaufen war. Wegen der Erkenntnis nämlich, dass in Wisconsin
zwar noch gezählt wurde, Trump in dem Bundesstaat aber schon uneinholbar
führte – und damit klar war, dass Trump die magische Zahl von 270
Wahlmännerstimmen überschreiten wird.
Das ist eigentlich Mathematik auf Grundschulniveau. Und trotzdem meldete die „Tagesschau“ noch um 10 Uhr (MEZ) lediglich, dass Trump in Führung liege. Da hatten Trump unter anderem schon Österreichs Kanzler Karl Nehammer und kurz darauf auch Olaf Scholz zum Sieg gratuliert. Anderswo hieß es außerdem, Trump habe sich „zum Sieger erklärt“, als er nach der Gewissheit in Wisconsin vor seine Anhänger trat. Das sollte wohl einmal mehr einen Alleingang Trumps gegen das demokratische System suggerieren, obwohl der Mann einfach nur rechnen konnte, dass er die Wahl jetzt definitiv gewinnen wird.
Das wiederum ist, wenn Sie
mich fragen, das allergrößte Ärgernis in der Trump-Berichterstattung in
deutschen Medien. Nicht der offenkundige Blödsinn und die
offensichtlichen Übertreibungen, die sich als solche leicht entlarven
lassen, sondern all die kleinen Manipulationsversuche zwischen den
Zeilen. Denn selbstverständlich war die Formulierung, dass Trump sich
zum Sieger erklärt habe, nicht falsch, richtiger wäre aber die Zeile
gewesen: „Trump uneinholbar vorne“. Und noch viel richtiger wäre
gewesen, und das haben wir bei Cicero auch so praktiziert,
zu titeln: „Trump gewinnt US-Präsidentschaftswahl.“ Selbstverständlich
in Kombination mit der Erklärung über den Vorsprung in Wisconsin.
In bester wokistischer Manier
Dazu ist man von ARD und ZDF bis Spiegel und Zeit Online aber
offensichtlich nicht fähig, weil nicht willens. Gleiches gilt für eine
nüchterne Analyse der Frage, ob Trump trotz seiner Rhetorik womöglich
der bessere Präsident für die Vereinigten Staaten sein wird als es
Kamala Harris hätte sein können. Wegen der Weltlage und den
wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich auch die USA
gegenübersehen. Von der Frage, ob jemand wie Putin womöglich mehr
Respekt vor Trump hat als vor Harris, noch ganz zu schweigen. Da scheint
die Antwort klar zu sein.
Stattdessen fokussierte man vor der Wahl in bester wokistischer Manier auf die Identitätsmerkmale von Harris als indisch-jamaikanische Frau und darauf, dass sich Trump in seinen Reden nicht an die politische Korrektheit hält; um dann hinterher völlig aus dem Häuschen zu sein, dass Trump auch deshalb die Wahl so deutlich gewonnen hat, weil diesmal mehr schwarze Männer und Hispanics – trotz Trumps Ansagen bei der Migrationspolitik – und mehr Frauen – trotz Trumps Sicht auf das Thema Abtreibungen – gewählt wurde als vor seiner ersten Amtszeit. Warum? Weil Trumps Persönlichkeit und seine Rhetorik seinen Wählern offenkundig weniger wichtig sind als die grundsätzlichen politischen Positionen, für die Trump inhaltlich steht.
Die US-amerikanische Mentalität
„This
is a magnificent victory for the american people“, sagte Trump, nachdem
klar war, dass er der 47. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
werden wird, begleitet vom Jubel seiner Anhänger. Trumps deutlicher
Wahlsieg ist dabei auch eine deutliche Absage der Amerikaner an die
postmoderne Identitätspolitik, den ganzen Dekonstruktivismus, der bei
der postmodernen Linken en vogue ist, und die Wokeness im Allgemeinen.
Es ist eine Absage an eine Klimaschutzpolitik, die zu viel
Kollateralschäden mit sich bringt, und eine Absage an allzu
planwirtschaftliche Ideen bei der Ökonomie und allzu kollektivistische
Ideen bei der Gesellschaftspolitik.
Denn es ist zwar richtig und nachvollziehbar, dass der Deutsche mit der US-amerikanischen Mentalität bisweilen fremdelt – von der Waffenbegeisterung über die Entertainment-Geilheit selbst bei Gottesdiensten bis hin zu den XXL-Fast-Food-Portionen –, was wohl auch eine Ursache sein dürfte für die vielen Fehlanalysen über die USA auf der anderen Seite des Atlantiks. So auch vor den jüngsten US-Wahlen.
Aber
selbst der größte Trump-Hasser in Deutschland sollte verstanden haben,
dass Freiheit, Individualität und Leistung in den USA immer noch einen
gigantischen Stellenwert haben. Vielleicht nicht dort, wo das
Portemonnaie voll, das Leben leicht und der Lifestyle progressiv ist,
aber sehr wohl in jenen großen Teilen der USA, wo es sehr wohl einen
Unterschied macht, dass die Gallone Benzin heute über vier Dollar kostet
und die klassische Familie anderswo im Land zum Relikt vergangener Tage
erklärt wird.
Auch Experten sind keine Hellseher
Es sind Orte, wo der amerikanische Traum immer noch identitätsstiftend ist, auch die Familie, der Glaube, die Gemeinde, der Pick-Up-Truck, die Waffe. Orte also, wo Menschen leben, die schon aus Prinzip nicht für Kamala Harris stimmen konnten, weil ihre Überzeugungen ganz andere sind als jene, für die Kamala Harris eintritt. Orte auch, die das amerikanische Establishment in den urbanen Zentren viel zu oft verspottet hat – auch vor der jüngsten Wahl wieder – und die all die selbsternannten USA-Experten in Deutschland gerne ignorieren, wenn sie ihre hanebüchenen Prognosen basteln.
Selbstverständlich dürfen sich Experten auch mal irren. Sie sind ja keine Hellseher. Aber wenn man sich die deutsche Expertenlandschaft zum Thema Vereinigte Staaten anschaut, dann ist die – das haben diese US-Wahlen einmal mehr gezeigt und sie zeigen es nach dem Trump-Sieg noch – erschreckend inkompetent; bis hin zur Verschwörungstheorie. Und da fragt man sich dann schon, ob diese Experten wirklich welche sind, oder eher zufällig an der Bushaltestelle rekrutiert wurden. Anders formuliert: Über solche Experten darf man sich ruhig lustig machen. Man muss es sogar.
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