Mehr als drei Jahre später erzählt
Hirschhausen den Zuschauern im Vorübergehen, dass das wohl gestimmt
habe. Der Irrtum gehöre zur wissenschaftlichen Erkenntnis, so die
Begründung. Das ist zwar richtig, aber bedeutet nicht die Legitimation
von Inkompetenz und Ignoranz. So kam es, wie es kommen musste: Moderator
Louis Klamroth hatte neben Hirschhausen eben auch Buyx und Lauterbach
eingeladen, um das Trauma von Hirschhausen und anderer in einem
Paralleluniversum epidemiologischer Inkompetenz verschwinden zu lassen.
Es begann schon damit, dass Klamroth die längst als irreführend bekannten Bilder aus Bergamo zum Anlass nahm, um über die Wirkung von Bildern in der politischen Entscheidungsfindung zu sprechen. Was fehlte: der Hinweis auf die Irreführung. Anschließend stellte er sich selbst und dem Journalismus das Zeugnis einer kritischen Herangehensweise in der Pandemie aus. Diese Fakten ignorierende These blieb unwidersprochen im Raum stehen, weil selbst eine Enquetekommission Schwierigkeiten gehabt hätte, in wochenlanger Arbeit die zahllosen Falschbehauptungen in dieser Sendung aufzuarbeiten.
Aber das war auch der Sinn dieser Sendung. Den Zuschauern ein Paralleluniversum anzubieten, wo die Aufarbeitung in einem Nebel aus Desinformation verschwinden kann. Die beiden eingeladenen Kritiker der Pandemiepolitik, der Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr und Heribert Prantl, früherer Ressortleiter Innenpolitik bei der „Süddeutschen Zeitung“, sollten den Anschein einer offenen Diskussion erwecken. Beide kamen kaum zu Wort und wurden von der Flut an Falschaussagen der drei Experten aus dem Paralleluniversum erschlagen. So versuchte Stöhr gegen Ende der Sendung das zentrale Thema unserer Pandemiepolitik anzusprechen: das Fehlen einer seriösen Form der wissenschaftlichen Politikberatung. Die gab es nicht, sondern bis 2021 lediglich ein Küchenkabinett der Bundeskanzlerin mit der Auswahl vermeintlicher Experten als Politikberater. Zu diesem erlauchten Kreis gehörte Karl Lauterbach, womit die Voraussetzung geschaffen war, das gewünschte politische Handeln durchzusetzen.
So wurde in der Sendung die
längst widerlegte Behauptung aufgetischt, Kinder und Jugendliche hätten
große Opfer gebracht, weil sie durch Verzicht und Rücksicht die
Ansteckungsrate reduziert hätten. In Wirklichkeit war sehr schnell klar
geworden, dass Kinder und Jugendliche keine Pandemietreiber waren. Deren
Isolierung und die daraus entstandenen Schäden waren sinnlos. Sie
wurden ihnen von einer Politik aufgezwungen.
Lauterbach ist zwar ein inkompetenter Epidemiologe, aber ein mit allen trüben Wassern gewaschener Politiker. Er gesteht gerne ein, was nicht mehr zu bestreiten ist. Etwa die Maskenpflicht im Freien, die er einst verteidigte. Auch den skandalösen Umgang mit Kindern und Jugendlichen nennt er bisweilen einen Fehler, ohne den allerdings näher zu begründen. Bei „Hart aber fair“ kam noch das Eingeständnis des Fehlers einer geforderten Impfpflicht dazu, den er mit einer damals falschen Einschätzung der Wirkung der Omikron-Variante begründete. Allerdings gab es zu keinem Zeitpunkt eine seriöse wissenschaftliche Begründung für deren Einführung. Zudem gestand er seinen falschen Tonfall ein, den er mit der Streitkultur im Bundestag begründete.
Hier wird der Modus Vivendi einer Lauterbachsche Pandemieaufarbeitung deutlich. Er behauptet etwas, was nicht stimmt, um gleichzeitig den demagogischen Umgang von Politikern, Journalisten und vermeintlichen Experten mit den Kritikern einer Impfpflicht unter den Tisch zu kehren. Der gehörte zum Standard der Auseinandersetzung, die mit Begriffen wie „Querdenker“ oder „Coranaleugner“ hantierte. Das Ziel ist klar: Lauterbach will weiter behaupten können, Deutschland sei gut durch die Pandemie gekommen, und seine Politik habe hunderttausende weitere Long-Covid-Fälle verhindert. Ihn interessiert nicht diese immer noch schwer zu definierende Krankheit, sondern deren politische Nutzen als zentraler Baustein für seine Aufarbeitung aus dem Paralleluniversum.
„Pandemie der Ungeimpften“
In den vergangenen Jahren gab es zahllose Versuche, eine auf wissenschaftlicher Grundlage basierende politische Aufarbeitung der Pandemie zu erreichen. Das muss vor allem aus zwei Gründen passieren: Es gilt ein erneutes Versagen zu verhindern, wo aus Virologie politische Virologie werden konnte. Außerdem hat die Pandemiepolitik (und nicht ein Virus) eine politische Spaltung erzeugt, die nicht zuletzt auf Lügen wie einer „Pandemie der Ungeimpften“ beruhte. Das führte zum Entzug der Grundrechte von Millionen Menschen, gleichzeitig wurde ein beispielloser Druck erzeugt, sich impfen zu lassen. Das betraf sogar Jugendliche, von denen jeder wissen musste, dass sie ein geringes Erkrankungsrisiko hatten.
Diese Pandemiepolitik mutierte zu einem bisher nicht gekannten Zynismus in der Politik. Prantl versuchte in der Sendung deutlich zu machen, während Lauterbach das mit dem Hinweis kommentierte, man habe es sich nie leicht gemacht. Was ist damit gemeint? Inkompetenz, Ignoranz oder Zynismus? Alle Bemühungen zur Aufarbeitung wurden bisher nur aus einem Grund verhindert: Protagonisten wie Eckart von Hirschhausen, Alena Buyx, Karl Lauterbach können daran kein Interesse haben.
Wer das bisher nicht glauben wollte, findet ab heute in der ARD-Mediathek in dieser Talkshow den Beweis.
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