Die heimliche Angst der CDU vor dem eigenen Gesetzentwurf
Die CDU fürchtet das mediale Echo, das eine Zustimmung der AfD-Fraktion zu ihrem Entwurf auslösen würde. Denn die «Brandmauer» der CDU untersagt jede «Zusammenarbeit» mit der Rechtspartei. Schon kleinste rhetorische Abweichungen von dieser Beschlusslage sorgten in der Vergangenheit für Empörung.
Eines vorweg: Die Kampagne, der sich die Partei um Merz ausgesetzt sähe, wäre zweifellos massiv. Sie würde womöglich noch das politische Beben von 2018 in den Schatten stellen, als der FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und schliesslich zurücktrat. Neben sozialdemokratischen und grünen Politikern würden sich linke Leitartikler auf den vermeintlich reaktionären Parteichef einschiessen. Tenor: Merz, man habe es ja immer geahnt, sei in Wahrheit ein Rechtsausleger.
Die Sorge im Konrad-Adenauer-Haus ist also begründet. Dennoch gibt es gleich drei Gründe, warum es falsch wäre, den Gesetzesentwurf zur Begrenzung der Asylmigration jetzt zu verstecken.
Merkel lässt grüssen
Da ist, erstens, das Problem der Glaubwürdigkeit. Ein beachtlicher Teil der einstigen Stammwähler der Union ist nach dem Linksrutsch während der Angela-Merkel-Jahrzehnte zur AfD und jüngst auch zum BSW übergelaufen. Warum sollten diese Menschen zur CDU zurückkehren, wenn der Partei die Akzeptanz kulturell tonangebender Milieus auch unter Merz wichtiger zu sein scheint als die eigenen Inhalte? In der Berliner Blase aus Parlamentariern, Politikberatern und Hauptstadtjournalisten mag man die Sorge verstehen, dass «die Falschen» einer für richtig befundenen Sache zustimmen. Im Rest der Republik dürfte diese Logik allerdings bei vielen auf Unverständnis stossen.
Denn Vertreter von CDU und CSU werden nicht müde zu betonen, dass es inzwischen eine satte Mehrheit «rechts der Mitte» gebe, die sich vor allem eine strikt geregelte Zuwanderung wünsche. Ein angstgetriebener Rückzug von dieser Position mag den Rückhalt in den Redaktionen, im linken politischen Lager und auch in den schwarz-grün regierten Bundesländern wahren. Doch bei allen anderen nährt er alte Vorbehalte.
Die, die sich darüber besonders freuen können, sind die, die von der sogenannten Brandmauer eigentlich kleingehalten werden sollen: die Randparteien. Sie können sich bis auf weiteres ungestört als Anti-Establishment-Alternativen inszenieren.
Das zweite Problem wäre der drohende Imageschaden für den Kandidaten Merz, also ausserhalb der Berliner Blase. Dort dürften viele ein solches Ausweichmanöver in der Asylfrage nicht als weitsichtig, sondern als schwach wahrnehmen. Nach dem Motto: Wie soll jemand die (derzeit noch) drittgrösste Volkswirtschaft der Welt regieren, ihren Wohlstand sichern, ihre Krisen bewältigen und mit Autokraten verhandeln, wenn ihn die Leitartikel von «Zeit» und «Spiegel» und das empörte Echo der öffentlichrechtlichen Sender schon jetzt so nervös machen?
Trump hat es vorgemacht
Gleiches gilt für die Gegner in den eigenen Reihen, etwa den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst oder parlamentarische Hinterbänkler, die der Ära Merkel nachtrauern. Wenn Merz wirklich eine bürgerliche Politikwende schaffen will, darf er auf diese Leute keine allzu grosse Rücksicht nehmen.
Der Erdrutschsieg in den amerikanischen Swing States des Egomanen Donald Trump hat eines gerade erst deutlich gezeigt: Man kann eine demokratische Wahl gewinnen, ohne sich anzubiedern. Der Republikaner Trump hat einige Fehler begangen im Wahlkampf, doch er hat sich nie zum Getriebenen seiner medialen Kritiker machen lassen. Von dieser Unerschrockenheit – und nicht von Trumps populistischem Gepolter – könnte sich die CDU eine Scheibe abschneiden.
Ein Druckmittel weniger
Drittens verschenkt die CDU mit ihrer ostentativen Sorge ein wertvolles Druckmittel gegenüber den politischen Gegenspielern, sollte sie den Antrag nun kleinlaut zurückziehen. Merz würde seinen potenziellen Koalitionspartnern, seien es Grüne oder Sozialdemokraten, schon jetzt zeigen, was seine Achillesferse ist: die angedichtete Einigkeit mit der AfD, egal, ob ein Vorhaben inhaltlich richtig ist oder nicht.
Die Rechtspartei wiederum könnte sich ebenfalls freuen. Sie macht schon länger Wahlkampf mit der Behauptung: «Wer Merz wählt, bekommt die Grünen». Ein weiteres Mal, so ginge dann die Erzählung, knickten die Christlichdemokraten beim Thema Migration ein. Und damit hätten die Rechten einen Punkt.
Eine Kehrtwende in der deutschen Migrationspolitik ist unabdingbar für eine neue Regierung, die die immer stärker werdenden Ränder wieder zurückdrängen will. Doch im Konrad-Adenauer-Haus scheint man es lieber allen recht machen zu wollen, als das Richtige zu tun. Und das schon vor der Wahl.
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