24 November 2024

Der einzigartige Bestrafungs-Furor von Habeck und Baerbock (WELT+)

Der einzigartige Bestrafungs-Furor von Habeck und Baerbock (WELT+)
Erhöhungen des Polizeietats oder Ausweisung ausländischer Schwerkrimineller? Nicht mit den Grünen. Aber in einer Hinsicht kann der Staat Habeck und Baerbock gar nicht hart genug sein: wenn es um echte oder gefühlte Beleidigungen gegen sie selbst geht – dann kommt sofort die Strafanzeige. Sie sind wie Kinder.
Von Harald Martenstein Freier Kolumnist und Autor, 23.11.2024, 4 Min.
Werfen wir einen Blick ins grüne Parteiprogramm. Die Grünen sind gegen die Einschränkung von Grundrechten durchs Strafrecht, zum Beispiel durch Delikte wie „Staatsverunglimpfung“ oder eine „übertriebene Auslegung der Beleidigungsbestimmungen“. Sie beklagen „Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Presse, Rundfunk, Fernsehen“. Sie fordern mehr „kritische Meinungen in den Medien“.
Zitat aus dem Programm: „Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen Berufsverbote und gegen das Prinzip, dass politische Ansichten, Aktivitäten und Organisationszugehörigkeit zur Beurteilung für die Anstellung im öffentlichen Dienst herangezogen werden.“
Mehr davon? „In den Verfassungsschutzämtern wurde ein Überwachungsapparat aufgebaut, der sich inzwischen wuchernd auf andere Bereiche ausdehnt. Der riesige Aufwand an Überwachung hat zur Ausbreitung eines Klimas von Einschüchterung und Unterwürfigkeit geführt.“
Dieses Programm ist Geschichte, es stammt vom Anfang der 80er-Jahre. Es war die Zeit, in der ich die Grünen gewählt habe. Im Großen und Ganzen stehe ich immer noch hinter diesem Programm von 1980. Jedenfalls, was die Bürgerrechte betrifft.
Die Grünen haben sich stärker geändert als ich, sie stehen heute manchmal sogar für das Gegenteil von damals. Inzwischen fördern sie Meldestellen für Äußerungen sogar „unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit“. Damals hätten sie die Strafbarkeit von Meinungsäußerungen am liebsten abgeschafft, zumindest stark reduziert. 2023 forderte Anton Hofreiter, durchaus im Mainstream der Partei, alle AfD-Mitglieder aus dem Staatsdienst zu entfernen, alle, also auch Briefträger oder Lehrer.

Reisen wir noch einmal zurück ins Jahr 1980: „Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen Berufsverbote.“ Das galt nur für Menschen, deren Ansichten man sympathisch fand. Demokratie heißt: gleiches Recht für alle.

Die beiden Führungsfiguren der Grünen reagieren bekanntlich auf tatsächliche oder gefühlte Beleidigungen sofort mit Strafanzeigen, 805 waren es bisher bei Robert Habeck, 513 bei Annalena Baerbock. Dieser Bestrafungs-Furor ist einzigartig unter Deutschlands Politikern, zumindest den aktuellen, und sonst eher bei Diktatoren üblich.

Angela Merkel hat in 16 Jahren als Kanzlerin kein einziges Mal zu dieser Waffe gegriffen. Auch Karl Lauterbach ruft gegen unflätige Kritik nur selten den großen Bruder zu Hilfe, die Polizei.

Was auf grünen Wahlplakaten stehen müsste

Als 2024 ein bayrischer Unternehmer vier grüne Politiker mit Plakaten verspottete, die Originalzitate trugen, etwa Habecks „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen“, bekam er ebenfalls zeitnah Besuch von der Polizei. Hausdurchsuchung, Klage, 6000 Euro Geldstrafe. Die zweite Instanz endete mit dem Freispruch des Mannes, der Mitglied der CSU ist.

Das genannte Habeck-Zitat war aus dem Zusammenhang gerissen, einem Appell für linken Patriotismus, das Plakat war unfair. Es hätte völlig gereicht, das noch einmal klarzustellen. Aus einer anfangs fast libertären Partei mit Hippiecharme scheint eine autoritäre Polizeistaatspartei geworden zu sein. Was ist da passiert?

Nur bei den Grünen glauben viele ganz ernsthaft, dass von der Verwirklichung ihres Programms die Zukunft der Menschheit abhängt. Atomkraft, glauben nicht wenige von ihnen, könnte uns alle durch Strahlung töten, eine weniger radikale Klimapolitik aber wird all unsere Enkel den Hitzetod sterben lassen. Viele Grüne glauben, sie seien unter Blinden die einzigen Erleuchteten. Dieses beinahe Religiöse, mit den Andersdenkenden als Ketzer, war einst auch das Markenzeichen orthodoxer Kommunisten.

Bei genauerem Hinsehen aber sind die Grünen keineswegs eine Polizeistaatspartei, im Gegenteil. Erhöhungen des Polizeietats waren mit ihnen in der Vergangenheit meist schwer zu machen. Wenn es darum geht, verurteilte Schwerkriminelle ohne Aufenthaltsrecht aus Deutschland auszuweisen, zum Beispiel Vergewaltiger, steht die grüne Basis oft eisern an deren Seite, nicht etwa hinter Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die Grünen sind in der Regel dann für Polizei und einen starken Staat, wenn es um ihr persönliches Wohlbefinden geht, gegen politische Gegner oder um ihre politischen Ziele. Dann kann ihnen der Staat gar nicht hart genug sein. Bei ihrer eigenen Klientel dagegen darf der Staat ruhig liberal sein, beim Kiffen zum Beispiel.

Sie sind nicht wirklich autoritär, nur sehr ichbezogen. Sie sind wie Kinder, die sofort zu weinen beginnen und den großen Bruder rufen, wenn jemand mal etwas Gemeines sagt. Auf ihren Wahlplakaten müsste stehen: Kinder an die Macht.

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