Scholzens Motivation ist mit rationalen Argumenten kaum zu erklären.
Denn alles, was von nun an passiert, fällt praktisch auf ihn allein und
auf die SPD zurück – die bedröppelten Grünen-Minister Habeck und
Baerbock wirkten mit ihren Stellungnahmen vom Mittwochabend ja erkennbar
desorientiert und eher wenig begeistert vom Amoklauf ihres
Regierungschefs. Scholz hatte nämlich erkannt, dass er ohne eine
grundgesetzwidrige Aussetzung der Schuldenbremse – weder die Wahl Trumps
noch der seit bald drei Jahren währende Ukrainekrieg sind
unvorhersehbare Notlagen – mit seiner Art der Politik endgültig nicht
mehr weiterkommt. Und er hat erkannt, dass die FDP ihm bei seiner
konzeptionslosen Sondervermögen-Doppelwumms-Blenderei nicht mehr
weiterhelfen würde. Also schmiss er sie beleidigt aus dem
dysfunktionalen Ampel-Bündnis heraus, in der Hoffnung…
Rot-grüne Rumpfregierung
Ja, in der Hoffnung worauf
eigentlich? Dass ohne eine liberale, den Grundsätzen der ökonomischen
Realität verpflichtete Partei jetzt plötzlich alles besser werden würde?
Mit wem will er denn den Weg gehen bis zu seiner erst für Januar
angekündigten Vertrauensfrage? Dass der FDP-abtrünnige Verkehrsminister
außer einem kurzen Symbolgewinn für die rot-grüne Rumpfregierung auch
nur ansatzweise zur Lösung wird beitragen können, ist natürlich
ausgeschlossen. Volker Wissing hat durch seinen gegenüber dem
bürgerlichen Lager provokativen Akt die Situation sogar verschärft, weil
er sich unsolidarisch zeigt und seinen (bisherigen) Parteivorsitzenden
noch angreifbarer macht, als dieser es aus Sicht der staatsgläubigen
Linken ohnehin schon ist.
Das auf Betreiben der von den Schröder-Reformen immer noch
traumatisierten SPD eingeführte „Bürgergeld“ (allein die Wortwahl ist
schon eine Verhöhnung jeglicher Bürgerlichkeit) hat sich nicht nur als
gesellschaftlicher Spaltpilz erwiesen, sondern verunmöglicht strukturell
jegliche halbwegs solide Haushaltsführung. Die Deutschen haben das
längst erkannt, schließlich handelt es sich nicht ohne Grund um eine der
unbeliebtesten „Reformen“ der Ampel-Koalition. Aber für die deutsche
Sozialdemokratie war das Bürgergeld schon aus Gründen der
Pfadabhängigkeit derart wichtig, dass eine Rückabwicklung unmöglich ist.
Nur mit neuen Schulden lässt sich diese Gesetz gewordene Lebenslüge
noch durchhalten. Was zeigt: Die im Februar 2022 vom Kanzler großmäulig
ausgerufene „Zeitenwende“ war von Anfang an nichts anderes als eine
Blendgranate.
„Staatspolitische Verantwortung“?
Dass CDU und CSU der verbliebenen Rest-Ampel nun irgendwie zur Seite springen werden, daran dürfte in Wahrheit auch der deutsche Bundeskanzler nicht glauben. Warum sollten sie es auch tun? Aus Gründen der jetzt wieder vielfach eingeforderten „staatspolitischen Verantwortung“? Das ist ein floskelhaftes Druckmittel, das von interessierter Seite immer dann in Stellung gebracht wird, wenn man sonst nicht weiter weiß. Nein, Friedrich Merz hat heute Morgen in der Fraktionssitzung die Wortwahl von Olaf Scholz in dessen gestrigem Statement offenbar als „unwürdig“ bezeichnet und klargestellt, dass er den Kanzler auffordern werde, die Vertrauensfrage spätestens in der nächsten Sitzungswoche zu stellen. Eine Aufweichung der Schuldenbremse und andere SPD-Vorhaben, wie der Kanzler sie sich offenbar vorstellt, werde die Union nicht mittragen, so der Kanzlerkandidat der Unionsparteien.
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