15 November 2024

Satire und die Grenzen der Meinungsfreiheit - Schwachkopf und Minister (Cicero)

"Man stelle sich vor, was los gewesen wäre in den deutschen Medien, wenn man einen amerikanischen Rentner mit einer Tochter mit Down-Syndrom mit Polizisten morgens aus dem Bett gejagt hätte, weil er zB Trump einen #Schwachkopf via Meme-Retweet genannt hätte." Ulf Porschadt, Chefredateur WELT
Für ihn ist Kritik Majestätsbeleidigung
So professionell ist er gar nicht. Joachim Nikolaus Steinhöfel: "Das ist doch ein toller Erfolg für Küchenkanzler Robert Habeck. Gibt man "Schwachkopf" bei Google ein, rangiert die grüne Lichtgestalt unangefochten auf allen vorderen Plätzen. Gut gemacht Robert. Du bist halt ein richtiger Könner, ein Profi durch und durch."
Satire und die Grenzen der Meinungsfreiheit -

Schwachkopf und Minister (Cicero)
In einem satirischen Mem wird Robert Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnet. Das nimmt er übel und setzt die Justiz in Marsch. Ein überempfindlicher Minister und eine übereifrige Justiz – das ist im Rechtsstaat und in der Demokratie eine toxische Mischung.
VON VOLKER BOEHME-NESSLER am 15. November 2024 6 min
Ein Bürger teilt ein Mem auf einem sozialen Medium. Auf den ersten Blick ist es harmlos. Schaut man näher hin, ist es frech und kritisch. Das Mem besteht aus einem typischen Robert-Habeck-Foto; der Minister ist mit vollem, kunstvoll verwuscheltem Haar zu sehen. Ergänzt wird das Foto durch das Logo der Haarpflegefirma Schwarzkopf. Der traditionelle Werbespruch ist allerdings verändert: Statt „Schwarzkopf Professional“ heißt es jetzt: „Schwachkopf Professional“. Der Minister fühlt sich beleidigt und nimmt übel. Persönlich stellt er Strafanzeige. 
Das übliche Vorgehen der Justiz in einem solchen Fall: Polizei oder Staatsanwalt schreiben den Verdächtigen an, informieren ihn über die Anzeige und die Ermittlungen und geben ihm Gelegenheit, sich zum Tatvorwurf zu äußern. Wenn ein Minister persönlich Anzeige erstattet, läuft es anders. Der zuständige Staatsanwalt beantragt beim Amtsgericht Bamberg einen Hausdurchsuchungsbefehl. Und er bekommt ihn sogar. Die Polizei klingelt den Beschuldigten morgens um sechs aus dem Bett, durchsucht das Haus und beschlagnahmt Handys und Computer.
Verhältnismäßigkeit – ein Fremdwort für die Justiz in Bamberg?
Das Strafrecht ist das schärfste Schwert des Staates. Im Rechtsstaat darf es die Justiz nur sehr vorsichtig einsetzen. Ihr Handeln muss verhältnismäßig sein – immer. Eine Hausdurchsuchung ist ein schwerer Eingriff in Grundrechte. „Die Wohnung ist unverletzlich“, heißt es klar und eindeutig in Art. 13 des Grundgesetzes. Die private Wohnung dient der Menschenwürde und der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht begreift die Wohnung als einen „elementaren Lebensraum“. Trotzdem kann der Staat ausnahmsweise in das Grundrecht eingreifen, aber nur unter strengen Voraussetzungen und strikt verhältnismäßig. Wenn es ein Richter erlaubt, dürfen Polizei und Staatsanwaltschaft eine Wohnung durchsuchen, um Personen zu finden oder Beweise zu sichern.

War das hier wirklich nötig? Die Polizei kannte den Account und die Identität des Bürgers. Dass er das Mem verbreitet hat, war ohne Probleme zu beweisen. Er hat die Tat noch nicht einmal geleugnet. Wozu brauchte man weitere Beweise? Die Hausdurchsuchung war völlig unverhältnismäßig. Angemessen – und üblich – wäre es gewesen, den Bürger auf die Polizeiwache zu laden und dort zu befragen, gerne in Anwesenheit eines Anwalts. Staatsanwälte, die übereifrig in Grundrechte eingreifen, will der Rechtsstaat nicht.

Meinungsfreiheit in der Demokratie

Ohne Meinungsfreiheit gibt es keine Demokratie. Das Bundesverfassungsgericht hält die Meinungsfreiheit für „schlechthin konstituierend“. Der demokratische Diskurs ist nichts wert, wenn es keine Meinungsfreiheit gibt. Angepasste Mainstream-Meinungen nachzuplappern, hilft der Demokratie nicht. Deshalb schützt das Grundgesetz die Meinungsfreiheit sehr stark. Meinungsäußerungen sind geschützt, unabhängig davon, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos sind. Und wie selbstverständlich betont das Verfassungsgericht, dass auch verfassungswidrige Meinungen von der Verfassung geschützt werden. Das ist die demokratisch-souveräne Haltung des Grundgesetzes.

Trotzdem hat die Meinungsfreiheit – wie andere Grundrechte auch – Grenzen. Wenn die Meinung eine Beleidigung ist, ist die Grenze überschritten. Aber ob etwas, das man sagt, eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne ist, ist Auslegungssache. Dabei ist die Wertung des Grundgesetzes der Leitfaden. Staatsanwälte und Richter, die das Strafgesetzbuch anwenden, müssen immer die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie beachten. Konkret bedeutet das: Im Zweifel ist eine Meinungsäußerung eine Meinungsäußerung und keine Beleidigung.

Satire und ihre Grenzen

Das Schwachkopf-Mem ist auch Satire. Es ist Kritik an der Macht, verfremdet, zugespitzt, übertreibend, ein bisschen böse, künstlerisch bearbeitet. „Was darf die Satire?“, fragt Kurt Tucholsky 1919 im Berliner Tageblatt. Seine klare Antwort: „Alles“. Ganz so großzügig ist das Grundgesetz nicht. Aber der verfassungsrechtliche Schutzbereich der Kunstfreiheit – und Satire kann auch Kunst sein – reicht sehr weit. Das Grundgesetz schützt die Kunst noch deutlich stärker als die Meinung. Sie kann allenfalls durch andere Werte der Verfassung eingeschränkt werden. Kunstfreiheit kommt noch nicht einmal dann an ihre Grenze, wenn sie die Persönlichkeitsrechte anderer Menschen berührt. Erst wenn sie Persönlichkeitsrechte schwer verletzt und die Menschenwürde betrifft, überschreitet sie sicher ihre Grenze und wird unzulässig. Das ist wichtig für die Justiz. Wenn sie das Strafrecht anwendet, muss sie diesen extrem ausgeprägten Schutz der Kunstfreiheit beachten.

Was heißt das konkret? Bis man Satire als Beleidigung im strafrechtlichen Sinne werten kann, muss viel passieren. Freche, übergriffige, wütende, niveaulose, ungerechte, vielleicht auch gemeine Kritik in satirischer Form ist noch lange keine Beleidigung. Das satirische Schwachkopf-Mem, um das es hier geht, ist vor diesem Hintergrund sicher keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinn.

Machtkritik und ihre Grenzen

Ohne eine harte Auseinandersetzung in der Öffentlichkeit über politische Probleme ist Demokratie nicht denkbar. Machtkritik ist ein unverzichtbares Element der Demokratie. Deshalb sind die Grenzen der Meinungsfreiheit und der Satire bei politischer Kritik noch viel weiter gezogen. Politiker darf man auch überzogen oder ausfällig kritisieren. Ob die Kritik sachlich berechtigt oder niveauvoll ist, ist nach Auffassung der Verfassungsrichter in Karlsruhe unerheblich. Wer in der politischen Arena auftritt, muss mehr Kritik einstecken als der Normalbürger.

Trotzdem muss sich ein Minister nicht alles gefallen lassen. Wenn es nur noch um Diffamierung oder Erniedrigung geht, ist die Grenze erreicht. Dann wird die Meinungsäußerung zur strafbaren Schmähkritik und Beleidigung. Ist das Schwachkopf-Mem eine solche Schmähkritik? Sicher nicht. Es ist satirische Kritik an einem Minister. Das muss er aushalten, sagt die Verfassung.

Empfindlichkeit und Einschüchterung

Die Strafanzeige von Robert Habeck hat nicht nur eine juristische Dimension, sondern auch eine politische. Medienberichte sprechen davon, dass der Wirtschafts- und Klimaminister seit April 2023 700 Anzeigen wegen Beleidigung gegen Bürger gestellt hat. Das sagt etwas über seine Persönlichkeit und seine politischen Grundeinstellungen aus. Er ist überempfindlich, verträgt keine Kritik und hat einen zutiefst autoritären Reflex. Ein Minister braucht ein Minimum an Souveränität. Er muss Kritik ignorieren können. Er muss sie mit Argumenten in der öffentlichen Debatte entkräften, nicht mit strafrechtlicher Verfolgung unterdrücken. Und im Idealfall nimmt er seinen Kritikern mit guter Politik den Wind aus den Segeln. 

Robert Habeck hat diese Souveränität nicht. Er begreift Kritik als Majestätsbeleidigung. Bürger mit Anzeigen einzuschüchtern, ist eines demokratischen Ministers unwürdig. Das tun nur Politiker in autoritären Staaten. Robert Habeck hat das offensichtlich nicht verstanden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen