26 November 2024

Elon Musk als Vorbild - Nur ein Politik-Außenseiter kann die Bürokratie wirklich eindämmen (Cicero+)

Elon Musk als Vorbild
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Nur ein Politik-Außenseiter kann die Bürokratie wirklich eindämmen (Cicero+)
Der Unternehmer Elon Musk soll für Präsident Donald Trump die Bundesverwaltung in den USA radikal verkleinern. Das mit neuen Beamten durch die Ampel überversorgte Deutschland sollte sich genau anschauen, was in Amerika jetzt geschieht.
VON FERDINAND KNAUSS am 26. November 2024 7 min
Elon Musk, der wohl erfolgreichste, jedenfalls prominenteste Unternehmer der Welt, wird schon bald die USA mitregieren. Als Beauftragter des gewählten Präsidenten Donald Trump zur Verringerung der Bürokratie in der Bundesverwaltung hat er nun gemeinsam mit seinem Co-Beauftragten Vivek Ramaswamy im Wall Street Journal die ersten Maßnahmen angekündigt. Der Text ist eine klare Kampfansage an den bestehenden Regierungsapparat. Trump und Ramaswamy schreiben: 

„Die meisten staatlichen Entscheidungen und Ausgaben nach Ermessen werden nicht vom demokratisch gewählten Präsidenten oder seinen politischen Vertretern getroffen, sondern von Millionen nicht gewählter, nicht ernannter Beamter in den Regierungsbehörden, die sich dank des Beamtenschutzes als immun vor Kündigungen betrachten. Das ist undemokratisch und widerspricht der Vision der Gründerväter. Es bedeutet für die Steuerzahler massive direkte und indirekte Kosten. Zum Glück haben wir eine historische Chance, das Problem zu lösen.“ 

Und die beiden Großunternehmer und Seiteneinsteiger ins Regierungsgeschäft machen auch klar, dass sie gerade als solche – als Nicht-Politiker – diese Aufgabe erledigen können. Ihr neues „Department of Government Efficiency“ (DOGE) soll also kein Ministerium wie die bisherigen sein: 

„Die festgefahrene und ständig wachsende Bürokratie stellt eine existenzielle Bedrohung für unsere Republik dar, und die Politiker haben ihr zu lange Vorschub geleistet. Deshalb machen wir es anders. Wir sind Unternehmer, keine Politiker. Wir werden als externe Freiwillige arbeiten, nicht als Bundesbeamte oder Angestellte. Anders als Regierungskommissionen oder beratende Ausschüsse werden wir nicht nur Berichte schreiben oder Bänder durchschneiden. Wir werden die Kosten senken.“

Einem Unternehmer ein hohes politisches Regierungsamt anzuvertrauen, scheint für den deutschen und auch den EU-Politikbetrieb kaum vorstellbar. Als in Brüssel ein (unbezahlter) Leiter einer Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission zum Abbau der Bürokratie eingestellt wurde, war das der langjährige Berufspolitiker und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Verkleinert wurde die dortige Beamtenschaft nach Ende seiner siebenjährigen Amtszeit bekanntlich nicht.

Denn wenn die EU-Kommission von Bürokratieabbau spricht, meint sie „die Vereinfachung der Vorschriften“ und setzt sich das Ziel, für Unternehmen „die mit den Berichtspflichten verbundenen Belastungen um 25 Prozent zu verringern“. Wie man Berichtspflichten in Prozent quantifizieren will, werden wohl nur die Brüsseler Bürokraten selbst ermessen können. In europäischen Unternehmen und bei den Steuerzahlern dürfte sich die Vorfreude auf die von der Kommission versprochene „Konsolidierung sich überschneidender Verpflichtungen, die Verringerung der Anzahl der betroffenen Unternehmen und die Steigerung der Digitalisierung“ in Grenzen halten. 

Nicht die Akten, die Bürokraten sind das größte Problem

In Deutschland und Europa will die Politik unter Bürokratieabbau also den Kampf gegen komplizierte Vorschriften verstehen. Tatsächlich besteht aber die schwerste Last der Bürokratie – vor allem für die Steuerzahler – nicht aus papierenen oder elektronischen Akten, sondern aus den Menschen, die diese Akten produzieren, also in den Büros herrschen (griechisch: „kratein“). Dass aber irgendeiner dieser Büroherrscher möglicherweise auf seinen meist überdurchschnittlich hoch und steuerfrei vergüteten Posten verzichten sollte, will jedenfalls vermutlich niemand in der Kommission wirklich.

Auch die Noch-Bundesregierung tat genau das Gegenteil: Gegenüber 2021 ist die Zahl der Beamtenstellen bis zum Haushalt 2024 um 11.507 gewachsen, ein Plus von 6,3 Prozent. In den Bundesministerien wuchs sie sogar um 8,4 Prozent. Und die Ausgaben für Personal wuchsen sogar um 20 Prozent von knapp 36 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf über 43 Milliarden Euro 2024. Die Regierenden gönnen sich also nicht nur mehr Beamte, sondern diesen auch im Durchschnitt mehr Steuergeld.    

Dass regierende Politiker ein Eigeninteresse an möglichst vielen Beamten haben, liegt auf der Hand: Menschen in den eigenen Dienst zu nehmen, die machen müssen, was man will, und sie dafür von anderen ungefragten Menschen (nämlich den Steuerzahlern), bezahlen zu lassen, ist die unmittelbarste Form des Machtgenusses. Dankbare Anhänger (in der Regel sind es Parteifreunde) mit gut bezahlten, unkündbaren Führungsposten in der Bundesverwaltung zu versorgen, die ihrerseits dann vielleicht auch dankbare Referenten einstellen können, gehört zweifellos zu den großen Freuden der Mächtigen.

Für Regierungspolitiker bedeuten neue Beamte mehr Macht

Unternehmern und Managern macht das Einstellen von Angestellten sicher auch viel mehr Freude, als solche zu feuern. Aber noch größere Freude macht diesen die Maximierung des Unternehmensgewinns und die Vermeidung von Verlusten. Die Besitzer der Unternehmen bezahlen schließlich das Personal selbst. Regierungspolitikern kommt aber fast nie die Verringerung ihrer Belegschaft, nämlich der Beamtenschaft, unmittelbar zugute. Jedenfalls solange die Kosten für sie nicht im Fokus der öffentlichen Debatte stehen. Ein wirklicher Bürokratieabbau ist daher in der Geschichte der modernen Staatenwelt sehr selten. Stattdessen wirkt in der Regel das von Adolph Wagner 1892 formulierte „Gesetz der wachsenden Ausdehnung der öffentlichen und speziell der Staatstätigkeit“.

In einem Unternehmen haben die Eigentümer ein Interesse an weniger Personal, also auch an weniger Bürokratie. Was zwar nicht heißt, dass es dort keine gibt. Bezeichnenderweise gibt es diese vor allem in Großunternehmen, wo die Besitzer als Aktionäre weit weg und damit im Unternehmensalltag eher ein Abstraktum sind, das die (selbst angestellten) Topmanager nicht direkt kontrolliert. Im Staat hat der Souverän, also das Volk, dieses Interesse an geringen (Personal-)Kosten zwar eigentlich auch, aber nicht die Regierungspolitiker.

Denn was für den Souverän Kosten bedeutet, bedeutet für Regierungspolitiker mehr Macht(möglichkeiten). Und die steuerzahlenden Bürger sind für die Regierenden und ihre Bürokraten noch weiter weg und noch viel abstrakter als die Aktionäre für den Vorstand einer Aktiengesellschaft. Kaum ein Regierungspolitiker muss seinem Souverän, also den Wählern, wirklich persönlich und unmittelbar Rechenschaft ablegen über die Kosten, die seine aufgeblähte Verwaltung bereitet. Im Zweifel ist es für ihn angenehmer, neue Staatsschulden aufzunehmen oder die Steuern zu erhöhen, als auf Ausgaben für seine Beamtenklientel zu verzichten.

Kurz gesagt: Nur Neulinge und vor allem Außenseiter des Politikbetriebs bringen in aller Regel überhaupt ein aussichtsreiches Maß an Unabhängigkeit und Eigeninteresse mit, um Bürokraten zu entlassen – oder zumindest dafür zu sorgen, dass freigewordene Posten nicht wieder besetzt werden. Mit den Unternehmern Musk und Ramaswamy im Auftrage des Ex-Unternehmers Donald Trump könnten die USA in den kommenden vier Jahren ein seltenes Beispiel dafür geben. 

Deutschland sollte unvoreingenommen auf Musk schauen

Der letzte Wirtschaftsführer, der in Deutschland im Auftrag einer Regierung große Politik machte, und zwar erfolgreich, war Peter Hartz, der für Gerhard Schröder wesentliche Teile seiner Agenda 2010 konzipierte. Und die nach Hartz benannten Reformen des Sozialstaats und der Arbeitsmarktpolitik hatten bekanntlich tiefgreifende Wirkung. Allerdings so verzögert (was nicht anders zu erwarten war), dass nicht mehr Schröder, sondern die nachfolgenden Merkel-Regierungen den politischen Lohn einfuhren – und es sich daraufhin gleich leisten zu können meinten, die Reformen de facto abzubauen. Das Bürgergeld ist sozusagen das Gegenteil der Hartz-Reformen. 

20 Jahre nach den Hartz-Reformen und angesichts des unleugbaren ökonomischen und auch sozialstaatlichen Desasters, das deren Abwicklung bei gleichzeitigem Aufwuchs des riesigen Beamtenheeres in Berlin bewirkt hat, wäre es für das gescheiterte Post-Merkel- und Post-Ampel-Deutschland angemessen, die bevorstehenden Taten der Trump-Regierung und vor allem Musks in den USA unvoreingenommen zu beobachten. Politische Klugheit besteht nicht zuletzt darin, nachzuahmen, was andere Länder erfolgreich macht, selbst wenn man deren Akteure möglicherweise nicht sehr sympathisch findet.

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