26 November 2024

The Pioneer - Deutschland: Abstieg einer Industrienation

Business Class Edition
Deutschland: Abstieg einer Industrienation
Guten Morgen,
die Politiker pokern noch um die Macht, derweil Tausende von Beschäftigten ihre Jetons schon verloren haben. Sie müssen ihren Platz am Spieltisch der Volkswirtschaft verlassen, einige auf Nimmerwiedersehen.
Trotz Facharbeitermangel wird Deutschland von einer heftigen Entlassungswelle heimgesucht. Jene Generation von Beschäftigten, die das Wort Arbeitslosigkeit aus eigenem Erleben nicht mehr kannte, muss sich nun eines anderen belehren lassen.
Düstere Worte kriechen aus den Überschriften der Zeitungen in das eigene Leben hinein: Arbeitsplatzabbau. Werksschließung. Gehaltsverzicht. Die Flut der schwierigen Nachrichten reißt nicht ab:
Der Volkswagen-Konzern erwägt, so berichtet es Betriebsratschefin Daniela Cavallo, in Deutschland drei Werke zu schließen. Vermutet wird, dass die Standorte Dresden, Osnabrück und Emden betroffen sind. Zudem könnten alle verbleibenden Werke verkleinert werden. „Keines ist sicher“, sagt Cavallo, die auch dem Aufsichtsrat der Autofirma angehört.

Die BASF hat angekündigt, weltweit 2.600 Stellen zu streichen, einen erheblichen Teil davon in Deutschland. Zudem werden einzelne Produktionsanlagen, zum Beispiel für Ammoniak, Methanol und Melamin am Standort Ludwigshafen, geschlossen.

Thyssenkrupp Steel: In der Stahlsparte des Konzerns sollen 5.000 Stellen bis Ende 2030 abgebaut und 6.000 weitere Arbeitsplätze ausgelagert werden. Insgesamt würde die Belegschaft im Ruhrgebiet damit von aktuell 27.000 auf 16.000 nahezu halbiert.

ZF Friedrichshafen: Der Automobilzulieferer plant, bis zu 14.000 Stellen in Deutschland abzubauen. Außerdem sollen nach eigenen Angaben 1.500 Mitarbeiter in Kurzarbeit gehen.

Schaeffler: Auch bei dem globalen Autozulieferer-Konzern könnten nach der Fusion mit Vitesco womöglich europaweit 4.700 Arbeitsplätze wegfallen, davon 2.800 Mitarbeiter in zehn Standorten in Deutschland.

Bosch beabsichtigt, weltweit 5.550 Stellen zu streichen, davon 3.800 in Deutschland.

Ford: Der US-Autobauer plant, bis Ende 2027 in Deutschland 2.900 Stellen abzubauen, hauptsächlich im Kölner Werk.

Continental: Der Automobilzulieferer schließt Werke in Wetzlar und Schwalbach, was zum Verlust von 1.200 Arbeitsplätzen führt.
Die Bayer AG, die in diesem Jahr rund 42 Prozent ihres Börsenwertes verloren hat, will weltweit Kosten sparen. „Im Vergleich zum Jahresanfang gibt es 5.500 weniger Stellen im Unternehmen“, sagte Vorstandschef Bill Anderson nach dem dritten Quartal in diesem Jahr – und er will weitermachen.

Goodyear: Der Reifenhersteller schließt sein Werk in Fulda, wodurch über 1.000 Stellen wegfallen.

Miele: Der Haushaltsgerätehersteller plant, bis 2028 rund 1.300 Stellen in Deutschland abzubauen, davon 700 am Traditionsstandort Gütersloh.


Toxischer Cocktail:
Eine gescheiterte Bundesregierung hinterlässt ein Land in der Stagnation. Die Bürokratie mit ihrem Festival neuer Berichtspflichten ist den Unternehmern über den Kopf gewachsen. Die Digitalisierung kommt nur im Kriechgang voran, im öffentlichen Dienst de facto gar nicht.

Bei der Elektrifizierung der Automobile sind andere schneller und billiger. Die Volkswagen AG – der nationale Flagship-Store der SPD mit hohen Löhnen bei minimaler Arbeitszeit – atmet nur noch flach. Die gesamte Pkw-Produktion liegt in Deutschland in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um knapp 13 Prozent unterhalb des gleichen Zeitraums im Vorkrisenjahr 2019.

Der Kern vom Kern der Probleme liegt in der Energiebasis des Landes: Für den Bau einer zweifachen Energieversorgung – die nicht grundlastfähigen regenerativen Energien müssen durch Kohleverstromung und den Neubau von Gaskraftwerken abgesichert werden – müssen innerhalb der kommenden 20 Jahre Billionenbeträge ausgegeben werden. Diese schlagen sich in der volkswirtschaftlichen Bilanz als Kosten nieder, zunächst ohne „return on investment“.

Viele Unternehmen können diese grünen Investitionen und die dadurch erhöhten Energiekosten aus dem Cashflow nicht finanzieren und verlassen das Land. Professor Hans-Werner Sinn sagt:
                                          "Deutschland verordnet sich eine Deindustrialisierung."
Fazit: Deutschland schafft sich nicht ab. Aber Deutschland erodiert. Die Wirtschaftswende ist in dieser Situation keine politische Forderung mehr, sondern eine nationale Notwendigkeit.

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