50 Prozent ist auch eine
brutale Zahl. Wer nach acht Jahren noch keine Arbeit gefunden hat, bei
dem besteht wenig Hoffnung, dass er sie im Jahre neun oder zehn finden
wird. Sehr viel mehr spricht für die Aussicht, dass er sich, selbst wenn
er im Besitz zweier gesunder Hände und eines breiten Kreuzes sein
sollte, weiterhin auf die Hilfsbereitschaft anderer verlässt.
Stille Debatte über Ausländerpolitik
Deutschland
diskutiert mal wieder über die Ausländerpolitik. Es ist dieses Mal eine
stille Debatte, sie findet abseits der großen Medien statt. Wenn sich
die Kommunalpolitiker mit dem Kanzler zum Flüchtlingsgipfel treffen,
erreicht sie die ersten Seiten der Zeitungen. Dann wird sie wieder von
anderen Themen verdrängt.
Dabei handelt es sich bei den
Sozialleistungen, die der deutsche Staat gewährt, um keine Kleinigkeit.
46 Milliarden haben wir im vergangenen Jahre für die sogenannte
Grundsicherung ausgegeben, das ist fast so viel wie für die
Landesverteidigung. Mit der Umstellung auf das Bürgergeld kommen noch
einmal fünf Milliarden hinzu, so steht es im Haushaltsentwurf. Schon der
Begriff Bürgergeld ist allerdings irreführend. 45 Prozent der
Bürgergeldempfänger besitzen gar keinen deutschen Pass. Man kann
natürlich jeden als Bürger bezeichnen, der sich in Deutschland aufhält,
aber damit bewegt man sich zumindest außerhalb des Grundgesetzes.
Integration in deutschen Arbeitmarkt mangelhaft
Was
läuft da schief? Es ist ja richtig, dass wir Leute brauchen, die mit
anpacken. Überall werden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Das ist
auch das Argument, das sofort fällt, wenn es um die Migration geht:
Deutschland sei auf Einwanderung dringend angewiesen. Aber offenbar
gelingt es uns nicht oder nur sehr schlecht, die Menschen, die nach
Deutschland kommen, dann auch in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Am
Wochenende hat Justizminister Marco Buschmann das neue
Einbürgerungsgesetz, das den Erwerb eines deutschen Passes einfacher
machen soll, so kommentiert: „Wir machen die Einbürgerung für Menschen
leichter, die von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Die Regeln für
Menschen, die vom Sozialstaat leben, werden verschärft.“ Das sei
Nazi-Sprache, hieß es darauf. Von „Parasiten-Semantik“ sprach das linke
Gewissen der „FAZ“, der Kölner Salonradikale Patrick Bahners. Jede
Einwanderung in den Arbeitsmarkt sei automatisch eine Einwanderung in
den Sozialstaat, da Deutschland per Grundgesetz ein sozialer Bundesstaat
sei.
Man kann sich immer dumm stellen. Oder alle für dumm verkaufen,
denen man eben noch erklärt hat, wie wichtig Einwanderung für die
Stabilisierung der Rente sei. Wie wohl die Reaktion ausfiele, wenn der
Bundeskanzler den Leuten erklären würde, dass selbstverständlich auch
jeder als Zuwanderer willkommen sei, der beschlossen habe, dass ihm das
Bürgergeld zum Leben reicht? In den Talkrunden, in denen ich sitze, ist
davon jedenfalls nie die Rede.
Einwanderung wird in den USA weniger hitzig diskutiert - aus einem Grund
Ich
habe vier Jahre in den USA gelebt. In Amerika kommen jede Woche
Tausende über die Grenze, daran kann kein Zaun etwas ändern. Dennoch hat
die Diskussion über die Einwanderung nie die Hitzigkeit wie bei uns
erreicht. Ein Grund ist, dass die USA zwar relativ lax sind, was den
Schutz ihrer Grenze angeht, aber ziemlich rigide, was staatliche Hilfen
betrifft. Es gibt sie praktisch nicht. Der Mexikaner, der sich ins Land
schleicht, muss sehen, wie er zurechtkommt. Da die meisten Menschen
findig sind, wenn ihnen nichts anderes bleibt, als sich anzupassen, gibt
es auch relativ wenig Integrationsprobleme.
Wir müssen das
System vom Kopf auf die Füße stellen. Ich wäre dafür, die
Sozialleistungen für Zuwanderer radikal zu kürzen. Jeder, der sich legal
in Deutschland aufhält, bekommt sofort eine Arbeitsgenehmigung. Im
Gegenzug entfallen alle Subsidien, es sei denn, jemand ist zu krank oder
zu alt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Das kann man harsch finden.
Aber es ist deutlich weniger harsch, als Flüchtlinge aus Angst vor den
Kosten in Lager zu pferchen, damit sie Deutschland nie erreichen.
Aberwitzige Hürden für Asylbewerber vor Aufnahme einer Arbeit
Wir
haben zum Teil aberwitzige Hürden errichtet, um Asylbewerber von
geregelter Arbeit fernzuhalten, auch das gehört zur Wahrheit. In den
Ausländerbehörden klammern sie sich an die Fiktion, dass die Flüchtlinge
selbstverständlich wieder in ihre Heimat zurückkehren werden, sobald
der Fluchtgrund entfallen ist. Deshalb wird alles getan, um zu
verhindern, dass sie hier Wurzeln schlagen.
Eine der stärksten
Wurzeln ist eine Arbeitsstelle. Von hier aus bilden sich
Bekanntschaften, Freundschaften, Nachbarschaften. Irgendwann gehört man
dazu. Weil wir nicht wollen, dass jemand dazugehört, solange wir nicht
entschieden haben, dass er sich dazugehörig fühlen darf, sperren wir ihn
lieber in einer Unterkunft ein, wo er den lieben langen Tag an die Wand
starrt.
Wir sind auch erstaunlich hartherzig, wenn es darum
geht, noch die absurdesten Regeln durchzusetzen, wenn wir sie
durchsetzen können. Im „Spiegel“ stand neulich die Geschichte eines
14-jährigen Mädchens aus dem Jemen, das in Pinneberg eine neue Heimat
gefunden hatte. Das Mädchen hatte alles richtig gemacht. Es war fleißig,
wissbegierig, zielstrebig. Sie lernte schnell Deutsch. Sie wurde zur
Schülervertreterin gewählt. Nach dem Abitur wollte sie Elektrotechnik
studieren. Der Markt an Elektrotechnikern ist in Deutschland leer
gefegt.
Wir schieben die Falschen ab
Dann kam sie eines
Morgens nicht mehr zur Schule. Die Polizei war nachts erschienen und
hatte sie und ihre Mutter mitgenommen. Da die beiden über Rumänien nach
Deutschland gekommen seien, müssten sie zurück nach Rumänien, um sich
dort um Asyl zu bemühen, hatte jemand in der Verwaltung nach drei Jahren
befunden. „Was ist das für eine Politik? Warum drei Jahre investieren
und dann wegwerfen?“, schrieb die Klassenlehrerin an die Behörde. „Das
ist ein absoluter Widerspruch in allen Debatten über die Asylpolitik.
All die Rufe nach Integration und Fachkräften sind nichtig, wenn wir uns
diesen Fall anschauen.“
Warum es immer das Mädchen aus dem Jemen
trifft und nicht den Tunichtgut aus Gambia? Es ist viel einfacher, die
ordentlich integrierte Musterschülerin ins Flugzeug zu setzen als den
Unruhestifter. Die Musterschülerin muss man nur an der Haustür abpassen,
wenn sie vom Unterricht nach Hause kommt. Die Ausweispapiere liegen
selbstverständlich griffbereit in der obersten Schublade im Flur. Sie
hat auch nicht ihren Namen vergessen oder wann sie geboren wurde oder
aus welchem Land sie stammt. Sie will ja hier ankommen, also hält sie
sich an die Regeln. Das wird ihr dann zum Verhängnis.
Da ist der
Drogenhändler aus Gambia, der im Stadtpark seinen dunklen Geschäften
nachgeht, cleverer. Stammt er überhaupt aus Gambia? Das soll man ihm
erst einmal nachweisen! Und wenn es gelingt, dann wird seine Botschaft
schon dafür sorgen, dass er Deutschland nicht so schnell verlässt. Warum
jemanden zurücknehmen, der in Deutschland doch sehr viel besser
aufgehoben ist als in seiner afrikanischen Heimat?
Wir belohnen
Menschen, von denen wir uns Unterstützung erwarten, fürs Nichtstun und
schieben die Falschen ab. Die deutsche Ausländerpolitik ist wirklich
absurd.
Ich werte Medien aus, die nicht unbedingt den Mainstream-Medien entsprechen
30 Mai 2023
Die FOCUS-Kolumne von Jan Fleischhauer - Deutschland absurd: Wir belohnen die Faulen und schieben die Falschen ab
Die FOCUS-Kolumne von Jan Fleischhauer -
Deutschland absurd: Wir belohnen die Faulen und schieben die Falschen ab
27.05.2023
Lassen Sie mich mit einer Zahl beginnen. Fast die Hälfte der
Flüchtlinge, die 2015 zu uns kamen, lebt von Hartz IV oder wie es jetzt
vornehm heißt: von Bürgergeld. Also der Zuwendung von Menschen, die
arbeiten, damit andere nicht arbeiten müssen.50 Prozent ist eine
erstaunlich hohe Zahl. Es sind acht Jahre vergangen, seit sich der
große Flüchtlingstreck aus Syrien in Marsch setzte und dann in
Deutschland wieder zum Halten kam. Acht Jahre, in denen man Sprach- und
Integrationskurse hätte belegen können oder mutmaßlich sogar belegt hat.
In denen man eine Familie gründen, Kinder großziehen und Anschluss an
die deutsche Gesellschaft finden konnte.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen