Mit Schuldgefühlen und Kompost-Orden sollen die Deutschen zum Klimaschutz gedrängt werden (NZZ)
Erleichtern, das klingt nett.
Was sich hinter den passiv-aggressiven Euphemismen der «Erleichterung» und der «Unterstützung» verbirgt, wird bei genauerem Lesen offenbar: So weisen die Gutachter darauf hin, dass die Grundrechte «tendenziell stärkere Eingriffe in umweltschädigende Verhaltensweisen» erlaubten, als «im politischen Diskurs häufig angenommen» werde.
Mitunter liest sich das Gutachten wie ein Erziehungsratgeber: So könne «Feedback zur Beeinflussung des Verhaltens» eingesetzt werden, um «bei umweltschädlichem Verhalten Schuldgefühle» hervorzurufen. Ein Beispiel: Angaben zum Stromverbrauch benachbarter Haushalte auf der Stromrechnung sollen als Anreiz dienen, den eigenen Stromverbrauch zu senken.
Influencer und Aufkleber
Wer sich bereits umweltfreundlich verhalte, etwa Gemüseabfälle kompostiere, könne «Aufkleber oder T-Shirts mit entsprechenden Slogans» erhalten und so «in der Nachbarschaft über persönliche Kontakte für das Verhalten» werben. Um Jugendliche zu erreichen, schlägt das Gutachten die Zusammenarbeit von Behörden mit «Influencer:innen» vor.
Als Vorbild dient den Autoren die Corona-Pandemie: Am Beispiel der Ausgeh- und Kontaktverbote zeige sich, wie Einschränkungen in Bedrohungssituationen zur «Bekämpfung einer kollektiven Problemlage» genutzt werden könnten. Ähnlich wie in der Pandemie, als das Überleben der Alten gegen die Freiheit der Jungen ausgespielt wurde, wird die Freiheit und Gesundheit der kommenden Generationen als Argument angeführt, um «umweltpolitische Massnahmen» zu rechtfertigen.
Statussymbole des Klimaschutzes
Das Gutachten offenbart zweierlei: Erstens markiert es eine Rückkehr zur Individualisierung der Klimapolitik, gegen die Teile der Umweltbewegung in den letzten Jahren zu Recht gekämpft haben, weil sie von Grundsatzfragen (wer bezahlt die Energiewende? Atomenergie – Ja oder Nein?) ablenkt.
Das Gutachten rät der Politik zu einem übergriffigen Mikromanagement, das die Bürger anleitetet, wie sie den Kapitalismus im Alltag angeblich austricksen können. Dabei bewirkt man jedoch das Gegenteil: Privilegierte Eigenheimbesitzer klimpern mit ihren Umweltorden wie einst Offiziere in Salons, vermeintliche CO2-Reduktion wird zum Distinktionsmerkmal einer klimapolitischen Statusgesellschaft.
Zweitens illustriert das Gutachten die Selbstreferenzialität der Klimapolitik: Im Namen einer ökologischen haben die grünen Eliten eine politische Kreislaufwirtschaft geschaffen. Aktivistisch angehauchte Wissenschafter und Berater fertigen auf Geheiss der Politik Gutachten an, die Politikern dann als Legitimation dienen, um den eigenen Plänen das Siegel der wissenschaftlichen Alternativlosigkeit aufzuprägen.
Muss man darum an der Unabhängigkeit zweifeln, die der Sachverständigenrat auf seiner Website hervorhebt? Mitnichten. Die Ideologisierung von Teilen der Wissenschaft ist längst so weit vorangeschritten, dass es keine Einflussnahme braucht, um Ergebnisse zu erzielen, die auf Entmündigung hinauslaufen. Man hätte das Gutachten auch weniger nett, aber ehrlicher betiteln können: «Politik in der Pflicht, den Bürger in die Pflicht zu nehmen.»
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