Wie ein Fähnchen im Wind (Cicero)
Niedertracht und Menschenopfer
Eine in dieser Hinsicht nachgerade zeithistorische Episode brachte Habeck am Mittwochabend mit seinem Auftritt in den Tagesthemen über die Bühne. Also nur einige Stunden, nachdem er selbst und sein skandalträchtiger Staatssekretär Patrick Graichen vor den Energie- und Klimaausschuss des Bundestags zitiert worden waren, um sich für das Auswahlverfahren zur Besetzung des Spitzenpostens bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zu rechtfertigen (bei dem sich bekanntlich Graichens Trauzeuge und langjähriger Freund Michael Schäfer unter noch zu klärenden Umständen durchgesetzt hatte). Habeck im Fernsehinterview: Mit „Böswilligkeit“ und „Lügen“ solle die „Dekarbonisierung im Wärmebereich verhindert“ werden – und da sei er als Minister nicht bereit, „Menschen zu opfern, um dieser Kampagne nachzugeben“.
Niederträchtige Gegner, die ein Menschenopfer fordern: Das hat schon beinahe biblisches Ausmaß – mit Habeck und seinen Jüngern in der Rolle der Heiligen. Diese Darbietung kam allerdings selbst dem Moderator Ingo Zamperoni derart dick aufgetragen vor, dass er sich an mehreren Stellen ein maliziöses Lächeln nicht verkneifen wollte. Sein Gesprächspartner kam mit der bisher erfolgreichen Mischung aus vermeintlicher Aufrichtigkeit, weinerlicher Betroffenheit und einer mit verschwörungstheoretischen Versatzstücken angereicherten Missionierungs-Diktion jedenfalls nicht mehr durch.
Für die Grünen ist die Graichen-Affäre deshalb ein Desaster, das noch lange nachwirken wird. Denn es geht weniger um die inzwischen gut dokumentierte Vetternwirtschaft im Habeck-Ministerium und den angeschlossenen Institutionen und sogenannten Nichtregierungsorganisationen. Sondern um das grüne Geschäftsmodell in der Politik, welches auf der Behauptung basiert, stets nur das objektiv Gute zu wollen und zu tun. Und deswegen dafür sorgt, ohne ernstzunehmenden Widerspruch schalten und walten zu können, wie es einem beliebt.
Der grüne Autoritarismus im Gewand der Weltenretter hat sich spätestens mit Eintritt in die Ampel-Regierung in eine Machthybris verwandelt, die diese Partei blind gemacht hat für eingeübte demokratische Verfahren und grundlegende Compliance-Regeln. Nur deswegen ging man im Hause Habeck/Graichen davon aus, das eigene Habitat im intransparenten Mauschelmodus um weitere Familienmitglieder arrondieren zu können. Diese Methode ist soeben spektakulär gescheitert.
Permanente Selbstüberschätzung
Eigentlich müssten die Grünen jetzt bei ihrem Politikstil eine dramatische Kehrtwende einlegen, denn die Selbstgefälligkeit, die Besessenheit und die permanente Selbstüberschätzung, mit der sie das Land seit anderthalb Jahren im Gestus der Alleinherrscher verwesen, führt sie immer weiter ins Abseits. Allerdings dürfte die missionarische Besoffenheit dieser insbesondere medial verhätschelten Partei längst pathologische Züge angenommen haben – und mithin eine Entziehungskur erfordern. Ein Rausschmiss der Grünen aus dem Bundeskabinett mit anschließender rot-gelber Minderheitsregierung wäre demnach nicht nur ein Segen für die politische Kultur, sondern auch eine notwendige Therapie für die Grünen zur Wiedererlangung der eigenen Politikfähigkeit.
Aber wahrscheinlich braucht es dazu erst noch mehr Auswüchse grüner Machtmanie. Derweil traktiert man die Bevölkerung lieber noch ein bisschen mit Habecks deutscher Version der „Friends“-Sitcom und dem damit korrespondierenden Rahmenprogramm einer Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die nur mit den allergrößten Kollateralschäden durchexerziert werden kann.
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Das jetzt ins Licht der Öffentlichkeit geratene Verfahren zur Neubesetzung der Geschäftsführung bei der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zeigt exemplarisch, wie skrupellos grüne Personalpolitik gemacht wird: Der bisherige Amtsinhaber Andreas Kuhlmann – ein Sozialdemokrat, der von Habeck selbst ob seiner „großen Klugheit“ gelobt wurde – musste auf Betreiben der Grünen seinen Posten räumen, damit der Platz frei wird für besagten Graichen-Trauzeugen Michael Schäfer, der zehn Jahre lang für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus saß, hinterher beruflich von der einen zur anderen grünennahen NGO tingelte und ansonsten auf eine Expertise als gelernter Werbetexter zurückgreifen kann. Das also ist die Person, auf die sich die aus Graichen, dem Dena-Aufsichtsratschef Stefan Wenzel (B90/Die Grünen und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium) sowie einem Referatsleiter aus der Habeck-Behörde bestehende Findungskommission einigen konnte. So sortieren sich die Gefälligkeitsverhältnisse in der Grüne-Bananen-Republik. Und wer das kritisiert, wird von den Urhebern dieser Patronage-Politik in die Nähe von Volksverderbern gerückt.
Frustration beim Ex-Dena-Chef
Andreas Kuhlmann, der von der grünen Herrschaft nicht mehr gelittene Dena-Chef, ließ während seiner Abschiedsrede wenig Zweifel daran, was er vom neuen Politikstil im Hause Habeck hält: „Es sind nicht immer die, die etwas besonders wollen, die am Ende die besten Lösungen haben“, so die vielsagenden Worte des studierten Physikers, der auch den Zeitplan für das höchst umstrittene Gebäudeenergiegesetz mit dem Satz kritisierte, es sei nicht entscheidend, „ob eine Wärmepumpe in Wanne-Eickel 2024 oder 2025 eingebaut wird“. Eine engere Anbindung der von ihm seit 2015 geleiteten Agentur an das Bundeswirtschaftsministerium kommentierte er folgendermaßen: „Ohne eigene Haltung wäre die Dena nur ein Fähnchen im Wind.“
Und das ist auch genau der Grund dafür, warum Patrick Graichen seinen Trauzeugen für diesen Job unbedingt haben wollte.
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