24 Mai 2023

Robert Habeck und der Fall Graichen - Den Schuss nicht gehört (Cicero)

Robert Habeck und der Fall Graichen
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Den Schuss nicht gehört (Cicero)
Robert Habeck will auch nach der Entlassung seines Staatssekretärs Patrick Graichen am Heizungsgesetz festhalten. Doch die Chance, mit Graichen auch dessen ideologischen Ballast zu entsorgen, darf jetzt nicht verpasst werden.
VON INGO WAY am 19. Mai 2023
„Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“, lautet der bekannteste Satz aus dem 1970er-Kino-Kitschfest „Love Story“. Für die Grünen im Jahr 2023, die ausschließlich die Liebe zur eigenen Macht bzw. zur ohne Rücksicht auf Verluste durchgeprügelten Klimawende kennen, was letztlich auf dasselbe hinausläuft, übersetzt sich dieser Satz mit „Grün sein heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“. So sieht auch Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck nach dem längst überfälligen Abgang seines familiär kungelnden Staatssekretärs Patrick Graichen keinerlei Anlass zur Selbstkritik geschweige denn zu einem öffentlichen Schuldeingeständnis. Vielmehr hält er weiterhin an der Dolchstoßlegende fest, Lügen über seinen Freund Graichen seien „von mitunter rechtsextremen Accounts“ verbreitet „und von prorussischen Accounts weiter gepusht“ worden.

Welche „Lügen“ das sein sollen und wie stattdessen die Wahrheit aussieht, das behält Habeck freilich für sich. Verschwörungstheoretiker sind wie immer die anderen. 

Graichen war zuerst in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass er den Geschäftsführerposten der staatlichen Deutschen Energie-Agentur (Dena) mit seinem Trauzeugen Michael Schäfer besetzt hatte („Trauzeugen-Affäre“), und stolperte schließlich darüber, dass er im November 2022 ein Projekt des Landesverbands Berlin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), dessen Landesvorsitzende seine Schwester Verena Graichen war, als förderwürdig eingestuft hatte. Von diesem letzteren Vorgang wusste Habeck zwar schon, bevor er an die Öffentlichkeit gelangte, dennoch hielt er nach wie vor an Graichen fest und bezeichnete im Bundestag die „Kampagne“ gegen diesen als „bösartig“. Erst als Medien über die Causa Verena Graichen berichteten und der politische und mediale Druck auf Habeck – wohl auch aus seiner eigenen Partei nach dem miserablen Abschneiden der Grünen bei der Bremen-Wahl – dann doch zu groß wurde, hatte der Klimaminister keine andere Wahl mehr, als seinen Staatssekretär zu entlassen. 

Die Wärmepumpen-Offensive ist auf Graichens Mist gewachsen

Das neueste Narrrativ aus dem Hause Habeck lautet nun, es habe sich um bloße „Compliance-Verstöße“ gehandelt, und die Entlassung habe rein gar nichts mit der desaströsen grünen Klima- und Energiepolitik zu tun, deren zentraler Strippenzieher Graichen war. So sind vor allem das geplante Gebäudeenergiegesetz und die Wärmepumpen-Offensive auf Graichens Mist gewachsen. Bevor Graichen Ende 2021 zum Staatssekretär ernannt wurde, war er Chef der einflussreichen und finanziell gut ausgestatteten Lobbyorganisation Agora Energiewende. Die hatte er 2012 mit dem Grünen Rainer Baake gegründet – während der Großen Koalition Vorgänger von Graichen als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium –, und ihr erklärtes Ziel ist es, Deutschland bis spätestens 2045 komplett zu „dekarbonisieren“, das heißt, die gesamte Energieproduktion auf sogenannte Erneuerbare Energien umzustellen, um den CO2-Ausstoß von Haushalten und Industrie auf Null zu senken.  

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Dieses Denken steht hinter Robert Habecks Energiepolitik. Daher auch die große Eile beim Durchpeitschen des Heizungsgesetzes, denn Öl- und Gasheizungsanlagen, die nach diesem Gesetz verboten werden sollen, können gut und gerne 20 Jahre halten, bevor sie repariert oder ausgetauscht werden müssen. Und im Jahr 2045 soll eben keine von diesen mehr in Betrieb sein, wenn es nach „Zero CO2“-Ideologen wie Graichen geht.  

Mit dem Stopp des Heizungsgesetzes wäre es nicht getan

Diese Verflechtung – die zwischen der Öko-Apokalypse-Lobby und der Bundesregierung – ist der eigentliche Skandal, nicht irgendwelche Schwestern oder Schwippschwäger. Cicero-Autor Jens Peter Paul äußerte vor einigen Tagen die Hoffnung, mit dem Abgang Graichens dürfte sich auch der Plan erledigt haben, das Heizungsgesetz schnell durchzubringen und so zu gestalten, dass es auch für künftige Regierungen unumkehrbar würde. Und in der Tat sehen sowohl die Opposition als auch der Koalitionspartner FDP im Fall Graichen die Chance, das Gesetz zu torpedieren oder zumindest abzuschwächen und zu verzögern.

„Angesichts des Machtvakuums in der Führungsspitze des Ministeriums sollte Minister Habeck einen neuen, realistischen Zeitplan für eine auf der Basis des Koalitionsvertrags ausgearbeitete Version des Heizungsgesetzes vorschlagen“, sagte etwa der energiepolitische Sprecher der FDP, Michael Kruse. Auch Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, verlangt eine „grundlegende Überarbeitung“ des Gesetzes. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Linnemann fordert gar, es komplett zu stoppen.  

Davon will Robert Habeck natürlich nichts wissen. Noch am Mittwoch machte er deutlich, dass der Abgang von Graichen keine Auswirkungen auf das Gebäudeenergiegesetz haben soll. Wer sich als derart kritikresistent erweist, hat einfach den Schuss nicht gehört. Hier sollten Union und FDP hart bleiben. Mit dem Stopp des Heizungsgesetzes wäre es allerdings nicht getan. Das ganze irrsinnige und rein ideologisch getriebene politische Ziel der Dekarboniserung Deutschlands, die keine messbaren Auswirkungen auf das Weltklima hätte, wohl aber einen massiven Wohlstands- und damit auch Freiheitsverlust, eine Totalverspargelung der Kulturlandschaft mit Windkraftanlagen und ein Ende des Industriestandorts Deutschland zur Folge haben würde, gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.

Ein Rücktritt von Robert Habeck von seinem Ministerposten wäre ein erster Schritt dahin. Dann hätte er Zeit, sich einen der lustigsten Filme aller Zeiten anzusehen: „What’s up, Doc?“ von 1972. Darin zitiert Barbra Streisand den eingangs erwähnten Satz aus „Love Story“, „Liebe heißt, niemals um Verzeihung bitten zu müssen“. Und ihr Filmpartner Ryan O’Neal erwidert trocken: „Das ist das Dümmste, was ich jemals gehört habe.“

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