Wenn die Bundesregierung
mal wieder einen Anschlag auf die eigene Bevölkerung plant und eine
Politik umsetzen will, die deren Wohlergehen und Interessen diametral
entgegengesetzt ist, dann schlägt die Stunde der Experten. Lässt sich
die jeweils jüngste Zumutung doch besser verkaufen, wenn sie als
wissenschaftlich gedeckt und damit als alternativlos präsentiert werden
kann – so wie es schon während der Corona-Pandemie passiert ist und sich
nun im Namen des Klimaschutzes wiederholt. Und wenn sich jetzt der
Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), meist schlicht Umweltrat
genannt, mit einem gestern publizierten Gutachten namens „Politik in der
Pflicht: Umweltfreundliches Verhalten erleichtern“ an die
Öffentlichkeit wendet, dann gibt es Grund, dem mulmigen Gefühl zu
trauen, dass da wieder mal was im Busche ist.
Der Sachverständigenrat, 1971 durch Erlass der Bundesregierung ins
Leben gerufen, besteht aus sieben Professoren und Professorinnen aus
verschiedenen Fachbereichen, die laut Satzung über wissenschaftliche
Expertise in Sachen Umweltschutz verfügen müssen und die Aufgabe haben,
die Bundesregierung diesbezüglich zu beraten. Großen Wert legen die
Mitglieder – darunter die notorische „Energie-Expertin“ Claudia Kemfert
als stellvertretende Vorsitzende, die in den vergangenen Jahren mit
abenteuerlichen Aussagen zum Thema Energiewende und Kernkraft
aufgefallen ist – auf ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit, die sie in
ihrer begleitenden Pressemitteilung zum Gutachten auch noch einmal
dezidiert betonen.
Und die Pressemitteilung liest sich auf den ersten Blick harmlos genug.
Sie geht von der Prämisse aus, dass sich viele Menschen gar so gerne
umweltfreundlicher verhalten möchten, was dann aber leider oft an den
Rahmenbedingungen scheitere. Der Umweltrat appelliere daher an die
Politik, diese „so umzugestalten, dass Umweltschutz die naheliegende
Option wird“. Wer schon einmal etwas von Nudging gehört hat, dürfte hier schon hellhörig werden.
Freie Entscheidungen gibt es laut Umweltrat gar nicht
Die genannten Beispiele wie mehr Investitionen in den öffentlichen
Nahverkehr und langlebigere Produkte wie zum Beispiel Smartphones sind
wenig geeignet, Widerstand hervorzurufen. Wer könnte schon etwas gegen
einen besseren ÖPNV haben oder gegen Geräte, die nicht schon nach einem
Jahr kaputt sind? Der Bereich des vernünftigen Common Sense wird aber
schon verlassen, wenn die Politikwissenschaftlerin Annette Elisabeth
Töller, eine der sieben Experten im Umweltrat, sagt: „Ob Konsum, private
Investitionen oder Freizeitverhalten: Es ist höchste Zeit, dass die
Politik umweltfreundliches Verhalten erleichtert, fördert und – wo
notwendig – auch einfordert.“ Dies sei nicht nur eine Aufgabe für die
Umweltpolitik, sondern auch für Ressorts wie Verkehr, Energie, Bauen und
Ernährung.
Was bedeutet in diesem Zusammenhang „einfordern“? Der demokratische
Staat hat von seinen Bürgern nichts einzufordern, was nicht in Gesetzen
geregelt ist. Es kann also nur um neue Gesetze gehen, also um neue
Verbote und Einschränkungen. Diesen Einwand antizipierend, fährt Töller
fort: „Der Vorwurf der ,Bevormundungspolitik‘ greift aber oft zu kurz“,
so die Politologin. „Verhalten ist immer von außen beeinflusst, etwa
durch Werbung und frühere politische Entscheidungen, derzeit aber häufig
zu Lasten der Umwelt.“
Verhalten ist immer von außen beeinflusst, freie Entscheidungen gibt
es somit streng genommen gar nicht, ergo kann man menschliches Verhalten
auch dahin lenken, wo man es haben will. Hier wird die Debatte, wie so
oft, wieder mal unangenehm deutsch-idealistisch: Man stellt die ganz
großen Fragen: Was ist Wahrheit? Was ist Freiheit? Was ist der Mensch?
Um letztlich an den Punkt zu kommen, an dem, da sich diese Fragen
letztlich nicht erschöpfend beantworten lassen, nur noch die nackte
Macht bleibt, in diesem Falle die Macht des Staates, nach Belieben zu
verbieten, vorzuschreiben, einzuschränken.
Deutlicher nämlich als in der Pressemeldung zum allgemeinen Gebrauch wird der Umweltrat in seinem Gutachten selbst.
Dort heißt es etwa zum Thema Flugreisen: „Daher sind politische
Maßnahmen erforderlich, die die Nachfrage nach Flugreisen senken.“ Sie
sollen also offenbar künstlich verteuert werden – alles um des
politischen Ziels wegen, den Ausstoß von CO2 auf Deubel komm raus zu
senken.
Ein Ziel, dessen Sinnhaftigkeit auch von Kritikern einer solchen
Verbots- und Verzichtspolitik kaum noch infrage gestellt wird. Es geht
dann lediglich noch um die Frage, wie man die CO2-Reduktion möglichst
sozialverträglich hinbekommt, nicht mehr darum, ob nicht das ganze Unterfangen der „Dekarboniserung“ etwas Wahnhaftes hat oder ob die Verteuerungs-, Verbots- und Deindustrialisierungsorgien, die wir derzeit erleben, tatsächlich dem hehren Ziel des „Klimaschutzes“ dienen.
Angriff auf Eigentum, Wohlstand und Autonomie der Bürger
Überhaupt nichts mit dem Klima zu tun haben nämlich die Vorschläge
eines weiteren Regierungsberaters, und doch laufen sie auf das gleiche
hinaus: einen Angriff auf Eigentum, Wohlstand und Autonomie der Bürger.
Der Wirtschaftswissenschaftler Steffen Sebastian will nämlich, um der
Wohnraumknappheit Herr zu werden, Altmieter durch eine Aufweichung des
Mieterschutzes und Eingriffe in bestehende Mietverträge aus ihren
angeblich zu großen Wohnungen herausdrängen, um Wohnraum für junge
Familien zu schaffen. Dem Handelsblatt sagte Sebastian:
„Ich halte es für ein Unding, dass Menschen, die bereits seit Jahren
und Jahrzehnten eine geringe Miete zahlen, hierzulande so extrem
geschützt werden, während andere keine bezahlbare Wohnung finden.“
Das könnte Sie auch interessieren:
Noch äußern sich zwar alle Ampel-Parteien entsetzt über Sebastians
Vorschläge. Niemand habe die Absicht, den Bürgern vorzuschreiben, auf
wie vielen Quadratmetern sie wohnen dürfen, heißt es. Sollte die
Regierung jedoch eines Tages keinen Ausweg aus der durch eine erratische Flüchtlingspolitik verschärfte Wohnungsknappheit
mehr sehen – die durch vermehrten Wohnungsbau nicht mehr gemildert
wird, denn der findet wegen der Inflation und einer nicht minder
erratischen Energiepolitik schlicht kaum noch statt
–, wird sie sich daran erinnern, dass da doch ein gewisser Experte
einmal einen Vorschlag gemacht hat, den man doch noch einmal
unvoreingenommen prüfen könnte …
Der Staat zieht den Bürgern systematisch den Boden unter den Füßen weg
Schließlich lässt sich die Regierung nicht einfach von jedermann
beraten, der in seinem Feld über das notwendige Fachwissen und einen
breiten Horizont verfügt. Sonst hätte sie womöglich in der Corona- oder
Energiepolitik anders gehandelt, als sie es bekanntlich getan hat. Die
ausgewählten Experten müssen zu den Vorstellungen der Regierenden, was
machbar und wünschenswert ist, schon passen wie der Schlüssel zum
Schloss. Und wenn die Berater an den Staat appellieren, doch bitte mehr
Zwang anzuwenden, wissen sie, dass sie in der Regel nicht auf taube
Ohren stoßen werden. Denn der deutsche Staat lässt seine Bürger nicht
mehr in Ruhe.
Vielmehr hält er sie in einem Zustand ständigen Aufruhrs: zuerst mit
den Corona-Maßnahmen, dann mit unentwegten Klima-Appellen und derzeit
vor allem mit dem angedrohten Heizungsgesetz.
Immer wieder werden den Bürgern Opfer abverlangt: sowohl materielle als
auch solche an Freiheit. Die gesamte Lebensplanung wird dadurch
unsicher. Man kann sich nicht mehr auf sein privates Leben
konzentrieren, auf Karriere, Familiengründung, Hausbau oder
Wohnungskauf. Auch das geplante Selbstbestimmungsgesetz
trägt zu dieser Unsicherheit bei, indem Eltern um ihr Sorgerecht
fürchten müssen, wenn sie dem Transitionswunsch ihres Nachwuchses nicht
nachgeben möchten, oder die bloße Erwähnung des Umstands, dass Frau X
früher Herr X war, saftige Geldstrafen nach sich ziehen kann.
Es ist ein aktivistischer Staat, der die Bürger ständig auf Trab
hält, sie nicht zur Ruhe kommen lässt. Aktiv sollen die Bürger sein,
aber nicht im Sinne von Mitgestaltung; sie sollen lediglich
nachvollziehen, was vorgegeben wird. Dieser Staat ist längst nicht mehr
nur übergriffig; er zieht den Bürgern systematisch den Boden unter den
Füßen weg. Und die Experten und Berater liefern die „wissenschaftliche“
Begleitmusik dazu.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen