11.05.2023
Weil die jedoch der Rettung der Welt dient, ist jeder Angriff auf die Grünen ein Angriff auf die Welt. So war es schon beim umstrittenen Atom-Ausstieg, und so ist es jetzt auch bei der Wärmewende.
Jürgen Trittin lässt grüßen
Den
Anfang hatte der Altmeister aller grünen Campaneros gemacht, Jürgen
Trittin, als er im Zusammenhang mit der Habeck-Graichen-Affäre von einer
„Kampagne“ sprach und irgendwas von Springer-Verlag raunte. Es war
nichts weniger als eine Verschwörungstheorie.
Als erste hatte
über die Energiewende als „Familienprojekt“ die grünen-nahe „Taz“
berichtet, schon vor einem Jahr. „Die Zeit“ und die „Wirtschaftswoche“
legten nach, ohne dass deren Eigentümer, der Holtzbrinck-Verlag, sich
von Trittin der Kampagne bezichtigen lassen musste.
Es fanden
sich Journalisten, die die unbeweisbare These einer
konservativ-medialen-fossilindustriellen Verschwörung gegen die grüne
Energiewende nachbeteten, etwa im ARD-Presseclub am vergangenen Sonntag.
Jedenfalls:
Trittin blieb nicht lange allein, im Bundestag
folgten ihm am vergangenen Dienstag die Grünen. In der Debatte um die
Habeck-Graichen-Affäre unterstellte der grüne Abgeordnete Andreas
Audretsch der CDU, sie wolle nicht aufklären, sondern „gegen den
Klimaschutz agitieren“. Audretsch verstieg sich gar zu dem Vorwurf, da
seien „fossile Klimaleugner“ am Werk. Audretsch, der früher beim
Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk arbeitete, ist stellvertretender
Fraktionsvorsitzender der Grünen.
Habeck schnappt sich Kuban im Bundestag
Audretschs
Parteifreund Felix Banaszak fragte, weshalb gerade jetzt die Union
derart einsteige gegen Habeck, Graichen und das
Bundeswirtschaftsministerium. Banaszak, der drei Jahre lang das Büro von
Sven Giegold leitete, der heute beamteter Staatssekretär bei Habeck
ist, gab sich selbst die Antwort: Das liege im Interesse „der fossilen
Wirtschaft“, nicht also am Wunsch nach Aufklärung einer Affäre. Am Ende
der Debatte legte dann der Chef selbst nach, im Bundestag, es sollte nur
der Anfang sein.
Nachdem der letzte Redner, Tilman Kuban von der
CDU, geendet hatte und auf seinen Platz zurückging, stand Vizekanzler
Robert Habeck von seiner Regierungsbank auf und stoppte den
Christdemokraten. Ein ungewöhnlicher Vorgang, der zu einer Intervention
des amtierenden Bundestagspräsidenten Wolfgang Kubicki führte.
Kuban
hatte mehrere quälende Fragen in der Graichen-Angelegenheit formuliert –
und damit deutlich gemacht, dass für die Union das Thema noch lange
nicht erledigt ist. Im Raum steht ein Untersuchungsausschuss, den Union
und AfD einrichten wollen.
Habeck „emotional angefasst“
Nach
Focus-Online-Informationen fragte Habeck den CDU-Mann vorwurfsvoll,
weshalb der denn seine Fragen nicht im vorangegangenen
Wirtschaftsausschuss, der vertraulich getagt hatte, stellte. Kuban
antwortete, es habe nur Raum gegeben für vier Fragen, mehr habe die
Regie nicht zugelassen.
Der Vorgang zeigte, wie „emotional
angefasst“, so der FDP-Wirtschaftssprecher Reinhard Houben, Habeck war.
Bislang ist jedenfalls noch kein Minister der Ampel-Regierung einem
kritischen Parlamentarier von der Regierungsbank aus hinterhergelaufen.
Schon gar nicht der Vizekanzler.
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Am
Abend ging es dann weiter. Mit der inzwischen etablierten Methode der
Täter-Opfer-Umkehr. Habeck blieb bei seiner Linie, sprach in den
ARD-Tagesthemen von: „Härte und fast Böswilligkeit“, von
„Unterstellungen“, von „Beleidigungen“, von „teilweise Lügen“ die von
seinen Gegnern verbreitet worden seien. Und der Klimaminister markierte
deren Ziel: Die Verhinderung der „Dekarbonisierung im Wärmebereich“.
Zweifel am Heiz-Gesetz innerhalb der Ampel
Nun
sind allerdings die Zweifel an der „Dekarbonisierung im Wärmebereich“
weit verbreitet. Sie gehen jedenfalls weit über die Union hinaus. Sie
haben sogar Habecks Kollegen im Bundeskabinett ereilt. Zweifel an dem
Gebäude-Energiegesetz haben inzwischen gleich zwei von Habecks
Kabinettskollegen, der liberale Bundesjustizminister Marco Buschmann und
die Bauministerin Klara Geywitz von der SPD.
Geywitz zweifelte
schon in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“ an Habecks Plan, jedes
einzelne Haus für viel Geld zu karbonisieren. Bei der
Immobilienwirtschaft legte sie nun noch nach, ihre Zweifel müssen sich
erheblich verdichtet haben, denn die SPD-Politikerin wurde sehr konkret.
Nach eigenen Angaben rechnet sie damit, Ärger mit Habeck zu bekommen.
Aber das macht ihr nichts aus.
Ob es technisch wie finanziell
möglich sei, „auch im Harz, im Sauerland oder in der Altmark“ wirklich
alle Gebäude CO2-frei zu machen, das sehe sie nicht. Auch richtete die
Ministerin ihren Blick auf die gesamte CO2-Bilanz, also darauf, wieviel
Kohlendioxid etwa bei der Herstellung von Dämm-Material entstehe.
Pikante Einwände der Bundesbauministerin
Geywitz
macht offensichtlich ihren Job, und der besteht nicht darin, alles
aktionistisch dem Klimaziel unterzuordnen, sondern nach der Machbarkeit
und dem Sinn zu fragen. Die Sozialdemokratin verweist mit ihren
bauphysikalisch und finanziell begründeten Einwänden auf das
Grundproblem der Grünen: Die argumentative Einseitigkeit, die daraus
erwächst, dass eben bei der Energiewende nur „Graichens mit Graichens
reden und Grüne mit Grünen“. So formulierte es die „Zeit“.
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Geywitz
Einwände sind pikant, denn sie hatte den „Heiz-Hammer“ gemeinsam mit
Habeck vorgestellt – und hat sich nun offenkundig von den Experten ihres
Hauses eines Besseren belehren lassen. In dieselbe Kerbe hieb der
bisherige Dena-Chef Andreas Kuhlmann, ein Sozialdemokrat, bei seiner
Abschiedsrede in Anwesenheit von Robert Habeck, man kann es inzwischen
auf Youtube nachhören.
Physiker Kuhlmann, den Habeck-Mann
Graichen durch den gelernten Werbetexter Michael Schäfer, seinen Freund
und Trauzeugen, ersetzen wollte, sagte spitz in Richtung Grüne: Nicht
jene, die etwas besonders wollten, hätten am Ende auch die besten
Lösungen. Und: „Ob eine Wärmepumpe in Wanne-Eickel 2024 oder 2025
eingebaut wird“, sei für das Klima unerheblich.
Habeck-Graichen-Affäre ist ein Einschnitt für die Grünen
Die
Habeck-Graichen-Affäre ist ein Einschnitt für die Grünen. Mit Kritik
tun sie sich schwer. Darauf reagieren sie dünnhäutig, beleidigt – und
sie erheben verräterische Vorwürfe. Die nur einem doppelten Zweck
dienen: vom eigenen Fehlverhalten abzulenken und die sachlich fundierten
Kritiker ihrer Klimapolitik mundtot zu machen.
Die Bewältigung
der Affäre deckt mehr auf als die Affäre selbst. So ist es häufig bei
Skandalen. Inzwischen haben viele beim Koalitionspartner FDP die Nase
voll von den illiberalen Methoden der Grünen. Und so mancher FDP-Mensch
freut sich, dass die Affäre noch nicht vorbei ist. Und so gehört die
letzte Bemerkung in der Trauzeugen-Affäre um Graichen und Michael
Schäfer in diesem Text dem thüringischen FDP-Abgeordneten Gerald
Ullrich, der Mitglied im Parteivorstand ist:
„Man muss sich schlussendlich fragen, wer Herrn Schäfer final empfohlen hat.“
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