Der Bund übernimmt die Versicherungsbeiträge für die Empfänger von Sozialleistungen, die allerdings nur ein Drittel der tatsächlichen Kosten ausmachen. Das Defizit beträgt 10 Milliarden Euro pro Jahr – die Versicherten müssen es zahlen.
Susann Kreutzmann, 01.12.2025, 3 Min
Schon lange haben die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland eine ausreichende Finanzierung der medizinischen Versorgung für Sozialhilfeempfänger angemahnt. Am Montag reichte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) eine erste Klage gegen die deutsche Bundesregierung wegen der andauernden Unterfinanzierung ein. Gemäss den Angaben decken die staatlichen Leistungen nur ein Drittel der tatsächlichen Kosten ab. Die Krankenkassen blieben so auf einem Finanzierungsdefizit von rund 10 Milliarden Euro pro Jahr sitzen.
Die rund 5,5 Millionen Empfänger der staatlichen Grundsicherung sind in der Regel gesetzlich krankenversichert. Der Staat übernimmt für sie die Beitragskosten als Pauschale von zurzeit rund 133 Euro pro Monat.
Damit werden aber die Kosten nicht annähernd abgedeckt, wie die GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Susanne Wagenmann sagte. Das sei unfair den gesetzlich Versicherten und den Arbeitgebern gegenüber. Zudem sei es wirtschaftspolitisch kontraproduktiv. «Durch diese Unterfinanzierung steigen die Krankenkassenbeiträge schneller, die Unternehmen haben immer höhere Arbeitskosten, und den Beschäftigten bleibt immer weniger Netto vom Brutto», sagte Wagenmann.
Gesundheitsministerin hatte Kostenübernahme versprochen
Die einzelnen Krankenkassen haben jetzt ihren Spitzenverband beauftragt, in ihrem Namen Klagen einzureichen. Die erste Klage ging beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein. Der Spitzenverband strebt eine Entscheidung in letzter Instanz durch das Bundesverfassungsgericht an.
Das von den Krankenkassen auf 10 Milliarden Euro bezifferte Defizit wird auf alle Versicherten umgelegt. «Ab jetzt rollt die Klagewelle, und wir lassen nicht locker», sagte der GKV-Co-Verwaltungsratsvorsitzende Uwe Klemens. Die Versicherten und die Arbeitgeber dürften nicht länger mit der Finanzierungsaufgabe des Staates belastet werden.
Der Bundesregierung ist das Problem schon seit Jahren bekannt. Jüngst hatte die christlichdemokratische Gesundheitsministerin Nina Warken den Krankenkassen die vollständige Übernahme der Gesundheitskosten für die Empfänger von Sozialleistungen versprochen. Im jetzt verabschiedeten Bundeshaushalt ist allerdings dafür kein Posten veranschlagt.
Finanziell stehen die Krankenkassen enorm unter Druck. Seit Jahren steigen die Ausgaben schneller an als die Einnahmen. Im vergangenen Jahr verbuchten die Krankenkassen ein Defizit von rund 6,2 Milliarden Euro. Grösster Kostentreiber sind die Spitalbehandlungen.
Bundesländer wollen Änderungen am Sparpaket
In einer Last-Minute-Aktion hatte Warken im November ein 2 Milliarden Euro schweres Sparpaket angekündigt. Das soll dafür sorgen, dass es keine zusätzlichen Beitragserhöhungen in diesem Jahr gibt. Das Sparpaket scheiterte zunächst jedoch am Veto der Bundesländer und steckt im Vermittlungsausschuss der Länderkammer fest.
Die Bundesländer kritisieren, dass das Sparpaket einseitig zulasten der Hospitäler geht. Sie sollen rund 1,8 Milliarden Euro einsparen. Experten bemängeln ausserdem, dass das Sparpaket ohnehin schon zu eng bemessen ist. Somit kann es durchaus sein, dass die Beitragszahler im kommenden Jahr nochmals tiefer in die Tasche greifen müssen.
Warken hatte für kommendes Jahr einen Anstieg des Zusatzbeitrags von derzeit 2,5 Prozent auf 2,9 Prozent vorgeschlagen – allerdings in dem Glauben, dass das Sparpaket greift. Die Krankenkassen sind an diese Vorgabe nicht gebunden. Zu Beginn dieses Jahres war der Zusatzbeitrag bereits um 0,8 Prozent erhöht worden. Es handelte sich um den höchsten Anstieg des Zusatzbeitrags in der Geschichte der gesetzlichen Krankenversicherung.
Daneben gilt der allgemeine Satz von 14,6 Prozent, der je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bezahlt wird. Zur Jahrtausendwende lag der Beitragssatz noch bei 13,6 Prozent. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland sind in den gesetzlichen Krankenkassen versichert.

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