Die Hausdurchsuchung ist ein gravierender Eingriff des Staates. Was macht es mit einer Gesellschaft, wenn Bürger fürchten müssen, morgens an der Tür von der Polizei überrascht zu werden?
Ideologisch anschlussfähig?
Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte von § 86a StGB zeigt, warum das so ist. Die Norm wurde 1968 geschaffen, um Parteiverbote des Bundesverfassungsgerichts strafrechtlich zu flankieren. Während sich die Verbotsentscheidungen des Gerichts auf aktive, fortwirkende Organisationen beziehen, liegt der historische Bezug zu den von den Alliierten aufgelösten NS-Organisationen ungleich weiter zurück. Deshalb enthält das Gesetz bei NS-Kennzeichen ausdrücklich eine inhaltliche Komponente: Strafbar ist die Verwendung eines Symbols nur dann, wenn sie «Bestrebungen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen fortsetzt». Es geht also nicht um das blosse Zeigen eines Zeichens, sondern um eine ideologische Anschlussfähigkeit.
Gerade diese fehlt im Fall von CJ Hopkins vollständig. Hopkins positioniert sich seit Jahrzehnten gegen autoritäre und faschistische Entwicklungen. Dies hatte bereits das Amtsgericht Tiergarten in der Begründung zum Freispruch zutreffend herausgearbeitet. Angesichts der Bedeutung der Meinungsfreiheit, des für eine Demokratie schlechthin konstituierenden Grundrechts, spricht vieles dafür, dass hier keine Strafbarkeit vorliegt. Für Meinungsäußerungen kommt eine Strafbarkeit nur dann in Betracht, wenn eine Auslegung, nach der die Äußerung unter Berücksichtigung des Kontexts einen nicht strafbaren Inhalt hat, objektiv ausgeschlossen werden kann. Bei Meinungsdelikten müssen also die strafbarkeitsbegründenden Kriterien eindeutig vorliegen. Vor einem weiteren staatlichen Eingriff hätte der Ausgang der von Hopkins eingelegten Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgewartet werden müssen.
In den vergangenen Jahren häufen sich jedoch Schlagzeilen über Hausdurchsuchungen, bei denen es nicht um Gewaltverbrechen, organisierte Kriminalität oder Terrorismus geht – sondern um zugespitzte, polemische oder satirische Äußerungen von Kritikern der gegenwärtigen Politik oder des links-grün-woken Zeitgeistes. So wurde die Wohnung eines Rentners, der den damaligen Wirtschaftsminister Robert Habeck als «Schwachkopf» bezeichnet hatte, 2024 durchsucht. Beim Künstler und Professor Rudolph Bauer rückte die Polizei 2023 wegen des Zeigens von Hakenkreuzen im Zusammenhang mit Bildern von bedeutenden Politikern an. Und jüngst musste auch der Medienwissenschafter Norbert Bolz eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen, nachdem er auf X eine Überschrift der «TAZ» kommentiert hatte mit: «Gute Übersetzung von ‹woke›: Deutschland erwache!»
Das sind nur einige wenige Beispiele, die es in die Öffentlichkeit geschafft haben. Die Schwelle, ab der strafrechtliche Ermittlungen – und damit auch Hausdurchsuchungen – ausgelöst werden, scheint sich gefährlich zu verschieben. Dass staatliche Eingriffe in die Privatsphäre heute schon allein durch zugespitzte Formulierungen, satirische Collagen oder polemische Kommentare ausgelöst werden, markiert eine Entwicklung, die für die Demokratie hochproblematisch ist. Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht in Leipzig, schreibt im «Spiegel», diese Entwicklung erinnere «gefährlich an Regime, von denen wir uns sonst überzeugt distanzieren».
Stigmatisierung
Hausdurchsuchungen zählen zu den gravierendsten Grundrechtseingriffen, die ein Staat vornehmen kann. Sie treffen den empfindlichsten Bereich privater Freiheit: die eigene Wohnung, deren Unverletzlichkeit das Gesetz ausdrücklich garantiert. Steht die Polizei morgens um 6 Uhr vor der Tür und durchwühlt den persönlichen Privatbereich eines Menschen, so hinterlässt das Spuren. Auch wenn solche Eingriffe später von den Gerichten als rechtswidrig beurteilt werden, lassen sich die psychische Belastung, der Vertrauensverlust und die öffentlich erlebte Stigmatisierung – selbst unbeteiligter Angehöriger – dadurch nicht mehr rückgängig machen. Gerade deshalb unterliegt die Anordnung einer Hausdurchsuchung derart strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Die Hausdurchsuchung bei Rudolph Bauer wurde zwar schon zwei Monate später durch das Landgericht Bremen unter Hinweis auf die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit und die fehlende Erforderlichkeit für rechtswidrig erklärt. Die Verwendung eines Hakenkreuzes in Collagen «als Mittel der Kritik am Verhalten» könne nur dann strafrechtlich relevant sein, wenn es auf Realwirkung angelegt sei, etwa «in Form von Appellen zum Rechtsbruch», «aggressiven Emotionalisierungen».
Demokratische Gesellschaften leben davon, dass Kritik – auch harte, sarkastische oder unbequeme – geäußert werden kann, ohne dass Menschen fürchten müssen, morgens von der Polizei vor der Tür überrascht zu werden. Die Grenze zur Strafbarkeit wird in einem Rechtsstaat erst dann überschritten, wenn Äußerungen mit NS-Bezug in Pogromstimmung umschlagen, also wenn aktiv zu Gewalttaten aufgerufen wird. Die erwähnten Beispiele sind weit davon entfernt.
Wenn satirische oder überspitzte Meinungsäußerungen strafrechtlich verfolgt werden, droht eine schleichende Erosion der Meinungsfreiheit – nicht nur durch offene Zensur, sondern vor allem durch die Angst, ins Visier der Strafjustiz zu geraten. Genau hierin liegt die eigentliche Gefahr für den demokratischen Diskurs.
Fälle wie jener von Hopkins, in denen kritische oder satirische Äußerungen staatliche Eingriffe bis hin zu Hausdurchsuchungen auslösen, sind in Deutschland inzwischen keine Randphänomene mehr. Sie stehen für eine Entwicklung, welche die Fundamente einer rechtsstaatlichen Demokratie zunehmend untergräbt.
Die deutsche Bloggerin Naomi Seibt hat Ende Oktober in den USA Asyl beantragt, mit der Begründung, sie sei in Deutschland politischer Verfolgung, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, der Gefahr für Leib und Leben sowie staatlicher Überwachung und medialer Diffamierung ausgesetzt. Sollte Seibt in den USA tatsächlich Asyl erhalten, käme dies einer offiziellen Einstufung gleich, dass Deutschland für politisch Andersdenkende kein sicherer Staat mehr ist. Das kann niemand ernsthaft wollen.
Richter sollten deshalb ihre Kontrollfunktion wieder mit staatsferner Besonnenheit wahrnehmen. Strafverfahren oder Hausdurchsuchungen dürfen nicht zu Werkzeugen politischer Einschüchterung gegen Regierungskritiker werden.
Dr. Clivia von Dewitz ist Richterin in Bad Segeberg und wurde 2024 an der Universität Bremen zu Restorative Justice habilitiert. Sie promovierte zu NS-Gedankengut und Strafrecht. Jüngste Publikation: «Gerechtigkeit durch Wiedergutmachung? Zur südafrikanischen Wahrheitskommission und deren Übertragbarkeit auf den Ukrainekonflikt», Westend-Verlag 2024.

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