In Amerika ist die AfD für einmal der Ehrengast (NZZ)
«Deutschland zuerst»
Seit Donald Trump die Kontrolle über die republikanische Partei gewonnen hat, ist auch die NYYRC-Gala zum Stelldichein der Maga-Bewegung geworden: 2023 verlieh Trump seiner Präsidentschaftskampagne hier weiteren Schub. 2024, kurz nach seiner Wiederwahl ins Weisse Haus, entzückte er die Gäste mit einer Live-Schaltung.
Er schlug Brücken zu den Gastgebern. Man sei vereint in einem gemeinsamen Ziel: «dem Erhalt der grössten Zivilisation in der Geschichte der Menschheit». Man sehe sich mit einer neuen Form der Tyrannei konfrontiert, die keine sowjetische Uniform trage. Stattdessen verhülle sie sich hinter Floskeln wie Fortschritt, Diversity und sogenannten Hassrede-Gesetzen. «In meinem Heimatland, Deutschland, hat die regierende Elite ihren Verstand verloren.» Man wolle die AfD verbieten, so wie man Trump von der Wahl habe ausschließen wollen.Frohnmaiers Rede kam beim Publikum gut an, ohne Begeisterungsstürme auszulösen; viele Teilnehmer führten ihre Tischgespräche weiter. Kurz darauf gaben die Organisatoren einen Ordnungsaufruf ab, während der Reden etwas ruhiger zu sein. Den Gästen, die 700 Dollar und mehr für ihren Platz an der Gala bezahlt hatten, konnte man es nicht verdenken. Sie mussten sich durch fast 20 Reden und Ehrungen sowie vier Gänge mit Weinbegleitung arbeiten und wollten dazwischen auch ihre Kontakte pflegen.
«Nazi-Cosplay betreibende AfD»
Frohnmaiers
Rede war der Höhepunkt der USA-Reise einer rund 20-köpfigen Delegation
der Rechtspartei. Mehrere linke Politiker kritisierten, dass sich die
AfD-Vertreter mit antidemokratischen Kräften treffen würden, die Europa
schwächen wollten. Die amerikanischen Demokraten kehrten den Vorwurf um.
Der New Yorker Kongressabgeordnete Dan Goldman, der auch Downtown
Manhattan vertritt, kritisierte den NYYRC kurz vor der Gala dafür, dass
er führenden Vertretern von «Deutschlands Nazi-Cosplay betreibender
AfD-Partei» den roten Teppich ausrolle.
Das Timing der AfD-Delegation ist indes sehr gut: Vor einer guten Woche hat die Trump-Regierung ihren Bericht über die nationale Sicherheit veröffentlicht. Das Papier spricht warnend von einem durch Masseneinwanderung hervorgerufenen zivilisatorischen Zerfall Europas. Optimistisch zeigten sich die Autoren indes hinsichtlich dessen, dass «patriotische europäische Parteien» zulegten. Gemeint war nicht zuletzt die AfD.
Geopolitische Beobachter sind gespalten in der Frage, ob die harschen Worte bereits eine Kehrtwende oder bloß eine bewusst scharfe Provokation darstellten, wie sie die Republikaner unter Trump gern betreiben. Der «Economist»-Sicherheitsexperte Shashank Joshi etwa merkte an, dass der mutmassliche Autor des ersten Entwurfs des Papiers die Regierung inzwischen verlassen habe. Man wird die in Kürze erwartete neue Verteidigungsstrategie der USA und konkrete Aktionen in den Verhandlungen mit Russland und der Ukraine analysieren müssen, um Gewissheit zu erhalten.
Europa als Sehnsuchtsort
Die Republikaner sind sich jedoch nicht ganz einig, wie sie mit Europa umgehen wollen: Soll man den alten Kontinent sich selbst überlassen oder tatsächlich politisches Kapital einsetzen, um Partnern wie der AfD mit mehr als nur guten Wünschen und Ehrenpreisen zu helfen?
Dovid Holtzman sagte später im Gespräch, dass er es mit dem Vizepräsidenten J. D. Vance halte, der an der Münchner Sicherheitskonferenz die «wichtigste Rede des Jahres» gehalten habe. «Amerika sollte sich [um Europa] kümmern, weil es Verbündete braucht. Und wenn Deutschland weiterhin eine antifreiheitliche Agenda verfolgt, ist das nicht o. k.»
Einige Gäste an der Gala hielten mit ihren Ansichten nicht hinter dem Berg. «Europäische Linke wie ihr versteht nicht, dass wir Amerikaner uns um unsere Wurzeln sorgen», sagte Preston Alfonso Parra. «Die Trump-Regierung war gezwungen, sich einzumischen, weil ihr euch nicht selbst regieren könnt. Ihr verfolgt Gruppen wie die AfD, Reform UK und das Rassemblement national, weil sie bessere Ideen haben als ihr.»
Er
sagt, dass Amerika notfalls auch militärisch in Europa eingreifen
müsse. «Amerika wird die Kavallerie nach Europa bringen und die EU
auflösen, die sich vollständig der Vetternwirtschaft der Konzerne
ausverkauft hat.» Auf die Frage, wie er das tun würde, meint Parra: «Wir
sind Amerika, wir können tun, was wir wollen.»
Andere Gäste äußern sich gemäßigter. Das NYYRC-Mitglied Don Valencia will eine neue Verbindung zwischen Europa und den USA, die auf dem Respekt der jeweiligen Kultur und des gemeinsamen Erbes fuße, nicht auf militärischer Stärke oder Wirtschaftskraft. Man wolle keine komplett ungleiche Beziehung mehr zwischen den USA und Europa, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg gegeben habe. Europa solle sich selbst verteidigen, und es würden keine Amerikaner für das Baltikum sterben.
Die
riesigen griechisch anmutenden Säulen in der Festhalle des «Cipriani
Wall Street» symbolisieren an diesem Abend, was viele Jungrepublikaner
in Europa sehen: eine große Vergangenheit, die ihnen Raum bietet, die
Zukunft der USA und der Welt zu gestalten. Europa bleibt für die
Amerikaner eine Leinwand, auf der sie ihre Wünsche und Ängste abbilden
können. Das war schon vor Trump so, doch die Maga-Bewegung trägt mit
einem besonders dicken Pinsel auf.
«Unaufgeregte deutsche Aussenpolitik»
Markus Frohnmaiers Auftritt war derweil auch ans Publikum zu Hause gerichtet. Obwohl er die deutschen Medien in seiner Rede abgewatscht hatte, nahm er sich später am Abend viel Zeit für sie. Er betonte, der Kern seiner Reise seien die Kontakte im amerikanischen Außenministerium gewesen.
Die Kritik im Vorfeld seiner Reise habe ihn befremdet. «Wie soll denn Deutschland weiterhin eine Rolle spielen, wenn wir uns immer weiter isolieren?» Die Kontakte zu China, Russland und nun zu den USA hätten sich verschlechtert. Die AfD stehe dagegen «für eine rationale und unaufgeregte deutsche Außenpolitik».
Dass
sich die AfD den USA annähert, sorgt insofern für Aufsehen, als
bedeutende Teile der Partei früher scharf antiamerikanisch eingestellt
waren. 2022 hatte Björn Höcke, der AfD-Fraktionschef in Thüringen, die
USA in einer Rede noch mit Carl Schmitt als «raumfremde Macht»
bezeichnet. Es gelte, sie «mit ihrem primitiven Sendungsbewusstsein aus
Europa fernzuhalten». Darauf angesprochen, sagt Frohnmaier, dass Höcke
die damalige Administration der Demokraten kritisiert habe.
Die AfD, die 2024 selbst von Marine Le Pens rechter Europa-Fraktion ausgeschlossen wurde, führt dem Heimpublikum vor, dass sie auf der weltpolitischen Bühne eine Rolle spielt und einflussreiche Freunde hat.
Frohnmaier kündigt an, im Februar eine amerikanische Delegation für eine große Veranstaltung nach Berlin einzuladen, Vertreter des Außenministeriums, aber auch Lobbyorganisationen. Auch das könnte sich als gutes Timing erweisen: Am 8. März wird in Baden-Württemberg der Landtag neu bestellt. Der AfD-Spitzenkandidat ist Markus Frohnmaier.

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