30 Dezember 2025

Die Angstzonen weiten sich aus – Deutschland zahlt einen hohen Preis für falsche Toleranz (NZZ)

Die Angstzonen weiten sich aus –
Deutschland zahlt einen hohen Preis für falsche Toleranz (NZZ)
Vor zehn Jahren fielen in der Kölner Silvesternacht Horden muslimischer Männer über Frauen her. Es war der Auftakt für das, was Deutschland erwartete. Aber die Debatte über Migration und Kriminalität ist nicht vorangekommen.
Claudia Schwartz
Nach seiner «Stadtbild»-Aussage bekam Friedrich Merz jüngst die volle Breitseite jenes Milieus ab, das sich Antirassismus und Muslimfeindlichkeit als wichtigste Probleme Deutschlands auf die Fahne geschrieben hat. Allen war klar, was der Bundeskanzler in ungeschickter Art umriss: Die Probleme von Migration und verfehlter Integration sind in den deutschen Städten deutlich sichtbar. Herumlungernde, aggressionsbereite junge Männer, vorwiegend aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum, beschäftigt mit Verkauf und Konsum von Drogen, lassen bei den Bürgern zunehmend das Sicherheitsgefühl erodieren. «Stadtbild» bedeutet Parallelgesellschaften, Messerangriffe, Gewalt im öffentlichen Raum – und die explizite Ablehnung westlicher Werte in bestimmten Milieus.
Geht es um Straftaten wie Raub, Gewalt oder Sexualdelikte, sind in den Polizeistatistiken der vergangenen Jahre Ausländer, insbesondere Asylsuchende, übervertreten. Zwei Drittel der Befragten geben Merz beim «Stadtbild»-Problem recht. Aber links-grüne Politiker argumentieren weiterhin unbelehrbar nach dem Prinzip «Augen zu und durch». So entgegnete die Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik (SPD) Merz in der «FAZ» prompt, dass Deutschlands Städte «vielfältiger» und «manchmal auch konfliktreicher» geworden seien, Politik müsse «diesen Wandel» aber «gestalten, nicht kommentieren».
Ins gleiche Horn tuteten auch Vertreterinnen des postmodernen Feminismus wie die Klimaaktivistin Luisa Neubauer oder die Grünen-Politikerin Ricarda Lang, die Merz vorwarfen, er würde zur Rechtfertigung «rassistischer Narrative» beitragen und Ressentiments schüren. Im offenen Brief plädieren sie für bessere «Strafverfolgung bei häuslicher Gewalt» oder «Beleuchtung und Überwachung öffentlicher Räume». Das sind wichtige Forderungen. Sie bleiben allerdings Symptombekämpfung, wenn sich in der Migrationspolitik nichts ändert, welche die demografische Realität verschärft. Begriffe wie Migration oder Massenvergewaltigung kommen aber in dem Brief von Neubauer und Co. nicht vor.
Auf Teufel komm raus trennt ein Teil der deutschen Politik die Themen Kriminalität und Migration. Zum Fanal wurde diesbezüglich vor zehn Jahren die «Kölner Silvesternacht».
Der 31. Dezember 2015 in Köln
Damals verdüsterte sich, wenn man so will, über Nacht das Stadtbild in Deutschland. Und weder bessere Beleuchtung noch die Überwachungskameras auf dem Kölner Domplatz hätten den Hunderten von Frauen etwas geholfen, die am 31. Dezember 2015 zwischen Hauptbahnhof und Dom den Männerhorden ausgesetzt gewesen sind: Sie werden brutal bedrängt, begrapscht, sexuell angegangen, beraubt und in Einzelfällen vergewaltigt. Es sind damals gegen 2000 Männer zwischen 15 und 35 Jahren, die vorwiegend aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum stammen und die laut Polizeibericht «stark alkoholisiert», «völlig enthemmt und aggressiv» Raketen direkt auf Menschen und auf den Dom, das christliche Wahrzeichen der Stadt, schießen.

Der Horror zieht sich über Stunden hin. Am 7. Januar zitiert die «Bild» aus einem Polizeibericht, der vom «Spießrutenlauf» von Frauen «mit oder ohne Begleitung» durch Männermassen spricht, «wie man es nicht beschreiben kann». Über 1200 Strafanzeigen gehen in den Folgemonaten bei der Kölner Polizei ein. Die betroffenen Frauen sind die ersten Opfer von Merkels Migrationspolitik. Just vier Monate zuvor, am 31. August, hat die Bundeskanzlerin aus Anlass der Flüchtlingsströme die Durchhalteparole «Wir schaffen das» ausgegeben: Die deutsche Gesellschaft ist angehalten, Willkommenskultur zu pflegen, komme, was wolle.

Politische Stimmungslage

Bezeichnend für den relativierenden Umgang mit den Ereignissen der Silvesternacht ist eine Reaktion aus den Reihen der politisch Verantwortlichen: Die damalige Kölner Oberbürgermeisterin sorgt für landesweite Empörung, als sie den Frauen rät, sie sollten fremde Menschen halt nur auf «eine Armlänge Abstand» an sich heranlassen. Sie hat sich später von dieser Aussage distanziert. Aber vorerst stand das so im Raum, und es war nicht untypisch. So berichteten ARD und ZDF erst vier Tage später über das sicherheitspolitische Desaster.

Die komplette Überforderung der Polizei, welche die Ereignisse zunächst beschönigte, und das anfängliche Totschweigen durch die Medien, insbesondere den öffentlichrechtlichen Rundfunk, waren das Resultat der politischen Stimmungslage. Es ist schwer vorstellbar, dass man im unweit gelegenen WDR vom Chaos im Umfeld von Hauptbahnhof und Dom nichts mitbekam.

Wo es die deutschen Medien verpassten, Klartext zu reden, fand beispielsweise in der «New York Times» der Kolumnist Ross Douthat am 10. Januar deutliche Worte. Seine Beurteilung der unkontrollierten Masseneinwanderung vorwiegend junger Männer aus dem islamischen Kulturraum fiel verheerend aus und gipfelte in der Forderung nach dem Rücktritt von Angela Merkel. Währenddessen diskutierte die deutsche Öffentlichkeit auf der Grundlage von Vorgaben politischer Korrektheit bei Ordnungskräften und öffentlichrechtlichen Medien ernsthaft darüber, ob man die Herkunftsländer der Täter benennen sollte.

Zur Informationspleite seitens der Sicherheitsbehörden und der Politik gesellte sich bewusste Desinformation. Eine feministische Netzkampagne vertrat vehement die Forderung, das Problem der sexualisierten Gewalt in den patriarchalen Strukturen «aller Gesellschaften» zu verorten; der Kampf für Frauenrechte dürfe sich nicht mit Rassismus vermengen. Unterstützung fand diese Vernebelung der Realität bei der damaligen Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die im ARD-Morgenmagazin erklärte: «Sexuelle Gewalt, Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung kommen jeden Tag vor.»

Es war eine Zäsur im deutschen Feminismus, wie damals Frauen von Frauen ein zweites Mal zu Opfern gemacht wurden, indem man sie aufforderte, über die Täter zu schweigen. Solch ein Backlash in Fragen der Gleichberechtigung und Freiheit trifft letztlich immer alle Frauen, auch Musliminnen.

Sechs Wochen nach dem «Schock» nannte Alice Schwarzer in der «Emma» die Silvesternacht in Köln «ein politisches Signal» und gab zu bedenken, dass «die öffentliche Gewalt gegen Frauen jetzt aus Nordafrika und Nahost auf Europa übergeschwappt» sein könnte. Sie fragte: «Und warum sagt das niemand in Deutschland?» Schwarzer, der umgehend Fremdenfeindlichkeit attestiert wurde, sprach damals, drei Monate nach den Anschlägen von Paris und elf Monate vor dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche in Berlin, von «Terror».

Weil Terror nicht erst dort beginnt, wo wir vielleicht tot sind. Er fängt dort an, wo man sich – aus welchen Gründen auch immer – zum Beispiel nicht mehr auf die Straße getraut.

Jährlich tausend sexuelle Übergriffe

Die Frage, wie das Phänomen zunehmender sexueller Gewalt mit der Migration zusammenhängt, ist in Deutschland seit den damaligen Ereignissen ein Streitthema. Womit wir wieder bei dem offenen Brief wären, in dem fünfzig Frauen aus Kunst, Wissenschaft und Politik Merz wegen seiner «Stadtbild»-Aussage rassistische Motive unterstellen. Sie machen sich stark «für den Schutz und die Sicherheit von Frauen», schweigen dabei aber über die Gründe, weshalb sich Frauen unsicher fühlen. Was die «häusliche Gewalt» anbelangt, möchte man ihnen Frank Urbanioks Analyse über die «Schattenseiten der Migration» empfehlen. Der deutsch-schweizerische Psychiater wertet die Kriminalitätsstatistiken aus, mit dem Ergebnis, dass Gewaltstraftäter überproportional oft aus muslimischen Ländern stammen. Afghanen, Marokkaner, Tunesier sind auch dort deutlich übervertreten, wo es um häusliche Gewalt geht.

Vergeblich wartet man auf einen Brandbrief von Frauen, die sich an die Politik wenden wegen der zunehmenden Gruppenvergewaltigungen in Deutschland. Mittlerweile sind es durchschnittlich zwei am Tag. Wo bleibt der Brief an die Integrationsbeauftragte gegen die neue Normalität, die seit 2017 jährlich mehr als tausend sexuelle Übergriffe durch Migranten bedeutet?

Bereits im Kontext der Kölner Ereignisse plädierten vier Fünftel der Befragten für eine umfassende Videoüberwachung deutscher Straßen und Plätze. Zehn Jahre später wird immer noch abgewiegelt und verharmlost bei den Gründen für das schwindende Sicherheitsgefühl in Deutschland. Im ZDF wurde die Unsicherheit, die fast die Hälfte der Deutschen laut Umfrage im öffentlichen Raum empfindet, zur «diffusen Angst» erklärt. Untermalt von der Extremismusforscherin Julia Ebner, die den bemerkenswerten Satz sagte: «Die Migration steht nicht in Zusammenhang mit mehr Kriminalität.»

Die Friedrich-Ebert-Stiftung gilt als ideologischer Taktgeber, wenn es um die Migrationspolitik der SPD geht. In einem Video mit dem Titel «Was Frauen* tun, um sicher nach Hause zu kommen» sagen Berlinerinnen, dass sie mittlerweile lieber ein Taxi nehmen, als in die U-Bahn zu steigen. Der kurze, auf Instagram veröffentlichte Film handelt davon, dass Frauen sich Pfefferspray kaufen, Selbstverteidigungskurse besuchen, draußen keine Ohrhörer tragen, Umwege von einer halben Stunde laufen: «So sieht bei vielen Frauen der Weg nach Hause aus, vor allem, wenn es dunkel ist.» Es herrscht viel gefühlte Dunkelheit in diesem Video, aber kein Wort zur Migrationsproblematik.

Darüber hinaus wird in dem Post betont, dass Sicherheit keine Privatsache sein sollte, sondern in der öffentlichen Verantwortung stehe. Genau das wollte Friedrich Merz ansprechen, als er vom Stadtbild sprach. Es ist ihm bis anhin nicht gelungen, die Forderung nach Rückführung von Straftätern rigoros umzusetzen. Die SPD blockt beim Thema seit je. Unlängst wurde der SPD-Bezirksbürgermeister von Neukölln rausgemobbt, weil er auch einmal das Wort «Clankriminalität» ausspricht.

Görlitzer Park

Ricarda Lang, die den Brandbrief gegen Merz unterschrieben hat, wurde als damalige Grünen-Vorsitzende im ARD-«Sommerinterview» vor zwei Jahren nach der angespannten Sicherheitslage befragt. Ob sie sich traue, nachts durch den Görlitzer Park in Berlin zu laufen, wo drei Afrikaner eine Frau vor den Augen ihres Partners vergewaltigt hatten? Lang antwortete: «Im Moment nicht, nein.»

Seit längerem streitet der rot-grüne Berliner Senat darüber, ob man diese «kriminalitätsbelastete» Grünanlage nachts abschließen soll. Aber wer die Debatte über die Gründe für solche Maßnahmen anstößt, den versucht man mit dem Vorwurf der Ausgrenzung oder des Rassismus mundtot zu machen. Das Thema sollen nicht die Gruppenvergewaltigungen in Deutschland sein, die in der Mehrheit von Männern mit Migrationshintergrund begangen werden. Zum Problem erklärt werden jene, die solche Tatsachen ansprechen – zum Beispiel der Bundeskanzler.

Zehn Jahre nach der Kölner Silvesternacht gibt es in manchen kleineren deutschen Städten keine Weihnachtsmärkte mehr, weil der nötige Sicherheitsaufwand deren Möglichkeiten übersteigt. Wo Weihnachtsmärkte stattfinden, sind sie schlechter besucht. Deutschland zahlt einen hohen Preis für falsche Toleranz.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen