Es
ist gut, dass der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sich nach den
antisemitischen Morden in Sydney schnell zu Wort gemeldet hat: «Dies ist
ein Angriff auf unsere gemeinsamen Werte», sagte er auf dem Portal X,
«diesem Antisemitismus müssen wir Einhalt gebieten.» Recht hat der
Bundeskanzler, auch wenn unklar bleibt, welche Werte er genau meint.
Immerhin, das muss man Merz zugestehen, bezieht er beim Thema
Antisemitismus Position.
Allerdings
wirken die Statements deutscher Politiker nach solchen Terrorakten
ziemlich hilflos. Denn schon lange macht sich das Gefühl breit, dass sie
mit ihren Worten das Land nicht hinter sich einen können. Zu deutlich
ist zu spüren, dass in Deutschland wieder eine krude Mischung aus neuem
und altem Antisemitismus vor sich hin gärt.
Sie sagen «Zionisten» und meinen Juden
Paradoxerweise
gilt das besonders seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des grössten
Massakers an Juden seit dem Holocaust. Wer im seitdem wieder offen
aufflammenden Judenhass eine verquere Reaktion auf die harte
Kriegsführung Israels in Gaza sieht, der sei an die Freudenbekundungen
am 7. Oktober in Berlin-Neukölln und andernorts erinnert und die bald
nach Kriegsbeginn einsetzenden Demonstrationen gegen einen angeblichen
Genozid in Gaza. Der Protest richtet sich vordergründig gegen den Staat
Israel, meint aber eigentlich Juden, teilweise kaum kaschiert durch die
Chiffre «Zionisten».
Es
bilden sich eigenartige lose Bündnisse zwischen Linken, Studenten,
Migranten aus islamischen Ländern und Rechtsradikalen, die gemeinsam
wieder ein antisemitisches Klima in Deutschland schaffen. «Wir sitzen
auf gepackten Koffern», sagen manche Juden in Deutschland inzwischen.
Das Ziel einer Ausreise wäre häufig Israel – der Staat, dem die grössere
Fähigkeit zugesprochen wird, Juden zu schützen. Für Deutschland, das
Land des Holocaust, ist das ein Armutszeugnis. Staat,
Politik und Zivilgesellschaft tun hierzulande viel zu wenig gegen
Antisemitismus. Wie kann es sonst sein, dass Juden sich auf der Strasse
in Grossstädten kaum noch trauen, die Kippa oder einen Davidstern zu
tragen?
Wie
kann es sein, dass bei studentischen Veranstaltungen an deutschen
Universitäten die «globale Intifada» ausgerufen und die Hamas als
Widerstandsbewegung verklärt wird? Es ist befremdlich, zu sehen, dass es
bei Solid, der Jugendorganisation der Linkspartei, starke Kräfte gibt,
die ihre Partei «von Zionisten säubern» wollen und den
israelfreundlichen Linken-Politiker Bodo Ramelow als «Verräterschwein»
bezeichnen.
Antisemitisches Umfeld in Moscheen
Wie
kann es sein, dass der deutsche Staat bei der Ausbildung von Imamen
zugleich immer noch mit der türkischen Religionsbehörde kooperiert,
deren Präsident an Tagungen teilnimmt, auf denen zum bewaffneten Kampf
gegen Israel aufgerufen wird? Auch im Umfeld deutscher Moscheen
existiert ein Milieu, das eine kämpferische Haltung gegenüber Juden,
aber auch gegenüber Christen hat.
Und
nicht zuletzt: Wie kann es sein, dass die AfD-Führung sich weiterhin
nicht von Kräften in ihrer Partei distanziert, die regelmässig mit
Verharmlosungen des Nationalsozialismus spielen?
Die
Morde an Bondi Beach in Sydney geschahen während des jüdischen
Lichterfests Hanukka. Wer, wenn nicht die Deutschen, sollten sich
verpflichtet fühlen, dafür zu sorgen, dass die Lichter dieses Fests
nicht erlöschen?
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