14 Juni 2022

Einfach mal eine Pipeline in die Luft jagen? Luisa Neubauer hat den Bogen überspannt (NZZ)

Der andere Blick
Einfach mal eine Pipeline in die Luft jagen? Luisa Neubauer hat den Bogen überspannt (NZZ)
In einem Video offenbart Deutschlands bekannteste Klimaaktivistin ein ungeklärtes Verhältnis zur Gewalt. Auf Kritik reagiert sie mit einer Ausrede: Alles nicht ernst gemeint! Aber wer mit Anschlägen kokettiert, verabschiedet sich aus dem demokratischen Diskurs.
Alexander Kissler, Berlin, 14.06.2022
Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer gehört zu den bekanntesten Mitgliedern der deutschen Regierungspartei Bündnis 90 / Die Grünen. Als Sprecherin von Fridays for Future ist ihr die mediale Aufmerksamkeit sicher. Vor wenigen Tagen referierte sie mit Unterstützung der steuerfinanzierten Deutschen Bundesstiftung Umwelt auf der Berliner Internetkonferenz «re:publica». Sie rief dazu auf, «zu blockieren, was zerstört, und aufzubauen, was schützt». Nun aber hat Neubauer eine rote Linie überschritten. Ihr öffentliches Räsonieren über die Frage, ob man Erdölleitungen in die Luft jagen solle, disqualifiziert sie für jeden demokratischen Diskurs.
Niemand bestreitet, dass Umwelt-, Natur- und Klimaschutz eine zentrale Herausforderung für die gesamte Menschheit sind. Nichts freilich ist für den liberalen Rechtsstaat, nichts für dessen Bürger gewonnen, wenn Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung verstanden wird. Die Republik würde erodieren, ohne dass dem Klima geholfen wäre, sollte sich Neubauers Liebäugeln mit dem Attentat als gesellschaftsfähig durchsetzen. Hier ist die inflationär eingesetzte Warnung, den Anfängen zu wehren, einmal am Platz.
Angewandte Apokalyptik

Neubauer sagte, lachend und lächelnd, in einem von ihr selbst verbreiteten Kurzvideo auf Englisch, man denke gerade darüber nach, eine Erdölleitung in die Luft zu jagen, «We are planning how to blow up a pipeline». Ort des Statements war Kopenhagen, wo Neubauer an einer Tagung zur Zukunft der Demokratie teilnahm. «How to Blow Up a Pipeline» ist zugleich der Titel eines Buches, in dem ein schwedischer Klimaschützer Sabotageakte für legitim erklärt. Gewalt gegen die Sachen anderer sei von Gewalt gegen Personen zu trennen.
Diese unter radikalen Aktivisten beliebte Differenzierung übersieht, dass beides Straftaten sind und dass leicht der eine Gesetzesverstoss in den anderen münden kann. Die mittlerweile fast täglich stattfindenden Eingriffe in den Strassenverkehr durch die endzeitbewegte «Letzte Generation», deren Anhänger sich auf dem Asphalt festkleben oder sich an Brücken ketten, belegen den destruktiven Zusammenhang. Neubauer ermuntert zu solchen und zu drastischeren Taten, indem sie der Demokratie vorwirft, mit dem Klimawandel überfordert zu sein. Die demokratischen Prozesse, bekannte sie in einer Talkshow, hätten in den vergangenen dreissig Jahren eben nicht «gut genug geklappt für die Klimakrise».
Kritik an ihrer jüngsten Aussage konterte Neubauer umgehend. Es habe sich um Ironie gehandelt, «How to Blow Up a Pipeline» sei nur ein Buch. «Jesus Maria, es ist ein Buch», twitterte sie. Offenbar will die Aktivistin das Publikum für dumm verkaufen. Sonst und vor allem beim «Kampf gegen rechts» gilt die Losung, es sei ein kurzer Weg vom Gedanken zur Tat, von der Rede zum Anschlag.
Eskalation, unironisch

Neubauer hingegen errichtet in gespielter Naivität eine chinesische Mauer zwischen einem Buch, das sich als Handlungsanleitung versteht, und der Handlung selbst. Sie gibt dem empörten Publikum zu verstehen, sie habe ja nur einen Jokus gemacht, zumal die Pipeline, die konkret Thema gewesen sei, noch gar nicht existiere. Ob ihre eigene Gemeinde meist sehr junger Aktivisten dieses Kokettieren mit der Gewalt auch nur augenzwinkernd versteht? Der Autor des von ihr zitierten Buches plädiert ganz unironisch für eine Eskalation.
Die rhetorische Radikalisierung ist symptomatisch für eine Bewegung, die zum guten Zweck auch schlechte Mittel akzeptiert. Das Wort von der «grünen RAF» haben Klimaschützer selbst lanciert. Bisher war es eine schrille Drohung. Es ist an der Zeit, dass die Bewegung selbst und auch ihre Sympathisanten in den Parlamenten Farbe bekennen: Wer Straftaten propagiert, der verlässt den Boden der Republik.

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