Viele trauen sich nicht mehr, ihre Meinung offen zu sagen. Das liegt an
der extremen Moralisierung der öffentlichen Debatte, die die kulturelle
Linke zu verantworten hat – ausgerechnet. Denn früher war sie es, die
Autoritäten angriff und Institutionen herausforderte.
Die
Hälfte der Deutschen haben das Gefühl, ihre Meinung nicht frei sagen zu
können. In autoritären oder totalitären Ländern wie Russland oder China
wäre das nachvollziehbar, weil man dort für regimekritische Äußerungen
eingesperrt wird. In Deutschland kommt niemand wegen seiner Meinungen
ins Gefängnis. Unser Staat ist keine Bedrohung. Woher rührt also die
schlechte Stimmung? Fehlt einfach nur zu vielen Leuten das Rückgrat, um zu ihren Ansichten
zu stehen und die Widerrede von Freunden, Kollegen oder Medien
auszuhalten? Bedeutet wahre Meinungsfreiheit für jeden zweiten
Mitbürger, dass alle anderen ihm recht geben müssen? Wahrscheinlich
stimmt von all dem ein wenig – und trotzdem lässt sich die
weitverbreitete Irritation, das allgegenwärtige Gefühl der
Angespanntheit so nicht wegerklären.
Das dürfte an der extremen Moralisierung der öffentlichen Debatte liegen: Man wirft heute seinem Gegenüber allzu oft nicht mehr vor, er gebrauche ein schlechtes Argument, sondern er sei wegen seiner Meinung ein schlechter Mensch.
Als ehemalige Sozialdemokratin frage ich mich, wie es so weit gekommen ist – und wie es früher war. Gerade als Linke wollte man vor 30, 40 Jahren unbedingt Tabus schleifen, Autoritäten angreifen und Institutionen herausfordern. Auch das erforderte ein bisschen Mut, aber den konnte man aufbringen, man fühlte sich moralisch im Recht, es ging schließlich gegen alte Nazis und die herrschende Klasse.
Linker Mainstream
Vielleicht waren wir einfach zu erfolgreich, vielleicht setzten wir Linken uns kulturell zu gut durch. Wenn so etwas passiert, dann greift wohl leider der Satz von Karl Popper:
Egal, welcher Klasse sie auch entstammen – sobald sie herrschen, gehören sie zur herrschenden Klasse.
Die kulturelle Linke hat neue Tabus errichtet, und die werden härter verteidigt, als ich es von konservativer Seite je erlebt habe. Wer sagt, dass der Islam das Potenzial zur Frauenfeindlichkeit in sich trägt, ist ein Islamfeind. Wer sagt, dass die Digitalisierung mindestens so viele Risiken für Privatsphäre, kritische Infrastruktur und intellektuellen Tiefgang birgt wie Chancen, stellt sich gegen die ZukunfWer sagt, dass Corona ein ernstes Problem, aber nicht die Menschheitskatastrophe war, die jede Einschränkung von Freiheitsrechten rechtfertigte, ist ein Egoist. Wer sagt, dass die Transgender-Thematik für jede:n einzelne:n Betroffene:n ein Riesenthema sein mag, für die Gesellschaft insgesamt aber ein eher kleineres Problem ist, ist transphob. Wer auch bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe demokratische Gepflogenheiten gewahrt sehen will, gerät schnell in die Gefahr, als Klimaleugner zu gelten.'
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat in einem Beitrag für die „FAZ“ in diesem Zusammenhang einmal einen wichtigen Hinweis gegeben: Wir müssen aufpassen, dass wir uns den Begriff des Normalen nicht kaputtmachen. Wir brauchen ein neues Normal. Tolerant, menschenfreundlich, entspannt, großzügig und vor allem mit weniger moralischer Überheblichkeit.
Das dürfte an der extremen Moralisierung der öffentlichen Debatte liegen: Man wirft heute seinem Gegenüber allzu oft nicht mehr vor, er gebrauche ein schlechtes Argument, sondern er sei wegen seiner Meinung ein schlechter Mensch.
Als ehemalige Sozialdemokratin frage ich mich, wie es so weit gekommen ist – und wie es früher war. Gerade als Linke wollte man vor 30, 40 Jahren unbedingt Tabus schleifen, Autoritäten angreifen und Institutionen herausfordern. Auch das erforderte ein bisschen Mut, aber den konnte man aufbringen, man fühlte sich moralisch im Recht, es ging schließlich gegen alte Nazis und die herrschende Klasse.
Linker Mainstream
Vielleicht waren wir einfach zu erfolgreich, vielleicht setzten wir Linken uns kulturell zu gut durch. Wenn so etwas passiert, dann greift wohl leider der Satz von Karl Popper:
Egal, welcher Klasse sie auch entstammen – sobald sie herrschen, gehören sie zur herrschenden Klasse.
Die kulturelle Linke hat neue Tabus errichtet, und die werden härter verteidigt, als ich es von konservativer Seite je erlebt habe. Wer sagt, dass der Islam das Potenzial zur Frauenfeindlichkeit in sich trägt, ist ein Islamfeind. Wer sagt, dass die Digitalisierung mindestens so viele Risiken für Privatsphäre, kritische Infrastruktur und intellektuellen Tiefgang birgt wie Chancen, stellt sich gegen die ZukunfWer sagt, dass Corona ein ernstes Problem, aber nicht die Menschheitskatastrophe war, die jede Einschränkung von Freiheitsrechten rechtfertigte, ist ein Egoist. Wer sagt, dass die Transgender-Thematik für jede:n einzelne:n Betroffene:n ein Riesenthema sein mag, für die Gesellschaft insgesamt aber ein eher kleineres Problem ist, ist transphob. Wer auch bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe demokratische Gepflogenheiten gewahrt sehen will, gerät schnell in die Gefahr, als Klimaleugner zu gelten.'
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat in einem Beitrag für die „FAZ“ in diesem Zusammenhang einmal einen wichtigen Hinweis gegeben: Wir müssen aufpassen, dass wir uns den Begriff des Normalen nicht kaputtmachen. Wir brauchen ein neues Normal. Tolerant, menschenfreundlich, entspannt, großzügig und vor allem mit weniger moralischer Überheblichkeit.
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