29 August 2025

NGO-Finanzierung - Priens Baustelle „Demokratie leben“ – Förderrichtlinie hundertfach umgangen (WELT+)

NGO-Finanzierung
Priens Baustelle „Demokratie leben“ – Förderrichtlinie hundertfach umgangen (WELT+)
Von Lennart Pfahler, Redakteur Investigation und Reportage, 28.08.2025, 5 Min
Das Familienministerium will das wichtigste Programm im Bereich Demokratie und Vielfalt reformieren. Das scheint dringend nötig, wie WELT-Recherchen zeigen. Denn die Behörden drückten immer wieder ein Auge zu – auch bei der Umsetzung der Finanz-Vorschriften.
Vor rund zwei Monaten kündigte Familienministerin Karin Prien (CDU) an, das bundesweite Förderprogramm „Demokratie leben“ auf den Prüfstand zu stellen. Zuvor hatte WELT AM SONNTAG enthüllt, dass Funktionäre von verschiedenen Organisationen, deren Projekte die Bundesregierung unterstützt hat, im Internet extremistische und antisemitische Parolen verbreitet hatten. Zudem zeigten die Recherchen, dass das Ministerium Organisationen mit Präventionsprojekten im Bereich Islamismus betraut hat, die selbst eindeutige Bezüge zum legalistischen Islamismus haben.
Seitdem ist es stiller geworden um „Demokratie leben“. Was wurde aus der kritischen Prüfung? Dazu hält sich das Ministerium bislang bedeckt.
Keines der in die Kritik geratenen Projekte hat nach WELT-Informationen bislang seine Förderung verloren oder musste bereits ausgezahlte Gelder zurückzahlen. Das Familienministerium hatte die Organisation „Biwoc Rising“ zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert, nachdem Funktionäre und Beraterinnen des Unternehmens, das in Berlin einen Co-Working-Space betreibt, Israel das Existenzrecht abgesprochen und die Hamas als „Widerstand“ verharmlost hatten.
Auch vom Bündnis der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland und dem Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstitut, die im Bereich Islamismusprävention tätig sind, obwohl sie zum Umfeld der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung zählen, hatte das Ministerium eine Stellungnahme angefordert.
Offenbar sah man in Berlin jedoch keine juristische Handhabe oder Notwendigkeit, die bereits unter der Vorgängerregierung beschlossene Projektförderung zu beenden oder Gelder zurückzufordern.
Auch sonst gibt es bislang nur wenig Konkretes. Aus dem Ministerium heißt es, dass neben der üblichen Evaluation der Projekte weitere „Maßnahmen zur Überprüfung der Programmwirksamkeit“ vorbereitet würden. Zudem soll die Förderrichtlinie überarbeitet werden.
Scharfe Kritik vom Bundesrechnungshof

Cicero im September - BiNGO! (Cicero)

Cicero im September
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BiNGO! (Cicero)
Intransparenz, Unsummen an Steuermitteln und fragwürdige Projekte: Unter dem Deckmantel des vermeintlich „Guten“ haben sich NGOs zu mächtigen Playern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Sie hinterfragen alles und jeden – doch jetzt ist es an der Zeit, die NGOs selbst zu hinterfragen.
VON ALEXANDER MARGUIER am 28. August 2025 2 min
Der Begriff Nichtregierungsorganisation, in englischer Abkürzung NGO, erweckt explizit den Eindruck von Staatsferne. Die Realität indes sieht anders aus. Tatsächlich werden nämlich viele dieser angeblich zivilgesellschaftlichen Vereinigungen vom Staat alimentiert, wobei für die Zuteilung des Geldes meist auch noch Ministerien zuständig sind. Und wer genauer hinschaut, erkennt schnell, dass hier regelrechte Gefolgschaftsverhältnisse begründet worden sind. Insbesondere unter der rot-grün dominierten Ampelkoalition hat sich mit dem Programm „Demokratie leben!“ ein Wildwuchs an NGOs entwickelt, die zum Großteil nichts anderes sind als Vorfeldorganisationen der politischen Linken. Mit Demokratie hat das alles herzlich wenig zu tun, dafür umso mehr mit Klientelismus.
Dieses ganze System treibt mitunter Blüten der bizarrsten Art. Da werden dann nämlich mit Steuermitteln auch noch Lobbygruppen finanziert, die dem Islamismus nahestehen oder antisemitische Propaganda verbreiten. Und auf europäischer Ebene hat die EU-Kommission das Kunststück vollbracht, NGOs zu pampern, die die eigene Politik unterminieren. Der Rechnungshof spricht in diesem Zusammenhang ausdrücklich von mangelnder Transparenz – und macht nebenbei darauf aufmerksam, dass es um horrende Summen geht: Insgesamt 7,4 Milliarden Euro wurden allein im Zeitraum zwischen 2021 und 2023 für „nichtstaatliche Organisationen“ verpulvert. Aber weil mit dem vielen Geld ja angeblich stets das „Gute“ gefördert wird (Demokratie, Umweltschutz, Europa, Kampf gegen rechte Populisten), wurden die Strukturen bisher kaum hinterfragt. Das ändert sich allerdings so langsam. Denn die im NGO-Zirkus herrschende Selbstbedienungsmentalität ist nicht nur eine Steilvorlage für jene rechten Parteien, die es eigentlich zu diskreditieren galt. Sondern sie erschüttert ganz allgemein das Vertrauen der Bürger in die Neutralität des Staates.
Unten lesen Sie die Titelgeschichte aus Cicero Ausgabe August 2025

Demokratieretter gefährden die Demokratie - Die NGO-Republik (Cicero)

"Es gibt hier ein ganz vitales politisches Interesse, sogenannte zivilgesellschaftliche Strukturen zu implementieren und zu beherrschen, die das Handwerk erledigen, das zu erledigen dem Staat durch die Verfassung untersagt ist." Joachim Steinhöfel
Demokratieretter gefährden die Demokratie
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Die NGO-Republik (Cicero)
Am Anfang sah alles noch gut aus. Kaum hatte sich der Verein „Fulda stellt sich quer“ vor gut elf Jahren in der osthessischen Bischofsstadt gegründet, folgte wenige Monate später bereits ein erstes Highlight: Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano war im April 2015 zu Gast bei einer Lesung, während der sie vor Schülerinnen und Schülern von ihrem Martyrium im Konzentrationslager Auschwitz erzählte, wo sie Mitglied im Mädchenorchester war. Eine unvergessliche Mahnung. „Esther Bejarano war eine Stimme für die Menschlichkeit und gegen Unrecht, Antisemitismus und Rassismus“, hieß es sechs Jahre später in einem Nachruf von „Fulda stellt sich quer“ auf die 2021 verstorbene Musikerin. Bis heute schmücken Bilder von Bejaranos Auftritt die Homepage jener Vereinigung, die sich als „Bildungsverein zur Aufklärung über Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Tendenzen in unserer Gesellschaft“ versteht.
Doch dieses hehre Ziel ist seit einiger Zeit in den Hintergrund gerückt, denn die seit 2019 mit mehr als 144.366 Euro aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ geförderte Initiative muss sich mit schwerwiegenden Vorwürfen auseinandersetzen. Es geht um unzulässige Honorarverträge, Mehrfachabrechnungen – und nicht zuletzt um eine Verletzung des Neutralitätsgebots. Projekte, „die sich ausdrücklich gegen politische Parteien richten und willkürlich die Chancengleichheit der politischen Parteien beeinträchtigen“, sind im Rahmen des Programms nämlich „nicht förderfähig“, wie es in einer Mitteilung des federführenden Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2022 ausdrücklich heißt.

28 August 2025

The Pioneer - Autoindustrie: Neue Horrorzahlen

Business Class Edition
Autoindustrie: Neue Horrorzahlen
Guten Morgen,
wir leben in einer Welt der Chancen, was eine großartige Nachricht für Inder, Südkoreaner und Chinesen ist. Auch sie bauen neuerdings Automobile – meist sehr günstig, oft pfiffig, nicht selten technologisch brillant.
Wir leben in einer Welt der Chancen, was eine schwierige Botschaft für die traditionellen Automobilländer ist. Deutschland, Frankreich, Italien und die USA leiden wie die Hunde an den neuen Wettbewerbern. Nicht nur die Geographie, sondern auch die Technologie fordert sie heraus.
Die Erfindung des Elektromobils und damit der Aufstieg der Batterietechnologie entwertet ihr Wissen, ihre Lieferketten und viele der heimischen Fabriken. Ausgerechnet in der deutschen Schlüsselindustrie hat eine Kernschmelze eingesetzt:
  • Seit 2019 – dem Jahr vor Corona – wurden mehr als 100.000 Arbeitsplätze durch diese Prozesse schon vernichtet.
  • In den vergangenen zwölf Monaten waren es alleine 51.000 Arbeitsplätze, die in der Automobilindustrie und bei ihren Zulieferern auf Nimmerwiedersehen verloren gegangen sind. Das sagt und belegt die gestern veröffentlichte Studie der Unternehmensberatung EY.
  • 190.000 Arbeitsplätze werden bis 2035 die weitere Transformation vom Verbrennermotor zum Batterieauto nicht überleben, zitiert die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller, ihr vorliegende Studien. Denn die neue Generation von Automobilen erfordert eine geringere Fertigungstiefe und schneidet den Fabriken das bisherige Herzstück, den Motorenbau, bei lebendigem Leibe heraus.
Die wichtigsten Ursachen dieser Entwicklung – der Wechsel in der Antriebstechnologie und der Aufstieg der ehemaligen Entwicklungsländer – sind unvermeidbar. Die Reaktionen darauf sind es nicht. Managementfehler in der Politik und auf den Chefetagen der Unternehmen haben hierzulande die Krise verschärft.
#1 Hochmut kam vor dem Fall

Der andere Blick - Die Politik versagt, und der Staat ist überfordert. Deutschland hat ein echtes Problem (NZZ)

Der andere Blick
Die Politik versagt, und der Staat ist überfordert. Deutschland hat ein echtes Problem (NZZ)
Städte verkommen, Schulen werden zu sozialen Brennpunkten. Die Bürger verlieren das Vertrauen. Jetzt rächt sich, wie seit zwei Jahrzehnten regiert wird.
Eric Gujer, 29.08.2025, 6 Min
Wähler und Gewählte in Deutschland teilen eine Erfahrung: Ohnmacht. Die Politiker fühlen sich verfolgt von einer undankbaren Öffentlichkeit und gefesselt von Sachzwängen. Das Volk hingegen hält die Politik für abgehoben und unfähig, selbst einfache Probleme zu lösen.
Das beginnt im vermeintlich Kleinen. Köln, das herzliche und hässliche Dorf am Rhein, verkommt. Drei Viertel der Einwohner beklagen laut einer Forsa-Umfrage, die Stadt habe sich zum Schlechteren verändert. Die Stadt wirkt schmuddelig.
Die Kölner sind unzufrieden, weil die Verwaltung die Alltagssorgen ignoriert. Diese macht sich lieber Gedanken über eine inklusive Beschilderung von Spielplätzen. Denn Köln ist eine lebenswertere Stadt, wenn aus dem Spielplatz für Kinder eine «Spiel- und Aktionsfläche» für alle wird. Solcher Eskapismus einer woken Bürokratie demonstriert, was schiefläuft.
Politik heisst, das Leben der Menschen im Konkreten zu verbessern. Stattdessen findet eine ideologisierte Politik Scheinlösungen für Scheinprobleme.
Für Forsa zeigt die viertgrösste deutsche Stadt den Niedergang der Kommunalpolitik in eklatanter Weise. Die Entfremdung zwischen Bürgern und Politik habe seit den neunziger Jahren zugenommen – «ohne jedwedes Zutun der AfD». Die Bürger sind nicht unzufrieden, weil Populisten sie aufhetzen, sondern weil die etablierten Parteien sie enttäuschen.
In Berlin wird am liebsten ein lauwarmer Einheitsbrei serviert.
Im vermeintlich Kleinen entsteht das Vertrauen, dass der Staat funktioniert. Oder es wird verspielt – wie durch den Niedergang der Schulen. Grundschüler können heute schlechter rechnen und schreiben als um die Jahrtausendwende, zur Zeit des Pisa-Schocks.
Seit je ist die Bildungspolitik der liebste Tummelplatz für aktivistische Politiker. Unzählige Reformen laden den Schulen seit den siebziger Jahren immer neue Aufgaben und Ziele auf mit dem Resultat, dass sie selbst grundlegende Fertigkeiten unzureichend vermitteln.

Vertrauen der Bürger im freien Fall - Wir sind auf dem Weg zu einer Parteien-Diktatur – und niemand spricht es aus (Focus-Online)

Wir sind auf dem  Weg zu einer Parteien-Diktatur – und niemand spricht es aus (Focus-Online), Montag, 25.08.2025
Deutschland nennt sich Demokratie, doch die Realität ist ernüchternd: Parteien haben das politische System gekapert. Nicht der Wähler entscheidet, sondern ein Kartell aus Apparaten.
Die Sprache der Politik verrät alles. Immer wieder sehen wir das Gleiche: Die größte Distanz zwischen Redner und Publikum entsteht, wenn Worte nicht mehr für Menschen, sondern nur noch für interne Machtzirkel gesprochen werden. Genau das passiert in Deutschland.

Wer sich eine Parlamentsdebatte ansieht, hört kaum noch Sätze, die den Alltag der Menschen berühren. Stattdessen dominieren Sprachmuster, die nur im geschlossenen System der Parteien Sinn ergeben: Parteiprogramme werden wie heilige Schriften zitiert, Koalitionsverträge wie eiserne Ketten verteidigt. Das Ergebnis ist eine Politik, die immer mehr an der Lebensrealität der Bürger vorbeiredet.

Die Parteien wirken, als würden sie noch in der alten Bundesrepublik leben

Politikwissenschaftler wie Wolfgang Merkel sprechen von einer „Krise der Repräsentation“. Das bedeutet: Parteien spiegeln die Gesellschaft nicht mehr angemessen wider. In den 1950er-Jahren war das anders. Die SPD stand klar für die Interessen der Arbeiter, die CDU/CSU für die konservative Mitte.

Heute hat sich die Gesellschaft aufgespalten: Lebensentwürfe sind vielfältig, digitale Bewegungen entstehen über Nacht, und die Grenzen zwischen links und rechts verschwimmen. Doch die Parteien wirken, als würden sie noch in der alten Bundesrepublik leben – in einem Land, das es so nicht mehr gibt.

Zugleich ist das Vertrauen der Bürger im freien Fall. Laut Studien des Allensbach-Instituts und der Forschungsgruppe Wahlen liegt das Vertrauen in Parteien auf historischen Tiefständen. 

Immer mehr Menschen wenden sich ab oder suchen ihr Heil in Protestwahlen. Das ist kein Zufall. Es ist das direkte Resultat einer Politik, die den Kontakt zu den Menschen verloren hat.
Jede Partei wird so zum eigenen Ökosystem, das sich selbst schützt

27 August 2025

Analyse der russischen Wirtschaft "Putin hat in Russland getan, was Trump den Wählern in den USA versprochen hat" (Focus)

Analyse der russischen Wirtschaft

"Putin hat in Russland getan, was Trump den Wählern in den USA versprochen hat" (Focus)
Montag, 25.08.2025,
Der Ukraine-Krieg schafft Aufstiegsmöglichkeiten für viele zuvor abgehängte Russen. So schildert es die australische Zeitung „Herald“ – und liefert ein Argument, warum die Invasion aus Putins Sicht weitergehen muss.
Eine der großen politischen Fragen, die Donald Trump genauso umtreibt wie die deutsche Bundesregierung, scheint der russische Machthaber Wladimir Putin für sich gelöst zu haben: Was tun mit einer gering qualifizierten Bevölkerungsschicht auf dem Land, wenn viele Fabrikarbeitsplätze weggefallen sind?
Putins zynische Lösung des Problems sind Jobs, die der Angriffskrieg in der Ukraine geschaffen hat. So stellt es die australische Tageszeitung „The Sydney Morning Herald“ in einer langen, aktuellen Analyse dar. 
Sie basiert auf Experteneinschätzungen und einem genauen Blick in vormals verarmte russische Randregionen.
Russen aus prekären Verhältnissen haben demnach seit Kriegsbeginn zwei Möglichkeiten, deutlich mehr Geld zu verdienen als anderswo
1. Fabriken werden plötzlich wieder genutzt und bieten Jobs
Viele russische Städte haben sich seit dem Untergang der Sowjetunion 1991 vom wirtschaftlichen Niedergang nicht erholt, argumentiert der „Herald“. Häufig waren sie nämlich abhängig von der Kriegswirtschaft. Fabriken standen in der Folge still.
Doch nach der russischen Invasion im Februar 2022 „stellten die stillgelegten Industrieanlagen plötzlich neue Arbeitskräfte ein, und es flossen neue Investitionen. Diese Unternehmen konkurrierten mit anderen Sektoren um Arbeitskräfte und boten gute Löhne“, zitiert die Zeitung die Wirtschaftsexpertin Tatiana Orlova.
"Putin hat im Grunde genommen das getan, was Trump den amerikanischen Wählern versprochen hat"
In den Fabriken werde nun in drei Schichten pro Tag gearbeitet, um Munition, Uniformen und andere im Krieg benötigte Güter zu produzieren. Die Löhne steigen nicht nur wegen des Bedarfs an Arbeitskräften in den Fabriken. Auch die vielen in den Krieg gezogenen Männer tragen dazu bei, dazu komme die restriktive Migrationspolitik der Regierung.

Habeck: Konsens ist, wenn ich Recht habe (Focus Briefing)

Habeck:
Konsens ist, wenn ich Recht habe (Focus Briefing)
Tanita Koch, 27.08.2025
Gehören Sie zu den mehr als 450.000 Menschen, die die Petition „Robert, bitte verlass uns nicht!“ (oder so ähnlich) unterzeichnet haben? Triggeralarm: Dann überspringen Sie besser dieses Herrn Habeck gewidmete Editorial und scrollen weiter.
Der Massenaufruf lobhudelte im Frühjahr: „Du widersetzt dich dem oftmals zynischen und entmenschlichten Diskurs.” Und: „Du hörst zu, wägst ab, fühlst mit…“

Räusper. Nun ja.

Der mitfühlende Robert wirft Markus Söder gerade im großen taz-Abschiedsinterview „fetischhaftes Wurstgefresse“ vor. Wolfram Weimer betreibe, so Habeck, „Sprachjakobinertum von rechts“.

Julia Klöckner wiederum, ebenfalls „rechts“, sei zu Neutralität „unfähig“, eine polarisierende „Fehlbesetzung“ – und überdies zu blöd für ein Ministeramt.

Man darf das alles finden

Nur sollte es vielleicht nicht unbedingt derjenige hinausposaunen, der jahrelang mit seinem innerem Betroffenheits-Monolog öffentlich missionieren ging, die Republik über „konsensstiftende“ Sprache aufklärte, #PolitikUndAnstand einforderte („Klar in der Sache, aber immer mit Respekt“), das „ewige Hickhack der großen politischen Bühne“ und den „vergifteten Diskurs“ beklagte.

Der Ex-Minister beweist: Konsens heißt für Habeck, seiner Meinung zu sein. Abweichende Auffassungen sind hingegen „kulturkämpferische Signale“.

Ich hielt ihn, mein Fehler, für klüger. Allein aus PR-Sicht. Statt seine nahende Freiheit im akademischen Ausland zu feiern, gibt er dem politischen Gegner Gelegenheit, noch einmal an den „heillos überforderten Wirtschaftsminister“ zu erinnern, so der parlamentarische Innenstaatssekretär Christoph de Vries (CDU) gegenüber meiner FOCUS-Kollegin Alisha Mendgen. Oder ihm, wie der CDU-Abgeordnete Johannes Steiniger im FOCUS „grüne Doppelmoral“ vorzuwerfen: „Sexismus wird immer laut angeprangert, außer er trifft eine Frau der CDU.“

Mit Frau Klöckner, der Bundestagspräsidentin, will der scheidende Abgeordnete Habeck nicht mal ein Abschlussgespräch führen. Dabei hatte er doch so schön pastoral gepostet: „Man trifft sich immer zweimal im Leben, und man sollte sich immer noch die Hand reichen können.“ Haltbarkeit dieses Spruchs: ein Wahlkampf.

A propos Sprüche. Am wenigsten vermissen werde ich Habecks Pseudo-Tiefsinnigkeit. Er brauche „Abstand“, gehe „ins Offene“, lasse die „Leinen los“ und wolle wieder „Luft unter die Flügel“ bekommen. Floskelalarm ist dafür gar kein Ausdruck.

Mit seinem Interview ist es dem Ex-Vizekanzler gelungen, dass ich sogar mal einer Meinung mit Markus Söder bin. Er rief Habeck via „Bild” zu: „Geh mit Gott – Hauptsache, weit weg