„Sie wissen, dass es auch von unserer Seite Informationen gab, die auf eine Beteiligung der Angelsachsen an der Organisation dieses Sabotageakts hindeuten“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Leider sei Russland nicht gehört worden, der Bericht könnte nun die Grundlage für eine internationale Aufklärung bilden. Gerade Deutschland als Geschädigter dürfe nicht darüber hinwegsehen.
Moskau reagierte damit auf einen Artikel des bekannten Investigativreporters Seymour Hersh,
wonach US-Marinetaucher für die Explosionen der Gaspipelines in der
Ostsee verantwortlich seien. Das Weiße Haus hat den Bericht dementiert.
„Das ist völlig falsch und eine vollkommene Erfindung“, erklärte die
Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates der USA, Adrienne Watson.
Die russische Führung steht selbst im Verdacht, hinter den Explosionen zu stehen, die die von Russland nach Deutschland führenden Pipelines Ende September schwer beschädigt hatten. Moskau wiederum hatte von Anfang die These einer Pipeline-Sabotage durch die Vereinigten Staaten vertreten.
Russland hatte Nord Stream 1 zum Zeitpunkt der Explosionen wegen angeblicher technischer Probleme bereits abgeschaltet. Die laut Moskau trotz Beschädigung weiter einsatzfähige Leitung Nord Stream 2 hat bis heute keine Zulassung von deutschen Behörden erhalten. Den Untersuchungen zufolge wurden die Detonationen durch Sabotage hervorgerufen. Bis heute gibt es keinen klaren Beweis für die Urheberschaft.
Reporterlegende mit nur einer Quelle
Der US-Journalist Hersh hatte zuvor berichtet, US-Marinetaucher hätten im vergangenen Juni bei einer vom Weißen Haus angeordneten und von der CIA geplanten verdeckten Operation mithilfe Norwegens Sprengsätze an den Gaspipelines angebracht. Die Sprengsätze seien dann im September ferngezündet worden.
Präsident Joe Biden habe damit verhindern wollen, dass Russland weiter Milliarden mit dem Export von Erdgas verdiene, schreibt der Gewinner des renommierten Pulitzer-Preises weiter. Die USA hätten die Pipelines auch als Druckmittel des Kreml gegenüber Deutschland und Westeuropa angesehen, das einen Beistand des Westens für die Ukraine schwächen könnte. Die Idee für eine Zerstörung der Pipelines soll demnach schon im Dezember 2021 entstanden sein.
Hersh, eine 85-jährige Reporterlegende, beruft sich in seinem Bericht auf eine einzige Quelle. Er veröffentlichte den Bericht auf seinem Substack und nicht in einem großen US-Medium. Wie die US-Regierung erklärte auch das norwegische Außenministerium am Mittwoch, der Bericht sei „falsch“.
Wolodin bemüht Atomwaffenvergleich
In Moskau hingegen wird der Bericht in Medien und Politik breit diskutiert. Nach den veröffentlichten „Fakten“ sei eine internationale Aufklärung des Falls und die Bestrafung der Verantwortlichen nötig, forderte der Parlamentsvorsitzende Wolodin. „Wenn (US Präsident Harry) Truman zum Verbrecher wurde, indem er Atomwaffen gegen die Zivilbevölkerung in Hiroshima und Nagasaki einsetzte, so ist Biden zum Terroristen geworden, der den Befehl zur Zerstörung der Energie-Infrastruktur seiner strategischen Partner Deutschland, Frankreich und Niederlande gegeben hat“, so der Russe Die Bombardierung der ukrainischen Energie-Infrastruktur durch Russland als Teil des russischen Angriffskriegs hatte Wolodin zuvor gerechtfertigt.
Insgesamt vier Explosionen hatten im September in den Wirtschaftszonen Schwedens und Dänemarks in der Ostsee mehrere Lecks in die Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 gerissen, die für den Transport von russischem Gas nach Deutschland gebaut worden waren. Die Pipelines waren zum Zeitpunkt der Explosionen nicht in Betrieb, enthielten aber Gas. Nach Angaben Schwedens steckt Sabotage hinter dem Vorfall. Demnach wurden Sprengstoffreste nachgewiesen.
Erst vor wenigen Tagen sagte Generalbundesanwalt Peter Frank in einem Interview, es gebe bislang keine Beweise für eine Urheberschaft Russlands. Russland wiederum hatte bereits kurz nach den Detonationen angedeutet, die USA könnte für die Explosionen verantwortlich sein. „Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben“, erklärte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums damals.
Hintergrund waren Äußerungen von US-Präsident Joe Biden vom Februar 2022 bei einem Washington-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Biden hatte mehrere Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewarnt, sollte Russland im Nachbarland einmarschieren, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Das „verspreche“ er, betonte der Präsident, ohne nähere Angaben zu machen. „Wir werden dem ein Ende bereiten.“
Damals stand die Frage im Raum, ob die USA mit Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG versuchen könnten, eine Inbetriebnahme der Pipeline zu verhindern. Es war dann die Bundesregierung, die Nord Stream 2 ein Ende setzte: Kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine legte Berlin das Projekt auf Eis. Scholz reagierte damit auf die Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete in der Ostukraine durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Hersh ist als Journalist eine Legende, aber auch nicht unumstritten. Er deckte einst das Massaker von My Lai im Vietnamkrieg und die US-Folter im irakischen Gefängnis Abu Ghraib auf. Er hat in den vergangenen Jahren aber auch stark kritisierte Texte geschrieben. So stellte er 2013 infrage, dass die syrische Regierung für einen tödlichen Giftgaseinsatz verantwortlich war.
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